Editorial

A BRIDGE over troubled water

(05.07.2018) Der Sprung von der Grundlagenforschung in die Wirtschaft ist oftmals schwierig. Deshalb baut der Schweizerische Nationalfonds leicht begehbare Brücken.
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Manchmal ist die Kluft zwischen Forschung und Innovation atemraubend tief. Tolle Ideen entstehen in der Grundlagen­forschung viele, aber wie kann man sie in erfolgver­sprech­ende Produkte oder Dienstleistungen umwandeln? Der Schweizerische Nationalfonds (SNF) und Innosuisse (Schweizerische Agentur für Innovations­förderung) hatten da eine Idee und riefen im Dezember 2016 das Sonderprogramm BRIDGE ins Leben.

Rund 40 Forschungs­projekte werden derzeit auf ihrem Weg zum Start-up unterstützt. BRIDGE stellt dafür von 2017–2020 70 Millionen Franken zur Verfügung. „In der Schweiz gedeihen Ideen und Entdeckungen. Sie zählt zu den Ländern mit den meisten Patenten weltweit. Doch diese führen nicht oft genug zu konkreten Innovationen. Deshalb wurde dieses neue Programm geschaffen: Damit sich die guten Ideen nicht mehr in Luft auflösen,“ erklärt Chris Boesch, Mitglied des Steering Committee von BRIDGE, in einer Pressemitteilung.

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Schwere Wahl

Der Bedarf für Förderprogramme wie BRIDGE ist riesig – das beweisen Menge und Qualität der eingereichten Projekte. Martin Müller, Präsident des Bewertungs­gremiums für die Proof-of-Concept-Projekte schwärmt: „Wir haben mehr Gesuche erhalten als erwartet. Die Wahl ist uns schwer gefallen, denn die eingereichten Projekte waren von hervor­ragender Qualität.“ Dass dank BRIDGE mehrere Start-ups entstehen werden, davon ist er überzeugt.

Ein Beispiel eines sehr vielversprechenden Projektes kommt vom Friedrich Miescher Institut in Basel, von Andrew Seeber und Michael Hauer. Sie hatten die Idee, mit einem molekularen Trick, menschliche DNA zu entfalten und sie so leichter zugänglich für Enzyme zu machen. Mit diesem Trick könnte man zum Beispiel die Effizienz der berühmten CRISPR-Cas9-Methode erhöhen.

Vor allem für die Gentherapie ist die Methode ein großer Hoffnungsträger, da die Möglichkeit besteht, schädliche Mutationen in einer Zelle wieder in ihren gesunden Zustand zurückzuführen. Wäre da nicht die geringe Effizienz, die bisher die größte Hürde für eine klinische Anwendung ist. Seeber verdeutlicht: „Setzt man das Editieren eines Gens, sprich Gentherapie, dem Durchtrennen eines Metalldrahtes mit einer handelsüblichen Schere gleich, wird man erkennen, dass dieses Vorhaben zwar gelingen, jedoch stets ineffektiv bleiben wird. Genau dieser Problematik nimmt sich unser Forschungsvorhaben an und wandelt den Metalldraht zu Garn.“ Mit Unterstützung von BRIDGE in Form von 130.000 Franken wollen die Forscher ein Medikament für die Gentherapie entwickeln, das die Zugänglichkeit des Erbguts kontrolliert erhöhen kann.

Gute Idee beim Lesen

Warum Förderprogramme wie BRIDGE von großem Nutzen sind – nicht nur für die Forscher selbst – zeigt auch Endri Bezati vom Schweizerischen Institut für Bioinformatik. Bezatis Idee, unterstützt mit 130.000 Franken, entstand beim Lesen eines Artikels über ein Sequenzierungs-Gerät, das zur Diagnose von Ebolafieber bei Patienten in Sierra Leone eingesetzt wurde. Das größte Problem dabei war, dass der Nachweis des Pathogens nicht direkt vor Ort erfolgen konnte. Die produzierten Daten mussten zur Analyse in verschiedene Labore geschickt werden. Wegen der schlechten Internetverbindung in Entwicklungsländern dauert das Versenden großer Datenmengen hier leider oft mehrere Tage. Wenn es jedoch darum geht, die Ausbreitung einer Infektions-Krankheit zu verhindern und Leben zu retten, kommt es auf jede Minute an.

Bezati erkannte sofort: Es muss eine Möglichkeit geschaffen werden, Pathogene direkt vor Ort zu identifizieren. „Ich entwickle gerade ein Gerät, das hunderte verschiedener Pathogene gleichzeitig detektieren kann. Es ist tragbar, hat einen geringen Leistungs­verbrauch und benötigt keine gute Internet­verbindung. Die Pathogen-Detektion erfolgt schneller als bei derzeit gebräuchlichen Methoden wie z.B. PCR. Das Gerät ist wiederverwendbar und kann bei Bedarf um beliebig viele neue Pathogene erweitert werden“, berichtet Bezati. Im Moment haben Bezati und sein Team einen funktionierenden Prototyp, der verschiedene Stämme von Influenza-, Dengue- und Lassa-Viren aufspüren kann. „Wir sind gerade dabei, Investoren zu suchen und erwarten Ende 2019 bis Mitte 2020 den Markteintritt“, verrät er Laborjournal.

Mehr Antikörper im Gehirn

Auch Linda Schellhammer vom Institut für Labortier­kunde der Universität Zürich hatte eine zündende Idee, die möglicherweise Leben retten kann. Aktuell werden Antikörper zur Immuntherapie von verschiedenen Krebsarten eingesetzt. Vor allem bei der Behandlung von Hirntumoren ist diese Methode aber sehr ineffizient, da die Antikörper nur schwer durch die Blut-Hirn-Schranke gelangen. Schellhammers Lösungsansatz: Sie verändert die Aminosäure-Sequenz der Antikörper an mehreren spezifischen Stellen und ändert dadurch auch deren biochemische Eigenschaften. Die Konzentration des Antikörpers im Gehirn wird so erhöht. „Eine engere Auswahl testen wir demnächst in präklinischen Versuchen“, verrät uns Schellhammer. „Bis ein Medikament alle klinischen Studien durchlaufen hat, wird es aber noch einige Jahre dauern“, fügt sie hinzu. Ihr Proof-of-Concept-Projekt bekam 94.303 Franken bewilligt.

Finanzielle Brücken zu bauen, lohnt sich also – sowohl für die kreativen Wissenschaftler mit ihren Produktideen als auch für die betroffenen Patienten.

Eva Glink



Letzte Änderungen: 05.07.2018