Editorial

Gut getarnt

(14.08.2018) Beide sind klein, unauffällig und ubiquitär. Wenn sich Schimmelpilz-Sporen und Nanopartikel zusammentun, kann der Pilz sogar ungesehen die Immunpolizei passieren.
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Man sieht sie nicht und doch sind wir ständig von ihnen umgeben. Mehr als 200 verschiedene Schimmelpilz-Arten schwirren in Deutschland herum und setzen sich überall fest – auf Lebensmitteln, in Blumen­töpfen und an Zimmerwänden. Über die Luft können Schimmelsporen und ihre Gifte in die Atemwege gelangen und Allergien und asthmatische Erkrankungen auslösen. Bei immun­schwachen Menschen – zum Beispiel Leukämie- oder AIDS-Patienten – kann das Einatmen von Pilzsporen sogar sehr schnell lebens­bedrohlich werden.

Auch Nanopartikel sind überall zu finden. Mit einer Größe von 1-100 Nanometern sind sie – genau wie Pilzsporen – so klein, dass man sie weder sehen noch fühlen kann. Nano­partikel gelangen auf verschiedene Wege in die Umwelt. Sie entstehen natür­licherweise bei Vulkan­ausbrüchen und Waldbränden oder werden vom Mensch durch beispielsweise Industrie-Abgase verursacht. Durch ihre hohe chemische Reaktivität sind sie bestrebt, an andere Objekte zu binden. Wie zum Beispiel an Pilzsporen.

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Wolf im Partikel-Pelz

Und genau diese Wechsel­wirkung zwischen Nanopartikeln und Schimmelpilz-Sporen spielt eine wichtige Rolle bei der Infektion mit Schimmelpilzen. „Wir haben herausgefunden, dass ultrafeine Partikel die Oberfläche von Pilzsporen so ummanteln können, dass sie von der Immunabwehr übersehen werden. Dann steigt das Risiko für eine schwere Infektions­krankheit natürlich deutlich an“, erklärt uns Shirley Knauer, Professorin der Molekular­biologie an der Universität Duisburg-Essen (UDE). Als „Wolf im Schafspelz“ bezeichnen die Forscher die Schimmelpilze mit Nanopartikel-Hülle, die sich ungehindert in der Lunge ausbreiten können.

Die Expositions­wege von Nanopartikeln und Mikroben überlappen – sie werden entweder von uns eingeatmet oder mit der Nahrung aufgenommen. Die Fragestellung über die Wechsel­wirkungen von Mikroben mit Nanomaterialien ist daher höchst relevant. „Dies gilt insbesondere für Infektions­krankheiten und das Mikrobiom, wird aber auch für ganze Ökosysteme eine wichtige Rolle spielen“, so Knauer.

Multiple Mikroskopie-Methoden

Um winzige Objekte wie Pilzsporen und Nanopartikel untersuchen zu können, sind die Wissenschaftler vor allem auf unterschiedliche hochauf­lösende Mikroskopie-Techniken angewiesen. „Aufgrund der Kleinheit der von uns untersuchten Objekte sind zum einen elektronen­mikroskopische Verfahren essentiell, um die winzigen Strukturen vernünftig auflösen zu können“, berichtet die Molekularbiologin. „Mittels intravitaler Mikroskopie ist es uns zudem gelungen, Nanopartikel-bedeckte Pilzsporen nicht nur in kultivierten Immun­zellen, sondern auch im intakten Lungengewebe nachzuweisen. Eine andere Methode, die sogenannte Lichtblatt-Mikroskopie, hat uns ermöglicht, große Proben wie die gesamte Lunge einer Maus abzubilden. Dies erleichtert die Übertragbarkeit unserer Ergebnisse auf die Erkrankung im Menschen und erhöht damit die Aussagekraft unserer Studie.“

Überraschenderweise war über die Wechselwirkung von Mikroben mit Nanomaterialien bisher nur sehr wenig bekannt. „Auf jeden Fall sind hier noch sehr viele Fragen offen, deren Klärung uns sicherlich noch einige Jahre gehörig auf Trab halten wird“, sagt Knauer.

Noch unangetastet
„In der aktuellen Studie haben wir uns auf Pilzsporen und damit auf die Exposition über die Atemwege konzentriert, aber das Portfolio an bakteriellen Erregern oder auch einzelligen Organismen ist noch nicht angetastet. Dies geschieht allerdings bereits parallel in weiteren gemeinsamen Forschungs­projekten mit Partnern aus der Mikrobiologie am Essener Universitäts­klinikum und der Mainzer Universitäts­medizin. Hier zeigen unsere Ergebnisse ebenfalls eine Beeinflussung unterschiedlicher Keime, wie beispielsweise dem mit Magenkrebs assoziierten Bakterium Helicobacter pylori, aber auch multiresistenter Keime wie MRSA“, verrät sie uns. „Darüber hinaus beschäftigen wir uns auch mit der Bindung von Nanopartikeln an Allergie-auslösende Pollen, ein Projekt, das der aktuellen Studie mit Schimmel­pilzen sehr nahekommt.“

Die bisherigen Ergebnisse von Knauer und ihrem Team machen deutlich, dass Interaktionen mit Nanomaterialien nahezu überall eine Rolle spielen. Der Wolf im Schafspelz ist also entdeckt, jetzt muss er nur eingefangen und enttarnt werden.

Eva Glink

Westmeier D. et al. (2018): Nanoparticle decoration impacts airborne fungal pathobiology. PNAS, 115(27): 7087-92



Letzte Änderungen: 14.08.2018