Editorial

Grünes gegen Dreck und Hitze

(13.08.2018) Es muss nicht immer Glas oder Putz sein, auch begrünte Fassaden haben ihren Reiz. Und ganz nebenbei machen Efeu und Co. auch noch das Stadtklima etwas erträglicher.
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Moderne Großstädte sind nicht gerade die angenehmsten Orte zum Leben und Wohnen. Häuser-Reihen dicht an dicht, kaum Bäume oder Sträucher und Luftver­schmutzung durch Abgase und Feinstaub schaffen ein sogenanntes „Stadtklima“ – mit durchschnittlich höheren Temperaturen („Urban Heating“-Effekt) und niedrigerer Luftfeuch­tigkeit. Der Klimawandel tut sein übriges. Dennoch zieht es die meisten Menschen in die Stadt. Wer will schon auf dem Land leben, wo es weder Multiplex-Kinos noch Hipster-Bars gibt und man sich vielleicht sogar mit seinen Nachbarn unterhalten muss?

Wieder einmal helfen uns jedoch unsere grünen Freunde aus der Patsche. Fassaden­begrünung ist das Stichwort. Mit Efeu (Hedera helix) und Co. bewachsene Wände zeigen erstaunliche ökologische Effekte. „Sie verbessern das Stadtklima, vermindern Überhitzung und Smog, sorgen für optimale Luftbe­feuchtung, binden Feinstaub, filtern Schadstoffe und und und,“ erzählt uns Hans Georg Edelmann von der Universität Köln. Nicht zuletzt sind begrünte Fassaden auch was fürs Auge und erhöhen die Wohn- und Lebensqualität.

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Temperatur bleibt stabil

Im Rahmen einer Master-Arbeit schauten sich Edelmann und sein Student Minka Aduse Poku diese Effekte mal genauer an. An zwei Villen in Bonn – eine mit blanker Haus­fassade, die andere mit Efeu bewachsen – maßen sie Temperatur und Hydratur über einen mehr­wöchigen Zeitraum. Efeu-Bewuchs hielt sowohl Temperatur als auch Luftfeuch­tigkeit in Fassaden-Nähe stabil, der maximale Unterschied betrug 13° C. Die Temperatur der blanken Hauswand hingegen schwankte an heißen Tagen um bis zu 35° C. Ähnliches ermittelten die Wissen­schaftler auch für die Luftfeuch­tigkeit.

Gemessen haben Edelmann, Aduse Poku und Franz Rohrer vom Forschungs­zentrum Jülich auch die Wirkung von Efeu auf den Stickoxid- und Feinstaub-Gehalt der Luft. Beide Schadstoffe wurden effektiv ab- bzw adsorbiert. In weniger als 30 Minuten sank auch die Konzentration von CO 2 unter Labor­bedingungen. „Prinzipiell ist die Wirkung auf dieses Klimagas bzw. dessen Absorption unter Freiland­bedingungen mit Sicherheit sehr viel ausgeprägter, zumal die Licht­intensitäten – und damit die Photosynthese-Leistung mit der Zucker-Synthese unter Verbrauch des CO 2 – an Sonnen­tagen um ein Vielfaches größer ist“, bemerkt Edelmann dazu.

Schlechtes Image wandelt sich

Hinzu kommt, dass Efeu immergrün, anspruchslos, robust und wuchsfreudig ist. „Efeu eignet sich, gewissermaßen als ‚green sustainable means‘ besonders in Städten, in denen ansonsten keine Grün­flächen zur Verfügung stehen,“ sagt der Botaniker der Uni Köln. Dennoch scheuen viele Hauseigen­tümer den Kletter­meister. „Der schlechte Ruf bzw. das schlechte Image ist meines Erachtens darauf zurück­zuführen, dass Efeu tradiert von vielen Menschen als Symptom für Vergäng­lichkeit, Vernach­lässigung und Verfall von Gebäuden, als Mauer- bzw. Gebäude-schädigend, als Betreuungs-intensives Gewächs betrachtet wird, um das man sich halt ab und zu kümmern sollte. Im Kontext mit dem Klimawandel und der damit zu erwartenden, noch stärkeren Aufheizung der Städte und der nach wie vor unveränderten und mancherorts zunehmenden Verschlech­terung der Luftqualität – vor allem durch Autoabgase – scheint sich dieses Image jedoch zu verändern,“ kommentiert Edelmann.

Und in der Tat besinnen sich einige Kommunen auf ihren grünen Daumen. So gibt es in Leipzig seit einiger Zeit das Mitmach-Projekt „Kletterfix – Grüne Wände für Leipzig“, das sogar im städtischen Luftrein­halteplan verankert ist. „Die Begrünung von Fassaden ist in unserer wachsenden Stadt eine gute Möglichkeit, um auf kleinem Raum für mehr Grün und damit Lebens­qualität (...) zu sorgen. Die Flächen dafür stehen an nahezu jeder Straßen­ecke zur Verfügung", sagt Leipzigs Umwelt­bürgermeister Heiko Rosenthal dazu in einer Presse­mitteilung. Interessierte Bürger der Stadt bekommen kostenlos die für ihren Wohnort passenden Kletter­pflanzen. Von Kletter­hortensie (Hydrangea anomala), Immer­grüner Kriech­spindel (Euonymus fortunei radicans) über Zier-Kiwi (Actinidia kolomikta) und Hopfen (Humulus lupulus) bis hin zu verschiedenen Clematis-Arten ist alles dabei, was klettern, ranken und sich winden kann.

Köln wird grün

Auch in Köln „hat man offen­sichtlich die Vorteile erkannt“ und Anfang Juli eine Offensive für Dach- und Fassaden­begrünung unter dem Motto „GRÜN hoch 3 DÄCHER FASSADEN HÖFE“ gestartet, erzählt uns Edelmann. Drei Millionen Euro für fünf Jahre stellt die Stadt Köln Bürgern, Vereinen und Initiativen zur Verfügung – für „zum Beispiel den Aufbau einer Vegeta­tionsschicht, die Entfernung von versiegelnden Bodenbelägen, Rank-Hilfen und bodengebundene Fassaden­begrünungs-Systeme, Pflanzen und Pflanz­maßnahmen, Abbruch von Mauern, Zäunen und Gebäuden und das Anlegen von Hochbeeten.“

Neben grünen Fassaden werden auch grüne Dächer immer beliebter. Der Vorteil hier: man kann fast jede Pflanze einsetzen: von verschiedenen Gräsern, Sedum-Arten, über Gehölze und Stauden bis hin zu Blumen­zwiebeln und Kräutern. Der Phantasie sind nur durch die anschließende Pflege Grenzen gesetzt. Es gilt jedoch: Je bunter die Vielfalt auf dem Dach, desto größer auch der ökologische Effekt. Und am Ende hat man dann vielleicht doch sein kleines Stückchen Land in der Großstadt.

„Die ideale Großstadt der Zukunft stelle ich mir so vor,“ träumt Edelmann, „Autoabgas-freie Wege, Straßen und Alleen, von Gebäuden mit grünen Dächern und grünen Fassaden gesäumt, die über eine hohe Wasser­aufnahme und Abgabe-Kapazität verfügen, eine hohe Arten­vielfalt aufweisen; im Sommer kühlend, im Winter isolierend wirken.“

Kathleen Gransalke



Letzte Änderungen: 13.08.2018