Editorial

Schnellstart für Krebstest (Update)

(21.03.2019) Ein Heidelberger Bluttest zur Brustkrebs-Früherkennung hat hohe Wellen geschla­gen. Vermarkten soll ihn die Heiscreen GmbH – und zwar schon dieses Jahr.
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Aufmerksamkeit war ihnen definitiv sicher als vor einigen Wochen drei Heidelberger Wissenschaftler – Christof Sohn, Sarah Schott und Tania Witte Tobar – mit einem Bluttest zur Früherkennung von Brustkrebs an die Öffentlichkeit gingen. Die Bild-Zeitung machte daraus eine „Weltsensation“ und auch die dazugehörige Pressemitteilung des Uniklinikums Heidelberg hielt sich mit euphorischen Formulierungen nicht gerade zurück: „Revolutionär“, sei der Test und „ein Meilenstein in der Brustkrebsdiagnostik“.

Zurückhaltend war man allerdings mit einigen wichtigen Daten. Zum Beispiel der Falsch-Alarm-Rate – der Anteil der Personen also, die zwar positiv getestet werden, aber gar nicht erkrankt sind. Ohne diese Angabe ist es unmöglich einzuschätzen, wie gut der Bluttest wirklich ist. Ein Mangel, der von vielen Medien und Wissenschaftlern auch zurecht kritisiert wurde.

Erwähnenswert ist zudem, dass für die Vermarktung des Tests bereits eine Firma, die Heiscreen GmbH, in Stellung gebracht wurde. Der Pressestelle des Uniklinikums zufolge ist Christof Sohn mit 4,86% und Sarah Schott mit 7,29% an der Gesellschaft beteiligt. Das Stammkapital beträgt laut Handelsregister-Eintragung 41.129,00 Euro.

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Gründung auf Vorrat

Schauen wir uns die Heiscreen GmbH aber mal etwas genauer an. Das Spin-off des Uniklinikums Heidelberg wurde bereits im Oktober 2017 ins Handelsregister Berlin eingetragen. Damals unter dem Namen „Kronen zweitausend360 GmbH“ mit der Geschäftsführerin Kerstin Zander. Im Dezember desselben Jahres erfolgte der Register­wechsel von Berlin nach Heidelberg/Amtsgericht Mannheim. Als neuer Geschäftsführer ist Gerd-Jörg Rauch eingetragen, seines Zeichens Zebrafisch-Forscher und Geschäftsführer der Technology Transfer Heidelberg GmbH. Letztere beschäftigt sich mit der „Verwertung des geistigen Eigentums, der Erfindungen, Urheberrechte und sonstigen Rechte der Universität Heidelberg und des Universitätsklinikums“.

Warum aber der Registerwechsel? Und was hat Berlin mit Heidelberg zu tun? Die Grün­dungs-GmbH „Kronen zweitausend360“ ist eine sogenannte Vorratsgesellschaft, die von einem Notarbüro (hier der DnotV GmbH mit Sitz in Berlin) gegründet und Firmen für 28.000 Euro zum Kauf angeboten wird. „Ganz gleich, ob Sie ein Startup aufziehen, bestehende oder neue Geschäftsfelder ausgliedern oder Ihr Unternehmen umstrukturieren wollen: eine Vorratsgesellschaft ist stets eine gute Option“, heißt es auf den Seiten der DnotV, „weil sie die Vorlaufzeiten deutlich verkürzt und vor allem planbar macht. Mit einer bereits gegründeten und im Handelsregister eingetragenen GmbH oder GmbH & Co.KG können Sie innerhalb von 24 Stunden handlungsfähig sein, und das bei gleichzeitiger Haftungsbeschränkung“. Dem Uniklinikum Heidelberg konnte es also nicht schnell genug gehen, den Test auf den Markt zu bringen – und das schon vor gut zwei Jahren.

Weltweite Vermarktung

Dafür spricht auch die Eintragung einer zweiten Firma, die Heiscreen NKY GmbH, die man sich ebenfalls via Vorratsgesellschaft sicherte, wenige Tage nach der Heiscreen GmbH. NKY mit Geschäftsführer Rauch will mit dem Bluttest auch die „Region China“ erobern. Geplant ist also auch eine weltweite Vermarktung.

Seit Dezember 2017 wechselten bei der Heiscreen GmbH mehrfach die Geschäftsführer, unter anderem ist zwischenzeitlich auch Christof Sohn als CEO gelistet. Aktuell leitet jedoch Dirk Hessel die Heidelberger Firma. Hessel ist kein unbeschriebenes Blatt in der Biotech-Branche. Zuvor sammelte er Management-Erfahrung bei der Bayer Healthcare AG in Leverkusen und den USA sowie bei Grünenthal in Aachen.

Sein letztes Engagement war bei Co.don in Berlin. Von 2015 bis 2017 leitete er als CEO die Geschicke der Tissue-Engineering-Spezialisten aus der Hauptstadt. Anfangs zeigte man sich begeistert von seiner „unternehmerischen Persönlichkeit“, in der Aufsichtsratssitzung von Dezember 2017 beschloss man jedoch, „den Anstellungsvertrag mit dem Vorstands­vorsitzenden Dirk Hessel nicht fortzusetzen und ihm den Abschluss eines Aufhebungsvertrags zum Ablauf des 31. Dezember 2017 anzubieten.“ Nun ist er also in Heidelberg angekommen und versucht, die „Markteinführung des Verfahrens voranzubringen und Vertriebskanäle zu entwickeln.“

Entwicklung braucht Zeit und Geld

Und das alles in rasantem Tempo – vor allem auch im Vergleich mit Firmen, die Ähnliches vorhaben. Seit 2016 ist beispielsweise die US-amerikanische Firma Grail, ein Spin-off von Illumina, damit beschäftigt, einen Bluttest zur Früherkennung verschiedener Krebsarten auf den Markt zu bringen. Aktuell wird das Verfahren für die Diagnose von Brustkrebs in einer klinischen Studie getestet – und zwar an 100.000 Frauen (im Vergleich zu 900 Probanden beim Heidelberger Test). Mit einem Endergebnis wird frühestens 2025 gerechnet, also in gut sechs Jahren. Denn um ein positives Frühdiagnostik-Ergebnis zu bestätigen, braucht es eben Zeit. Und Geld. Eine Milliarde US-Dollar investiert Grail Medienberichten zufolge offenbar in die Entwicklung des Bluttests – Geld, das unter anderem von Bill Gates und Jeff Bezos beigesteuert wurde.

In Heidelberg rast man dagegen auf der Überholspur der Markteinführung entgegen. „Die CE-Zertifizierung wird dieses Jahr noch abgeschlossen sein. Die klinische Anwendung wird abhängig sein von dem aktuellen Studienverlauf mit einem Einschluss von mindes­tens 2.000 Patientinnen“, schreibt uns Doris Rübsam-Brodkorb, Pressesprecherin des Uniklinikums Heidelberg. Ob diese Studie reicht, die Effizienz und das Potenzial des Tests „überzeugend aufzuzeigen“, wie von Sohn selbst angestrebt, bleibt offen. Ebenso ein Be­triebs­geheimnis bleibt, wie man all das in wenigen Monaten schaffen will. Schließlich ist die Markteinführung noch für dieses Jahr geplant.

Kathleen Gransalke

Update (22.03.2019)

Inzwischen hat sich das Uniklinikum dafür entschuldigt, mit ihrer Pressemitteilung falsche Hoffnungen geweckt zu haben. Man distan­ziere sich auch von der PR-Strategie, die von Heiscreen verantwortet wurde. Auch die eigentlich für dieses Jahr angekündigte Markt­einführung verzögert sich. „Gemeint war, dass bis Ende dieses Jahres die technischen Voraussetzungen so umgesetzt sein könnten, dass der Test in einem Labor unter Routinebedingungen durchgeführt werden könnte“, teilt das Uniklinikum der Rhein-Neckar-Zeitung mit. Bekannt ist nun auch die Falsch-Alarm-Rate. Sie beträgt 30 % (zum Vergleich: bei der Mammographie sind es 5-10%).



Letzte Änderungen: 21.03.2019