Editorial

Vom Mut zu Fehlern

(31.05.2019) HIGHLIGHTS AUS 25 JAHREN LABORJOURNAL: Im Frühjahr 1998 starteten wir mit diesem Beitrag unsere Doktoranden-Miniserie "Docs on the Rocks".
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Fehler sind wichtig. Dumme machst du niemals wieder, weniger dumme entpuppen sich oft als Wegweiser für neue Denkansätze. Ganz dumme aber lasten erdenschwer und dämpfen deinen Hochmut. Selbst Einstein machte viele Fehler (er war Legastheniker).

So kann ich denn nicht glauben, dass manche Leute allzu fehlerlos durchs Leben hasten – arroganten Charme versprühend, der nach Eigenlob stinkt wie lauwarme Buttersäure. Obwohl bei vielen nicht sehr beliebt, haben sie doch bei "Vater Chef" zwanzig Steine im Brett. Für jeden Kratzfuß einen, und noch drei für exzellent vorgetragene Ergebnisse.

Tja, solange Chefchen Schein und Sein verwechselt, finden eitle „Stroh-zu-Gold-Spinner" immer ihre Nische, wo sie, getrieben durch Profilierungssucht und Standesdünkel, nicht selten nach oben schweben. Als perfekte Radfahrer verstehen sie sich freilich nicht nur aufs „Nach-oben-buckeln", nein, auch das „Nach-unten-treten" haben sie im Laufe ihrer Uni-Jahre auf „wundersame Art gelernt. Und schade, schade – sie kommen damit weiter.

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Diese wohl gezielten Tritte aber bringen besonders Newcomer schnell zum Verzagen. Eingeschüchtert durch platte Besserwisserphrasen wagen sie bald nicht mehr zu fragen oder über Fehltritte zu reden.

Zu schnell zielt die Sense der Vorurteile auf die Hälse derjenigen, die es wagen, sich öffentlich zu ihren Fehlern zu bekennen. In Zeiten, die nach Ergebnissen drängen, bedarf es schon einigen Mutes zu sagen: „Ja, ich habe dies und jenes nicht bedacht, vergessen, falsch gemacht. Jetzt aber weiß ich, wo der Hase lang läuft, jetzt kann ich von meinen Fehlern profitieren."

Das aber ist doch der Sinn einer öffentlichen Lehranstalt. Dass man versucht, durch Kommunikation mit anderen alle Unklarheiten so schnell wie möglich zu beseitigen.

Leuten, die den aufrechten Gang beherrschen, widerstrebt es einfach, sich lauthals prahlend an Chefchens Rockzipfel zu hängen und alles immer nur schönzureden. Nur gibt es eben große Gelehrte, bei denen nicht zählt, was Du gemacht hast, sondern mit wie viel Eigenlob Du es verkauft hast (wahrscheinlich sind sie selbst so nach oben geradelt). Die lassen sich gar zu oft blenden, von allem, was glänzt – so auch von Alufolie.

So haben wir die Wahl, mutig aber „dumm" zu sein, oder aber „schlau" und ohne Rückgrat. Ein jeder entscheide selbst, ob er in Zukunft schreiten oder kriechen will. Viele finden einen goldenen Mittelweg, der es ihnen erlaubt, leicht gebeugt, doch aufrecht die Sümpfe der Wissenschaft zu durchwaten. Hier vielleicht ein paar Tips für Einsteiger:

Ärgere dich im Stillen, deine Chefs können zwar alles essen, aber sie müssen nicht alles wissen. Korrigiere deine Fehler schnell und unauffällig – und scheue dich nicht, andere nach Dingen zu fragen, die dir noch unklar sind. Dumme Fragen gibt es nicht, wohl aber dumme Fehler, die aus dem Nichtfragen resultieren. Du bist hier, um zu lernen und Fehler sind erlaubt. Und vor allem: Verzeih dir deine Fehler selbst. Denn wenn du darüber reden kannst ganz ohne Scham, dann verurteilen auch andere Dich nicht.


(An einem Institut irgendwo in unserem Lande erlebt die Doktorandin "Sirene" Freud und leid ihrer Spezies. Und schreibt darüber.)




Letzte Änderungen: 28.05.2019