Editorial

Bessere Bilder mit multiplen Photonen

(17.04.2019) Ein Forscherteam aus Erlangen ent­wickelte ein Endomikroskop für minimal-invasive mikroskopische Aufnahmen im Körperinneren.
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Das auf das Kopplungsobjektiv montierte Endoskopieobjektiv.

Normalerweise wird in der klinischen Routine für die mikroskopische Beurteilung von Geweben eine Biop­sie durchgeführt. Biopsien von bereits erkranktem Gewebe können jedoch zu Wundheilungs­störungen führen. Zudem lässt die Diagnose auf sich warten, da das Gewebe für die Mikroskopie zunächst einmal vorbehandelt werden muss, etwa indem es zurechtgeschnitten und histologisch eingefärbt wird.

Mit der Endomikroskopie ist es jedoch möglich, zelluläre Prozesse in lebenden Tieren zu untersuchen, zum Beispiel das Wachstum von Tumoren oder den Verlauf entzündlicher Prozesse. Die konfokale Laser-Endomikroskopie setzen Mediziner bereits ein, um Gewebe mit zellulärer Auflösung darzustellen, etwa während einer Darmspiege­lung. Ohne fluoreszierende Farbstoffe als Kontrastmittel funktioniert die Sache allerdings nicht. Außerdem erreicht die Technik aufgrund der Lichtstreuung im Gewebe nur eine begrenzte Bildtiefe.

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Auf der Basis von Autofluoreszenz

Die Multiphotonen-Mikroskopie hat hier gegenüber der konfokalen Lasermikroskopie viele Vorzüge. So sind zum Beispiel die bei der Multiphotonen-Mikroskopie eingesetzten Nah­infrarot-Laserpulse weniger streuanfällig, wodurch sich die Bildtiefe erhöht. Die Technik kann aber noch einen weiteren Trumpf ausspielen: Sie funktioniert Label-frei, da sie voll­ständig auf der Autofluoreszenz von körpereigenen Molekülen basiert, wie zum Beispiel Nicotinamid-Adenin-Dinukleotid (NADH) oder Flavin-Adenin-Dinukleotid (FAD).

Eine Gruppe um Oliver Friedrich und Sebastian Schürmann vom Institut für Medizinische Biotechnologie der Universität Erlangen entwickelte ein kompaktes und transportables Multiphotonen-Endomikroskop mit 3D-Bildgebungsfunktion für die minimal-invasive In-vivo-Bildgebung.

Ein besonderer Bestandteil des Endomikroskops ist das nadelförmige Objektiv mit gerade mal 23 Millimetern Länge und 1,4 Millimetern Durchmesser, das eine zylinderförmige Linse mit besonderen optischen Eigenschaften enthält. An der vorderen Spitze des Objektivs ist ein reflektierendes Prisma angebracht, das ein seitliches Blickfeld ermöglicht. Die Prisma-Oberfläche bleibt stets in direktem Kontakt mit der zu untersuchenden Oberfläche, zum Beispiel der Darm­schleim­haut.

Im Darm von Mäusen

Die Erlanger Forscher testeten das Multiphotonen-Endomikroskop bei der Darmspiegelung in Mäusen. Hierbei erreichten sie ein Sichtfeld von 290 x 290 Mikrometern (mit einer Tiefe von 200 Mikrometern) und eine laterale Auflösung von 2,2 bis 2,5 Mikrometern. Die axiale Auflösung betrug 30 bis 60 Mikrometer.

Die Auflösung reichte, um die Lieberkühnschen Krypten der Darmoberfläche in den Mäusen abzubilden. Eine 3D-Rekonstruktion mit mehreren Bildstapeln ermöglichte eine detaillierte Visualisierung der Morphologie der Krypten.

Die Gruppe testete, ob sie mit der neuen Technik auch entzündliche Prozesse im Gewebe ohne Label und mit zellulärer Auflösung abbilden konnte. Hierzu untersuchte sie im Mausmodell für akute Kolitis den zeitlichen Verlauf der Entzündung im Dickdarm. Die Mäuse erhielten dafür neun Tage zwei Prozent Dextran-Natriumsulfat (DSS) im Trink­wasser. Nach drei, sechs und neun Tagen führte das Team mit dem Multiphotonen-Mikroskop eine Darmspiegelung durch.

In gesunden Mäusen beobachten die Erlanger eine intakte Epithel-Schicht sowie Krypten, die ein regelmäßiges Muster mit ähnlicher Größe aufwiesen und in gleichmäßigen Abständen angeordnet waren. Mit voranschreitender Entzündung änderte sich jedoch die Erscheinungsform der Krypten: Die Abstände wurden größer und erschienen insgesamt ungleichmäßiger. Nach sechs Tagen ging das regelmäßige Muster vollständig verloren und in manchen Regionen waren gar keine Krypten mehr zu erkennen.

Veränderungen früh entdeckt

Die Bilder des Multiphotonen-Endomikroskops zeigten eine stark degenerierte Schleim­haut, die teilweise mit Narbengewebe durchsetzt war sowie ein zunehmendes Kollagen-Signal. Die Gruppe konnte mit dem Multiphotonen-Endomikroskop also den zeitlichen Verlauf der akuten Darmschleimhaut-Entzündung in vivo verfolgen. Verglichen mit der konventionellen Endoskopie, waren die Veränderungen wesentlich früher zu erkennen.

Prinzipiell sollte es mit kleinen chirurgischen Eingriffen auch möglich sein, auf ähnlich minimal-invasivem Weg Label-freie endomikroskopische Aufnahmen anderer Organe zu erhalten, zum Beispiel von Niere, Leber oder Milz. Das Multiphotonen-Endomikroskop eröffnet damit interessante Perspektiven für Anwendungen in der klinischen Diagnostik und im Therapie-Monitoring.

Die Bilder sind zwar nicht direkt vergleichbar mit gefärbten histologischen Schnitten oder Label-freien Aufnahmen mit Forschungsmikroskopen, die moderne Wasser­immersions-Objektive nutzen. Dennoch könnte das neue Mikroskop einen entscheidenden endosko­pischen Fortschritt bedeuten. Vor allem wenn es gelingt, die Technik zusammen mit einem konventionellen Weißlicht-Endoskop in ein einziges Gerät zu integrieren, das ein großes Sehfeld mit einer Label-freien zellulären Auflösung verbindet.

Miriam Colindres

Dilipkumar A. et al. (2019): Label‐Free multiphoton endomicroscopy for minimally invasive in vivo imaging. Advanced Science, 6(8):1801735



Letzte Änderungen: 17.04.2019