Editorial

Baukasten für Mikroalgen

(17.10.2018) Ein neuer Klonierungs-Werkzeugsatz erleichtert die synthetische Biologie in Chlamydomonas reinhardtii.
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Hersteller und Nutzer von Mehrkompo­nenten-Geräten lieben Stecksysteme: Hier ein überflüssiges Teil ausbauen, dort ein kaputtes ersetzen, woanders eines anhängen. Das geht am besten, wenn die Steckanschlüsse miteinander kompatibel sind. Aber nicht jede Verknüpfung macht Sinn. Drucker oder Maus werden zum Beispiel mit USB-Anschluss an den Computer angeschlossen und nicht direkt an den Monitor.

Mit genetischen Bauelementen verhält es sich ähnlich. Während Lokalisations-Signale wahlweise N- oder C-terminal mit einem Wunschgen fusioniert werden können, macht eine 5'-untranslatierte Region (5'-UTR) nur zwischen Promoter und codierter Sequenz (CDS) Sinn. Wer viele Bauelemente zusammenwirft und sein Produkt nicht dem Zufall überlassen will, muss „nur“ auf die richtigen „Stecker“ achten.

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Goldene Klonierung

Eine Standard-Methode mit der genetische Elemente zusammengebaut werden können, ist die Golden-Gate-Klonierung. Sie basiert auf Typ-II-Restriktionsenzymen (hier BsaI und BpiI), die außerhalb der Erkennungssequenz schneiden und Überhänge mit vier Basen­paaren hinterlassen. Geschickt geplant, sind die Überhänge kompatibel und können nach der Ligation nicht mehr von den Restriktionsenzymen geschnitten werden – Verdau und Ligation können also gleichzeitig ablaufen. Abhängig vom 5´- und 3´-Ende der genetischen Elemente (zum Beispiel Promoter oder Lokalisations-Signal) sind bestimmte Kombinationen möglich, wobei die Orientierung vorgegeben ist.

Ein europäisches Forscherteam um Felix Willmund und Michael Schroda von der Technischen Universität Kaiserslautern entwickelte einen umfangreichen Klonierungs-Werkzeugkasten für Chlamydomonas reinhardtii, der auf der Golden-Gate-Modular-Cloning(MoClo)-Technik basiert und aus insgesamt 119 Bausteinen besteht. Die Komponenten mit ihren teils kompatiblen Steckern repräsentieren 67 unterschiedliche genetische Elemente. Forscher können aus sieben Promotoren (konstitutiv oder induzierbar), mehreren 5´-UTRs, Sortier-Signalsequenzen sowie Tags zur Immundetektion und -isolierung auswählen. Zusätzlich stehen ihnen fünf Antibiotika-Resistenzgene, 3'-UTRs/Terminatoren und vier amiR-Sequenzen zu Verfügung. Dazu kommt dann noch ein Fragment für das 2A-Peptid, das die Expression mehrerer Proteine von ein und derselben Transkriptionseinheit ermöglicht.

Motiv-Mutation

Diese Auswahl genetischer Elemente hat sich in der Chlamydomonas-Forschung bereits bewährt und wurde von dem Forscherteam für die vereinfachte MoClo-Klonierung adaptiert. Zunächst musste die Gruppe die Elemente „domestizieren“, das heißt etwaige BsaI- und BpiI-Motive mutieren. Dann verpackte sie die gezähmten Elemente in MoClo-kompatible Vektoren. Zwischen diesen sind die Elemente kontrolliert transferierbar. Das Team hat die 119 Bausteine so konstruiert, dass nach Verdau elf verschiedene Überhänge entstehen, die man für zielgerichtete Fusionen einsetzen kann. Damit ist es zum Beispiel möglich, ein Kernlokalisations-Signal an ein Reportergen zu hängen – in variabler aber vorgegebener Reihenfolge.

Welche der elf Anschlüsse an die Enden der einzelnen Elemente angefügt werden, wird im ersten Schritt der MoClo-Klonierungs-Hierarchie (Syntax) festgelegt, bei dem einzelne genetische Elemente (Promotoren, CDSs, UTRs, etc.) zu Transkriptions-Einheiten oder Modulen zusammengesetzt werden. Die Transkriptions-Einheiten werden schließlich zu größeren Konstrukten (Devices) zusammengefügt, die bis zu sechs Gene gleichzeitig exprimieren können.

Für kreative Köpfe

Damit stehen die nötigen Standard-Werkzeuge bereit, um zum Beispiel Stoffwechselwege in Mikroalgen für die Produktion von Öko-Chemikalien umzuprogrammieren. Der MoClo-Werkzeugkasten erleichtert aber auch Grundlagenforschern die Arbeit mit Chlamydo­monas und bietet kreativen Köpfen ein Standard-Werkzeug, mit dem sie ihre Ideen in der synthetischen Biologie oder Biotechnologie einfacher umsetzen können. Die Tatsache, dass viele Transkriptions-Einheiten aus Chlamydo­monas auch in anderen Mikroalgen funktionieren, macht den Werkzeugkasten umso attraktiver – insbesondere, wenn es sich hierbei um industriell relevante Organismen wie Chlorella ellipsoidea oder Dunaliella salina handelt.

Andrea Pitzschke

Crozet P. et al. (2018): Birth of a Photosynthetic Chassis: A MoClo Toolkit Enabling Synthetic Biology in the Microalga Chlamydomonas reinhardtii. ACS Synthetic Biology, 7(9):2074–86



Letzte Änderungen: 17.10.2018