Editorial

„Man muss Enthusiasmus und Strategie vereinen“

(13.11.2018) 2006 erhielt Boris Pfander sowohl den Otto-Hahn-Award als auch die Otto-Hahn-Medaille der Max-Planck-Gesellschaft – "wichtige Momente" seiner Karriere.
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Seit 2010 leitet Boris Pfander eine Otto-Hahn-Nachwuchsgruppe am Max-Planck-Institut für Biochemie (MPIB) in Martinsried. Nach dem Biochemie-Studium in Hannover wechselte er 2001 zur Doktorarbeit in die Arbeitsgruppe des 2016 verstorbenen Stefan Jentsch. Nach erfolgter Promotion 2005 und mit Unterstützung durch EMBO und dem Human Frontier Science Program (HFSP) absolvierte er einen Postdoc im Labor von John Diffley am London Research Institute, das 2015 Teil des neugegründeten Francis-Crick-Instituts wurde.

Was waren Meilensteine in Ihrer wissenschaftlichen Karriere?

Pfander: Ein erster Meilenstein war die Entdeckung des sogenannten „PCNA switch“ während meiner Doktorarbeit am MPIB zusammen mit Carsten Hoege und George-Lucian Moldovan. Dabei handelt es sich um einen Mechanismus, der es Zellen ermöglicht, ein gewisses Maß an DNA-Schäden zu tolerieren – verursacht zum Beispiel durch UV-Strahlen während des Sonnenbads. Dieser „PCNA switch“ kontrolliert entscheidend, mit welcher Rate unser Genom mutiert. Aus diesem grundlegenden Interesse an der Stabilität genetischer Information in der Zelle entstand letztendlich auch der Fokus meiner heutigen Forschungsgruppe. Hervorzuheben sind zusätzlich unsere Studien zur homologen Rekombination, ein Mechanismus durch den Zellen DNA-Brüche reparieren. Hierfür mussten wir ein sehr breites Methoden-Spektrum etablieren, was ohne die großartige Expertise am MPIB und sehr enge Kollaborationen nicht möglich gewesen wäre.

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Woran forschen Sie heute?

Pfander: In meiner Gruppe versuchen wir weiterhin neue Mechanismen zu erforschen, die die genetische Information stabil halten. Ebenso interessiert uns, was passiert, wenn diese Mechanismen außer Kraft gesetzt werden und ob diese in alternden Zellen noch genauso gut funktionieren. Bisher konnten wir grundlegende Erkenntnisse darüber gewinnen, wie Zellen es schaffen, ihre DNA nur genau einmal pro Zellteilung zu verdoppeln und die Reparatur von DNA-Brüchen zu kontrollieren. Diese Erkenntnisse tragen zum besseren Verständnis der Krebsentstehung bei, und könnten auch Anwendung bei „Genome Editing“-Methoden finden. Ich denke, hier gibt es auch in Zukunft noch sehr viel zu entdecken. Zum Beispiel wird zunehmend klarer, dass das Chromatin eine zentrale Rolle spielt. Natürlich erfordert unsere Forschung auch die Entwicklung neuer Methoden wie zum Beispiel beim Deep-Sequencing. So haben wir einen Ansatz entwickelt, der es uns erlaubt, simultan die Reparatur von mehreren DNA-Schäden auf unterschiedlichen Chromosomen zu verfolgen.

2006 erhielten Sie die Otto-Hahn-Medaille für eine herausragende Promotion sowie den Otto-Hahn-Award, der damals ja zum ersten Mal vergeben wurde. Waren Sie überrascht?

Pfander: Während unserer Arbeiten am „PCNA switch“ war uns schon bewusst, dass es sich um eine wichtige Entdeckung handelte. Und das Feedback, das wir zu diesem Zeitpunkt bereits von Kollegen erhalten hatten, sowie das Interesse populärwissenschaftlicher und Fachmedien bestärkten uns weiter. Von daher kam die Auszeichnung mit der Otto-Hahn-Medaille nicht vollkommen aus heiterem Himmel – nichtsdestotrotz war es natürlich ein wichtiger Moment in meiner Kariere und eine fantastische Auszeichnung. Der Otto-Hahn-Award hingegen, also die Möglichkeit, eine kleine Forschungsgruppe an einem MPI der Wahl zu übernehmen, wurde ja erstmalig vergeben und entsprechend erfuhr ich erst am Tag der Vergabe davon. So hatte ich auf einmal die mittelfristige Perspektive einer Forschungsgruppe an einem Max-Planck-Institut.

Der Otto-Hahn-Award ist mit der Förderung eines Postdoc-Aufenthalts im Ausland verbunden. Sie haben sich aber dennoch auf Stipendien beworben.

Pfander: Tatsächlich waren die Bewerbungen auf Postdoc-Stipendien zu diesem Zeitpunkt längst abgeschickt. Für mich war damals die wichtige Entscheidung: mache ich einen „normalen“ Postdoc oder starte ich meine eigene Forschungsgruppe direkt nach der Doktorarbeit? Ich hatte hierzu tatsächlich noch ein weiteres Angebot. Ich habe mich dann für den Postdoc entschieden, da ich für meine eigene Gruppe methodisch breiter aufge­stellt sein wollte. Insbesondere wollte ich biochemische In-vitro-Rekonstitutionen in mein Portfolio aufnehmen. Deshalb ging ich ins Labor von John Diffley, das zu den weltweit führenden Labors auf diesem Gebiet zählt.

Warum gingen Sie zurück ans MPI nach Martinsried und wie war dabei der Übergang zum Gruppenleiter?

Pfander: Das MPIB ist einfach ein ideales Umfeld für unsere Forschung. Hier gibt es nicht nur ausgezeichnete Voraussetzungen für unsere biochemischen, molekular- und zellbio­logischen Ansätze, sondern auch hervorragende Expertise in der Fakultät wie zum Beispiel in der Proteomik und Strukturbiologie. Die Unterstützung durch eine großartige Core Facility ermöglicht es mir, Methodik und Ansätze zu verfolgen, die auch außerhalb meiner „Kernkompetenz“ liegen. Darüber hinaus war für meine Wahl ausschlaggebend, dass es in München/Martinsried ein extrem starkes Netzwerk von Forschungsgruppen mit Fokus „Chromatin“ gibt. Der Stellenwert von guten Kollaborationen war mir schon damals bewusst, und in München fühlte – und fühle – ich mich diesbezüglich sehr gut aufgehoben. Mit einer solch guten Einbettung am MPI und in der Münchner Forschungslandschaft – und natürlich nicht zuletzt auch dank eines ausge­zeichneten Teams in meinem Labor – fiel der Start der eigenen Forschungsgruppe sehr leicht.

Wie sind Ihre Pläne für die weitere Karriere?

Pfander: Langfristig möchte ich nicht nur grundlegende Mecha­nismen der Genom-Stabilität besser verstehen, sondern auch, unter welchen Bedingungen diese Mecha­nismen außer Kraft gesetzt werden. Ein Beispiel wären frühe Ereignisse während der Krebsentstehung. Hier haben wir zwar mit dem „Oncogene-induced DNA damage model“ eine grundlegende Theorie. In welchem Maße, Genom-Stabilitätsmechanismen eine Funktion als Barriere gegen Krebs haben, ist allerdings unklar. Noch weniger verstehen wir die Rolle dieser Mechanismen während des Alterns. Dies sind wichtige Themen, zu denen ich gerne Beiträge leisten würde. Entsprechend suche ich langfristig eine Universität oder ein Forschungs­institut, wo ich diese Forschung verwirklichen kann. Die Forschungs­richtung einer Fakultät oder eines Netzwerks zu prägen, wäre ein weiteres großes Ziel für die Zukunft.

Was ist Ihr Rat für Nachwuchswissenschaftler?

Pfander: Einerseits, das zu erforschen, was einen interessiert und fasziniert. Die Faszi­nation für ein Thema trägt einen voran und hilft, mit seinem Thema auch andere zu begeistern. Andererseits erfordert die eigene Forschungskarriere aber natürlich auch strategische Planung. Es ist in der heutigen Wissenschaftslandschaft meines Erachtens unerlässlich, ein gewisses Alleinstellungsmerkmal zu haben, sei es thematisch oder – und das ist vielleicht manchmal einfacher zu erreichen – methodisch. Wenn man es schafft, Enthusiasmus und Strategie zu vereinen, hat man meines Erachtens sehr gute Chancen, sich auf einem sehr kompetitiven Karrierepfad durchzusetzen.

Die Fragen stellte Ralf Schreck

Mehr zu Max-Planck-Forschergruppen im November-Heft von Laborjournal.



Letzte Änderungen: 13.11.2018