Editorial

Mit Tröpfchen gegen Krebs und Alzheimer

(28.02.2019) Das deutsch-amerikanische Biotech-Startup Dewpoint Therapeutics setzt auf biomolekulare Kondensate. Und über­zeugt damit Investoren und Nobelpreis­träger.
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Vor gut einem Jahr erzählte uns Tony Hyman vom Dresdner Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik von einer seiner Entdeckungen: Liquid-like Droplets. „Es beginnt damit, dass Proteine frei herum diffundieren. Dann gibt es ein Signal, das die Phasentrennung initiiert [zum Beispiel eine pH-Wert-Änderung]. Jetzt separieren sich die Proteine aus dem wässrigen Medium und bilden dann eine eigene Flüssigkeit.“ Die Tröpfchen, auch biomolekulare Kondensate genannt, bilden also membranfreie Kompartimente inner­halb von Zellen.

Und wozu gibt es sie? Auch dafür hat Hyman schon eine Antwort gefunden. „Zum einen können lokal Reaktionen beschleunigt werden, weil die Konzentration eines Proteins im Kompartiment natürlich besonders hoch ist. Andererseits kann die Zelle ein Protein so aber auch aus dem Zytosol entfernen, um dort Reaktionen zu vermeiden und die Zelle zu schützen.“

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Top 20 Zellbiologe

Mit diesen und anderen erstaunlichen Entdeckungen landete Hyman folgerichtig auch in den Top 20 (auf Platz 13) der meistzitierten Zellbiologen im deutschen Sprachraum in unserer Publikations­analyse vom März 2018. Und zwar mit fast 1.900 Zitierungen für 56 Artikel aus den Jahren 2012 bis 2016.

Bereits im anschließenden Interview mit Mario Rembold deutete Hyman an, dass eine Störung dieser biomolekularen Kondensat-Bildung hinter verschiedenen Erkrankungen stecken könnten. Versteht man das Phänomen besser, könnte man Wirkstoffe entwickeln, die außer Kontrolle geratene Regulationsmechanismen wieder ins Gleichgewicht bringen.

Im September letzten Jahres setzte Hyman diesen unternehmerischen Gedanken in die Tat um und gründete zusammen mit Richard Young vom Whitehead Institute die Firma Dewpoint Therapeutics. Hauptsitz des Unternehmens ist das US-amerikanische Cambridge (Heimat des Whitehead Institutes), zusätzlich sollen zwei Forschungsstandorte aufgebaut werden. In Boston, aber auch in Dresden. Für den Bostoner Standort werden derzeit schon Zellbiologen gesucht. Man sei aber generell auf der Suche nach „leidenschaftlichen“ Wissenschaftlern, die sich in der High Content-Bildgebung, der Biophysik und der Proteomik auskennen, heißt es auf der Webseite.

Ungeordnete Regionen

Entwickelt werden sollen „small molecule drugs“, die das Verhalten der membranfreien Kompartimente beeinflussen können. Das geschieht über die Bindung an bisher wenig erforschte Protein-Domänen, den sogenannten intrinsisch ungeordneten Regionen oder intrinsically disorderd regions (IDR). Je nach Krankheit sorgt "das kleine Arznei-Molekül" dann zum Beispiel dafür, dass sich die biomolekularen Kondensate bilden oder auflösen.

Abgesehen hat es Dewpoint Therapeutics aber nicht auf irgendwelche gesundheit­lichen Beschwerden, sondern auf „the most important diseases that face mankind“. Will heißen: Krebs, Neurodegenerative und Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie Krankheiten, die ausschließlich Frauen betreffen. Zunächst konzentriert man sich aber auf die ersten beiden. „Wir haben gezeigt, dass auch TAU diese Liquid-like Droplets bilden kann und ein Phasenübergang zu einer festen Form möglich ist. Solche Proteinaggregate spielen wohl in allen neurodegenerativen Erkrankungen eine Rolle,“ erläuterte Hyman im Laborjournal-Interview.

Einen Partner, der sich der Business-Seite des Start-ups annimmt, hat man mit Polaris Partner, einer Investment-Firma mit Sitz in Boston, auch schon gefunden. Amir Nashat, Managing Partner bei Polaris Partner, ist auch Dewpoints CEO. Neben weiteren erfahrenen Business-Strategen gehören zur „Dewpoint Family“ auch einige bekannte Namen der Wissenschafts-Szene. So sitzen im wissenschaftlichen Beirat Genetiker und Großes Bundesverdienstkreuz-Träger (mit Stern) Rudolf Jaenisch sowie Molekularbiologe und Medizin-Nobelpreisträger Phillip Sharp.

Langfristige Planung

Ende Januar kam durch eine erfolgreiche Serie-A-Finanzierung frisches Geld in die Kassen von Dewpoint Therapeutics: 60 Millionen US-Dollar investierte unter anderem Bayers „Innova­tionsinitiative“ Leaps by Bayer, die sich auf Start-ups mit längerfristigem Businessplan spezialisiert haben. Denn mit klinischen Studien oder gar marktreifen Produkten ist auf absehbare Zeit nicht zu rechnen. CEO Nashat schätzt, dass die 60 Mille etwa für die nächsten drei Jahre reichen und zunächst in präklinische Studien und den Aufbau der Forschungsstandorte fließen werden. Was danach passiert, wird sich zeigen.

Kathleen Gransalke



Letzte Änderungen: 28.02.2019