Editorial

Ziel verfehlt

(07.08.2018) Ein Abkommen mit guten Absichten, aber ernüchternder Realität: Die Biodiversitäts-Konvention gefährdet die Artenvielfalt anstatt sie zu schützen. Forscher fordern Nachbesserung.
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Es klang nach einem exzellenten Plan. Damit artenreiche Länder auch etwas von ihrer Biodiversität haben, muss für die wissen­schaftliche und kommerzielle Nutzung von Pflanzen, Tieren und anderen Organismen des Landes eine Ausgleichs­maßnahme erfolgen – oftmals in Form von Geld. Im Gegenzug sorgt das Land dann für den Schutz seiner oft endemischen Flora und Fauna. Nieder­geschrieben ist dieses Abkommen in der Biodiversitäts-Konvention, die am 29. Dezember 1993 in Kraft getreten ist und von mittlerweile 169 Staaten und der Europäischen Union unterzeichnet wurde. In der Realität hat das Abkommen jedoch einige Tücken.

Selbst anfangs vielversprechende Beispiele dieser sogenannten Access and Benefit Sharing-Übereinkünfte haben sich in der Zwischenzeit in Wohlgefallen aufgelöst. So vereinbarten 1992 Merck und das Nationale Institut für Biodiversität in Costa Rica, dass das Pharma­unternehmen Exklusiv­rechte für alle pharmakologisch interessanten Substanzen aus einheimischen Organismen erhält. Eine Million US-Dollar jährlich überwies Merck an das Institut, welches wiederum das Geld in seine eigene Infrastruktur steckte und in den Erhalt von Natur­schutz­gebieten. 2008 kündigte das Pharma-Unternehmen den Vertrag jedoch auf und überließ das costa-ricanische Institut seinem Schicksal. Vor gut drei Jahren gab es schließlich auf, weil es die hohen Kosten für die Kuration der über drei Millionen Sammlungs­objekte nicht mehr tragen konnte. Überhaupt kommen jährlich, laut einer Studie nur etwa zwei solcher Access and Benefit Sharing-Abkommen zustande.

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Zugang genehmigungspflichtig

Dennoch sind viele Regierungen überzeugt, sie können aus der Artenvielfalt ihres Landes Profit schlagen und so formulieren sie strenge Regularien, die vor allem eins tun – die Forschung erschweren. „In vielen Ländern in Südasien, Ostafrika und Südamerika wird es immer schwieriger, Geneh­migungen für den Zugang zu Proben für nicht-kommerzielle Forschung zu erhalten. Gerade Wissenschaft­lerinnen und Wissenschaftler aus globalen Biodiversitäts-Hotspots wie Brasilien oder Indien werden massiv in ihrer Arbeit behindert. Damit schadet man letztlich dem Schutz der Artenvielfalt, weil die Entdeckung noch unbekannter Arten verhindert wird, die dann natürlich auch nicht geschützt werden können“, sagt Herpetologe Uwe Fritz von den Senckenberg Natur­historischen Sammlungen Dresden in einer Pressemitteilung.

Noch viel schlimmer wiegt fast die Erkenntnis, dass der ökologische und wissenschaftliche Wert der Biodiversität fast vollständig vom nun kommerziellen Wert überdeckt wird. „Die zuständigen Behörden behindern Biodiver­sitätsforschung, weil sie fürchten, ihnen könnten Gewinne aus einer kommerziellen Anwendung entgehen. Während­dessen werden großflächig Lebensräume vernichtet und mit ihnen viele Arten. Das Hauptziel des Über­einkommens – der Schutz der Artenvielfalt – wird damit völlig konterkariert, während die Idee einer gerechten Verteilung von Gewinnen ein Wunschtraum bleibt“, ergänzt Herpetologe Miguel Vences von der Technischen Universität Braunschweig.

Tödliches Heilmittel

Vences und Fritz haben sich deshalb mit mehr als 100 weiteren Biodiversi­tätsforschern aus 35 Ländern zusammen­geschlossen und ein Positionspapier („When the cure kills – CBD limits biodiversity research“) veröffentlicht, indem sie die Schwächen der Konvention aufzeigen und Vorschläge zur Verbesserung machen.

So könnte zum einen zwischen kommerzieller und öffentlicher Forschung unterschieden werden. Und um das unsägliche Behörden-Kuddelmuddel zu vermeiden, könnte man sich am „International Treaty on Plant Genetic Resources for Food and Agriculture” orientieren. Dieser macht genetische Ressourcen für lebenswichtige Nahrungs- und Futtermittel über sogenannte „standardisierte Material­übertragungs­vereinbarungen (Standard Material Transfer Agreements) weltweit öffentlich zugänglich. Vereinbarungen mit einzelnen Behörden fielen dadurch weg.

Aber ist eine Biodiversitäts-Konvention in Zeiten von kombinatorischer Chemie und synthetischer Biologie zur Wirkstoff-Entdeckung überhaupt noch nötig? Vielleicht, denn momentan wird darüber nachgedacht, auch den Zugang zu genetischen Ressourcen in digitaler Form (Digital Sequence Information) in die Konvention mit aufzunehmen. „Das wäre ein Schritt, der die gesamten Lebens­wissenschaften in großem Umfang lahmlegen würde“, sagt Jörg Overmann, Geschäftsführender Direktor der DSMZ, im großen Laborjournal-Interview. Er hätte „katastrophale Auswirkungen“ und würde womöglich nicht nur Taxonomen und Biodiversi­tätsforscher gehörig in Aufruhr versetzen.

Kathleen Gransalke



Letzte Änderungen: 07.08.2018