Editorial

Wer hatte dieses Jahr das "Goldene Brett" vorm Kopf?

(04.12.2018) Nominiert für den „Unwissenschafts“-Preis der Skeptiker-Vereinigung waren ein Impfgegner, ein Krankenhaus und ein hellsehender YouTube-Star.
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Jeder hat mal ein Brett vor dem Kopf. In den meisten Fällen lässt es sich leicht wieder entfernen. Bei den Nominierten des Satire-Preises „Das goldene Brett“ für den größten wissenschaftlichen Unfug des Jahres ist dies jedoch nicht der Fall. Wer seine Energie und Zeit skurrilen Pseudo- und Parawissen­schaften widmet, hat gute Chancen, den Preis zu gewinnen. Ob Wunderheiler, Klimawandel-Leugner oder rechtsextremer Esoteriker, die Liste der alljährlich Nominierten ist lang und vielfältig. „Der Negativpreis geht an Personen oder Institutionen, die mit wissenschaftlich widerlegten oder unsinnigen Behauptungen Medienpräsenz anstreben, Angst machen oder Geld verdienen wollen“, heißt es offiziell.

Seit 2011 wird der Preis von den Wiener Skeptikern (GWUP Wien) vergeben. Seit 2016 findet die Preisverleihung parallel auch in Hamburg statt. Die Veranstalter hier sind das Forschungszentrum DESY und scienceslam.de.

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Kritikresistent und gefährlich

Nominierungen einreichen kann jeder. Eine zweizeilige Begründung und ein weiterfüh­render Link reichen aus. Eine Fachjury aus verschiedenen Natur- und Geisteswissen­schaftlern wählt aus den zahlreichen Nominierungen zuerst drei Finalisten. Wer die Kriterien – Grad der Abwegigkeit, Kritikresistenz, kommerzielles Interesse, Aktionsradius, Pseudowissenschaft und Gefahrenpotenzial – am besten erfüllt, wird zum „brettgekrönten Sieger“ gekürt. Alle Finalisten werden natürlich freundlich zur Preisver­leihung eingeladen – eine persönliche Übergabe des Brettes gab es bisher erst einmal; an den allerersten Preisträger, Lichtesser Peter Straubinger.

„In den letzten beiden Jahren haben wir diese ganz fiese Mischung aus Esoterik und Rechtsextremismus ausgezeichnet“, so Julia Offe, Mitglied der Hamburger Skeptiker und Verleiherin des „Goldenen Bretts“ in der Hansestadt. „Einmal Ryke Geert Hamer und die Neue Germanische Medizin und einmal Peter Fitzek, einen Reichsbürger und selbsternannten König von Deutschland.“

Schweizer Wunderkind

Auch in diesem Jahr gab es drei hochverdiente Anwärter auf den Schmähpreis. Nummer 1: Christina von Dreien. Die Schweizerin ist erst 17 Jahre alt und behauptet, schon mehr­fach wiedergeboren zu sein. Außerdem verfügt sie angeblich über ein „erweitertes Bewusstsein“, „multidimensionale Wahrnehmung“, kann Hellsehen, beherrscht die Telepathie und kommuniziert gelegentlich mit dem Jenseits. Sie verfügt auch, ganz irdisch, über eine geschäftstüchtige Mutter, die sie managt und vermarktet. So füllt das Wunder­kind große Säle und ist ein internationaler YouTube-Star.

Hans Tolzin, der zweite Konkurrent im Kampf um „Das Goldene Brett 2018“, ist Molkereifachmann und aktiver Gegner der evidenzbasierten Medizin. Tolzin warnt auf mehreren Webseiten vor dem Impfen und bezweifelt grundsätzlich, dass es so etwas wie Infektionskrankheiten überhaupt gibt. Viren und Bakterien verursachen seiner Meinung nach keine Krankheiten und auch zum Thema „AIDS“ hat er seine ganz eigene skurrile Meinung – und das alles ohne jegliche medizinische Ausbildung.

Dritter Finalist war das Wiener Krankenhaus Nord. Anfang des Jahres geriet es mit einer obskuren Aktion in die Schlagzeilen. Das Krankenhaus hatte den Energetiker und Bewusstseinsforscher Christoph Fasching engagiert, damit dieser das Gebäude „energetisch“ optimiert. Seine Lösung: Ein „energetischer Schutzwall“ für 95.000 €. „Wer einen Energetiker zu sich nach Hause bestellt, um dort wirkungslose Zauberrituale durchführen zu lassen, schadet sich in erster Linie selbst. Wenn aber öffentliche Mittel für Humbug ausgegeben werden, ist das Unfug einer besonders schwerwiegenden Sorte,“ urteilte die „Brett“-Jury und erklärte das Krankenhaus und Fasching zu den diesjährigen Gewinnern. Für die Summe hätte man „aufwändige Operationen oder Krebsbehandlungen durchführen (…), oder tausende Kinder gegen Masern, Mumps und Röteln impfen können.“

Okkultes Lebenswerk

Seit 2012 wird auch noch das „Goldene Brett fürs Lebenswerk“ verliehen. Voraussetzung ist, dass man sich über viele Jahre hinweg einen Namen in der Esoterik-Szene gemacht hat. So wie die ehemaligen Preisträger Ufo-Gläubiger Erich von Däniken, der Kopp-Verlag, der Verschwörungstheorien eine Plattform verleiht, sowie der Deutsche Zentralverein homöopathischer Ärzte.

In diesem Jahr ging das Brett fürs Lebenswerk an Demeter, ein Landwirtschafts-Verband der „biologisch-dynamische“ Produkte verkauft. Die Tatsache, dass Demeter die strengsten Richtlinien unter den Bio-Siegeln einhält, ist zweifelsohne zu begrüßen, meinen die Preisverleiher. Das „Goldene Brett“ erhält der Verband jedoch, weil seine Wirtschaftsweise auf der okkulten Weltanschauung des Anthroposophen Rudolf Steiner basiere. „Da werden schon mal mit Mist gefüllte Kuhhörner bei Vollmond vergraben, um deren Inhalt später homöopathisch verdünnt auf dem Feld zu versprühen und so den Pflanzen zu einem ‚harmonischen Gedeihen‘ verholfen.“ Laut Veranstalter wird so ein „vorwissenschaftlich-magisches Weltbild“ gefördert.

Pseudo- und Parawissenschaften ziehen eine ganze Menge Leute in ihren Bann – und das trotz widerlegter Theorien und fehlender wissenschaftlicher Beweise. Auch im nächsten Jahr werden den Skeptikern die Kandidaten für ihren Preis ziemlich sicher nicht ausgehen.

Eva Glink



Letzte Änderungen: 04.12.2018