Editorial

Kleiner Zoo der Krankheitserreger

(01.04.2019) Die „Medizinische Mikrobiologie für Dummies“ ist ein vergnüglicher Ritt durch sämtliche Gruppen von Krankheits­erregern: Was sie tun, und was man gegen sie tun kann.
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Zugegeben: Um die Lehrbücher der „für Dummies“-Reihe hat die Rezensentin aus reiner Eitelkeit lange einen Bogen gemacht, wollte sie sich doch nicht „für dumm“ ver­kaufen lassen (Ausnahme das Statistik-Lehrbuch, siehe Laborjournal 03/2019, S. 57; Sie dürfen raten warum). Anhand der Neuerscheinung „Medizinische Mikrobio­logie“ sollte aber doch einmal überprüft werden, was dran ist am Versprechen, komplexen Stoff so aufzubereiten, dass Berührungsängste abgebaut werden und jeder (selbst der Dümmste?) ihn verstehen kann.

Als Mikrobiologin Fan der großartigen Leistungen der Kleinsten unter uns, musste sich die Rezensentin erst einmal darauf einlassen, dass sich hier alles ausschließlich um die „bösen“ Mikroben dreht. Deshalb richtet sich das Lehrbuch auch gar nicht in erster Linie an Biologen, sondern vielmehr an (Zahn)-Medizinstudenten und medizinisches Pflegeperso­­nal. Insgesamt empfehlen die Autoren ihr Buch aber einer ganzen Bandbreite von potenziellen Lesern – vom Technischen Assis­tenten über Kollegen aus der Praxis bis hin zu Stu­denten, Schülern und dem „interessierten Laien“, der mehr über „seinen“ Krankheitserreger erfahren möchte. Dieses Spektrum wird auch von den beiden Autoren abgedeckt: Einem Facharzt für Medizinische Mikrobiologie und Krankenhaushygiene an der Medizinischen Hochschule Hannover (Ralf-Peter Vonberg) und einer Biochemischen Fachanalytikerin, die an der Technischen Universität München in der Routine­diagnostik arbeitet (Christina Haese). Beide wissen aus ihrer Lehrtätigkeit, wo Studenten und Auszubildende in der Krankenpflege beziehungsweise zum Technischen Assistenten der Schuh drückt.

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Alles unter einem Dach

Anders als ein Lehrbuch der Bakteriologie vereint die „Medizinische Mikrobiologie“ alle Großgruppen, in denen Humanpathogene zu finden sind. Mit jeweils knapp über hundert Seiten gleich stark abgehandelt werden bakterielle und virale Krankheitserreger. Mykologie und Parasitologie nehmen gemeinsam noch einmal sechzig Seiten ein. Um diesen Haupt­teil herum drapieren sich eine Einführung mit den Grundlagen zur Infektionslehre, Epide­miologie und Hygiene, sowie jeweils einem Kapitel zur Diagnostik und zur Behandlung von Infektionskrankheiten.

Den Abschluss des Buches bildet der für die „für Dummies“-Reihe typische Top-Ten-Teil. Frei nach dem Motto, das Beste kommt zum Schluss, ist dies auch der Teil, den man sich als Erstes gönnen sollte. Falls man noch nichts über Mikroben weiß, dient die Top Ten aus Kuriositäten als Appetizer. Ist man bereits Experte, so findet sich in diesem Abschnitt garantiert noch der eine oder andere Leckerbissen aus Fakten, die einem bislang noch nicht über den Weg gelaufen sind. Hier geht es beispielsweise um Mikroben-Mathematik, faszinierende Vertreter aus der Mikrobenwelt, Literaturtipps sowie Spiel- und Musikvorschläge (gibt es wirklich!). So erfährt man bei­spielsweise, dass die chronisch unterschätzten Mikroorganismen etwa 70 Prozent der Biomasse auf der Erde ausmachen, von denen aber nur rund 5 Prozent bekannt sind. Immerhin 100.000 von ihnen leben pro Quadratzentimeter auf dem menschlichen Körper und wiegen dann „pro Mensch“ ein bis zwei Kilogramm.

Bestens gerüstet für die Prüfung

Weitere Rekordhalter sind die hitzeliebenden Archaeen – bitte einmal raten, wer sich hinter dem „Verborgenen Feuernetz“ und der „Feuerfahne des Schornsteins“ verbirgt – sowie die Spezialisten, die sich bei pH-Werten von 0,7 und 14, Drücken von 1.000 bar oder 10.000 Gray noch wohlfühlen. Auch das schnellste Lebewesen der Welt ist ein bakterieller Winzling: Der Bakterienfresser Bdellovibrio bacteriovorus schwimmt pro Sekunde 100 Körperlängen, und damit so viel wie drei Olympia-Becken umgerechnet auf die Größe eines Menschen.

Doch zurück zum Buch: Vier verschiedene Symbole kategorisieren die Textabschnitte, die typischerweise kurz und mit einem pfiffigen Titel überschrieben sind, in Praxistipps, Gefahr, Bemerkenswertes und Hintergrundwissen (oder viel griffiger auf Englisch gesagt: Good to Know, Must Know, Should Know und Nice to Know). Anschaulich wird der Text durch viele übersichtliche Tabellen und (allerdings meist einfach gehaltene) Abbildungen sowie die lexikonartige Erklärung von Fachbegriffen. Grundlegende statistische Auswertungs­methoden, wie sie in der Epidemiologie zum Einsatz kommen, werden gut verständlich erklärt. Dadurch wird das Buch auch zum Nachschlagewerk und eignet sich optimal zur Prüfungsvorbereitung, zumal es thematisch auf den Gegenstandskatalog des Instituts für Medizinische und Pharmazeutische Prüfungsfragen (IMPP) in Mainz abgestimmt ist.

Zum Hereinschnuppen und Nachschlagen

Insgesamt ist das Buch sehr anwendungsbezogen und zudem auf der Höhe seiner Zeit. Denn auch die noch neue Bedrohung durch das Zika-Virus ist bereits eingearbeitet. Nur allzu sehr ins Details gehen lässt sich auf knapp 450 Seiten natürlich nicht, sodass sich die „Medizinische Mikrobiologie“ wohl weniger als ausschließliches Lehrbuch eignet, sondern vielmehr zum „Hereinschnuppern“ oder schnellen Nachschlagen von Fakten und Begriffen. Dabei ist die Lektüre aber sehr kurzweilig, selbst für Leser „vom Fach“.

Larissa Tetsch

Ralf-Peter Vonberg, Christina Haese: Medizinische Mikrobiologie für Dummies. Wiley-VCH, Weinheim (2018). 444 Seiten, 29,99 € (Taschenbuch), ISBN 978-3-527-71052-2.

Weitere Fachbuch-Rezensionen z. B. zur klinischen Forschung, zu molekularbiologischen Methoden und Statistik für Pharmazeuten gibt‘s im aktuellen Laborjournal-Heft.



Letzte Änderungen: 01.04.2019