Editorial

Einer für alle

(11.06.2018) Bisher galten Antikörper gegen Bakterien als hochspezialisiert. Nun haben Forscher Antikörper entdeckt, die viele ver­schiedene Erreger unschädlich machen können.
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Um Krankheitserreger in Schach zu halten, hat das Immunsystem verschiedene Möglichkeiten. So bildet es zum Beispiel Antikörper, die Eindringlinge erkennen, binden und eliminieren. Ein Antikörper hat aber einen großen Nachteil: er erkennt nur Bakterien einer einzigen serologischen Untergruppe, welche über bestimmte Oberflächen­strukturen definiert ist. Zum Schutz vor anderen Erregern muss das Immunsystem immer wieder neue Antikörper bilden, passend zu deren Oberflächen­strukturen.

Forscher aus Deutschland, Österreich und Polen haben nun Antikörper entdeckt, die nicht nur einen bestimmten Erreger, sondern gleich mehrere verschiedene bekämpfen können. Die Antikörper binden an eine kleine Zuckerstruktur aus dem Baustein Mannose, den viele Mikro-Organismen auf ihrer Oberfläche tragen.

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Antikörper gefunden

Ihren Fund machten die Forscher um Tim Rollenske und Hedda Wardemann vom Deutschen Krebsforschungszentrum als sie das Blut von gesunden Personen nach Antikörpern gegen Klebsiella pneumoniae durchforsteten. Klebsiellen sind Stäbchen-Bakterien, die sich beim Menschen vor allem auf der Nasenschleimhaut und im Darm befinden. Bei gesunden Menschen ist das Bakterium harmlos. Zur tödlichen Gefahr wird es allerdings bei Menschen mit geschwächtem Immunsystem. Krankenhaus-Infektionen werden zum Beispiel häufig durch Klebsiellen verursacht – hinzu kommt, dass das Bakterium immer öfter Antibiotika-Resistenzen aufweist.

Die aus dem Blut isolierten Antikörper hielten eine besondere Überraschung für die Wissenschaftler bereit – sie schützten nicht nur vor verschiedenen Untergruppen von Klebsiella pneumonia, sie erkannten auch andere Bakterien wie Pseudomonas luteola. Sogar Hefen der Gattung Saccharomyces und Viren wie das Humane Immundefizienz-Virus (HIV), die eine Mannose-Zielstruktur auf ihrer Oberfläche tragen, werden von den Antikörpern erkannt – und dass, obwohl die Strukturen nicht mal gleich aussehen. „Die Mannose-Bausteine, aus denen die Zucker gebildet werden, sind unterschiedlich lang, unterschiedlich verknüpft und haben eine andere Orientierung“, berichtet Erstautor der Studie Tim Rollenske. „Es war daher erstaunlich, dass es Antikörper gibt, die an mehrere dieser Zucker binden können und trotzdem spezifisch sind. Bisher wurde angenommen, dass spezifische Antikörper nur eine Zuckervariante erkennen können.“

Mäuse geschützt

Den Forschern gelang es, die neu entdeckten Antikörper im Labor nachzubauen. Nun muss geprüft werden, ob diese auch klinisch nutzbar sind. Erste Untersuchungen verliefen positiv. „Bei Mäusen waren die Antikörper in der Lage, verschiedene Untergruppen von Klebsiella zu neutralisieren und die Tiere zu schützen“, erzählt Wardemann. Aber, fügt sie hinzu, „es ist noch ein weiter Weg bis zur Anwendung beim Menschen“.

Die Therapie-Möglichkeiten wären jedoch vielversprechend. Die im Labor erzeugten Antikörper könnten bei Infektionen schnell verabreicht werden, um Bakterien und ihre toxischen Produkte zu neutralisieren. Die Fähigkeit, verschiedene Erreger gleichzeitig anzugreifen, ist dabei entscheidend: „Bei einem Patienten mit akuter Sepsis - einer Blutvergiftung durch Bakterien - ist eine rasche Behandlung erforderlich“, erklärt Wardemann. „Außerdem wäre die Antikörper-Therapie eine sehr natürliche Form der Abwehr, da der Antikörper selbst ja aus einem Menschen kommt. Er sollte zudem nicht in den Darm gelangen können, sodass er anders als Antibiotika kaum Nebenwirkungen zeigen sollte.“ Vielleicht könnten die Antikörper bei Menschen mit geschwächtem Immunsystem sogar prophylaktisch eingesetzt werden, um gefährlichen Krankenhaus-Infektionen vorzubeugen. Die Forscher hoffen sehr, dass sich die Mühe gelohnt hat und das Wissen seinen Weg auch in die Klinik findet.

Patent gesichert

Die richtigen Voraussetzungen dafür sind jedenfalls gegeben, denn an den Forschungsarbeiten ist auch die Firma Arsanis Biosciences aus Wien beteiligt. Arsanis hat sich auf die Entwicklung von monoklonalen Antikörper-Immuntherapien zur Behandlung von Infektions­krankheiten spezialisiert. Gern hätten wir mehr von Arsanis erfahren, aber die Firma hält sich bedeckt und möchte derzeit keine Fragen zu den Antikörpern und ihrer möglichen Vermarktung beantworten. Ein Patent auf menschliche Antikörper gegen das K. pneumonia O-Antigen haben sie jedoch schon beantragt.

Eva Glink



Letzte Änderungen: 11.06.2018