Editorial

3D-Druck à la carte

(07.05.2018) Für Dysphagie-Patienten gibt‘s derzeit nur Einheitsbrei. Forscher entwickelten deshalb ein Gerät, das ganze Mahlzeiten - mikrostrukturiert und appetitlich - ausdruckt.
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3D-Druck ist schon lange in aller Munde. Ob Maschinenbauer, Architekten oder Zahntechniker – jeder will die Vorteile, dreidimensionale Gegenstände direkt herzustellen, nutzen. Computergesteuert werden dabei unterschiedliche Materialien wie Kunststoffe, Metalle, Keramiken oder Harze Schicht für Schicht aufgetragen.

Mittlerweile werden 3D-Drucker aber nicht nur in der Industrie und Forschung verwendet, auch Künstler nutzen die Technologie, um komplexe Formen zu erschaffen. Und sogar für zuhause ist der 3D-Drucker der absolute Renner – Barbie war gestern, heute druckt man sich die eigenen Familienmitglieder als kleine dreidimensionale Spielfiguren aus.

Wie gesagt, 3D-Druck ist in aller Munde – manchmal sogar im wahrsten Sinne des Wortes. Denn Forscher der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf (HSWT) haben mit ihren Industriepartnern (den Firmen Print2Taste und biozoon) ein Mehrkomponenten-3D-Food-Printing-System entwickelt, mit dem sogar ganze Mahlzeiten 3D-gedruckt werden können. Das 2,5-jährige Projekt lief unter dem Titel MIKROPRINT.

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Das Auge isst mit

Aber wozu braucht man Brokkoli und Würstchen aus dem Drucker? Den Vorteil der gedruckten Kost genießen hauptsächlich Menschen mit Kau- und Schluckstörungen. Allein in Deutschland sind mehr als fünf Millionen Menschen – vor allem Ältere – von Dysphagie betroffen. Oft bleibt dem Pflegepersonal in Heimen keine andere Möglichkeit, als die Betroffenen mit püriertem Brei zu füttern. Optisch ist das natürlich nicht sehr ansprechend – und da bekannterweise das Auge mit isst, trägt der alltägliche Einheitsbrei auch nicht gerade dazu bei, den Appetit anzuregen. Die Folge: Mangelernährung und Beeinträchtigung des Wohlbefindens. Man kann dem Brei zwar nach Zugabe von Geliermitteln mit Hilfe von Gussformen wieder sein ursprüngliches Erscheinungsbild verleihen, dies ist allerdings sehr aufwendig und deshalb im Heimalltag häufig nicht wirtschaftlich umsetzbar.

Mit dem neu entwickelten Food-Printing-System können die Forscher um Projekteiter Johannes Heringlehner, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der HSWT, nun erstmals mikrostrukturierte Nahrungsmittel herstellen, die ihr ursprüngliches Aussehen behalten. Der Clou: Die Konsistenz der mikrostrukturierten Nahrung ähnelt der von Brei, die Optik ist aber deutlich ansprechender und die Nährstoffzusammensetzung individuell abgestimmt.

Personalisiertes Lebensmittel

Die Lebensmittelzutaten werden dabei nicht homogen vermischt und in Form gebracht – dank des Mehrkomponenten-Systems können die einzelnen Lebensmittelkomponenten gezielt positioniert und zu einem 3D-Lebensmittelobjekt geformt werden. Das Mehrkopf-System des Druckers führt alle notwendigen Lebensmittel­komponenten und Geliersysteme zusammen. Projektmitarbeiterin Melanie Senger erklärt: „Wie beim Tintenstrahldrucker in zwei Dimensionen wird es mit dem 3D-Lebensmitteldruck erstmals möglich, verschiedene natürliche Lebensmittelzutaten wie Pürees, Öle, Proteine oder geschmacksgebende Lebensmittelinhaltsstoffe wie Salz Pixel-für-Pixel (oder Tropfen-für-Tropfen) dreidimensional aufzubauen. Da die Zusammensetzung und Positionierung ohne zusätzlichen Herstellungsaufwand von Objekt zu Objekt geändert werden kann, ist es erstmals möglich, Lebensmittel gleichen Aussehens und Geschmacks mit unterschiedlicher Nährstoffzusammensetzung herzustellen.“ Am Ende des Druckvorgangs erhält man so ein auf den jeweiligen Verbraucher zugeschnittenes personalisiertes Lebensmittel. Und das Tollste: Das Verfahren ist ökonomisch genug um im Heimalltag eingesetzt zu werden.

Disruptive Veränderung

Aber nicht nur für Krankenhäuser und Pflegeheime ist der 3D-Lebensmitteldrucker interessant. Auch für Hotels, Catering, Eventgastronomie und Konditoreien wird 3D-Druck von Lebensmitteln bereits erfolgreich eingesetzt. Frei nach Kundenwunsch kann man zum Beispiel automatisch gefüllte, personalisierte Pasta oder Pralinen herstellen.

Melanie Senger sieht große Zukunftschancen für das maßgeschneiderte Essen aus dem 3D-Drucker. „Diese Technologie wird aus unserer Sicht in den nächsten Jahren die Lebensmittelindustrie disruptiv verändern, da erstmals die wirtschaftliche Herstellung von Lebensmitteln möglich wird, die in Bezug auf Aussehen, Geschmack und Nährstoff­zusammensetzung gezielt auf einen Menschen abgestimmt werden können“, schwärmt sie. „Wir wollen hier auch zukünftig durch weitere Forschungsarbeiten weltweiter Innovations- und Technologieführer bleiben.“

Eva Glink



Letzte Änderungen: 07.05.2018