Editorial

Gewicht durch Licht

(02.05.2018) Eine neue Methode misst die Masse kleiner Biomoleküle anhand der Lichtstreuung. Damit kann man sowohl Proteine detektieren als auch die Interaktion von Wirkstoffen mit Proteinen analysieren.
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Zur Detektion und Charakterisierung von Proteinen existiert eine Handvoll Strategien, die jedoch allesamt meist nur für größere Proteine oder Komplexe funktionieren. Am gängigsten sind Einzelmolekül-Fluoreszenz-Imaging-Techniken. Bei diesen muss man aber erst einmal ein kleines, etwa ein Nanometer großes Fluorophor an das Protein anhängen - und nimmt damit automatisch das Risiko von Konformations- oder Funktionsveränderungen sowie von Photobleaching-Effekten in Kauf. Schwerere Markierungen, etwa Gold-Nanopartikel mit Durchmessern von mehr als zwanzig Nanometern, verhindern zwar das Ausbleichen, erhöhen aber die Gefahr, dass die Funktion des Proteins beeinflußt wird.

Am besten verwendet man also Detektions-Techniken, die ohne Label auskommen. Das geht zum Beispiel mit der Rasterkraft-Mikroskopie (Atomic Force Microscopy, AFM) oder der Raman-Mikroskopie. Aber auch diese Verfahren funktionieren nur, wenn das Kandidaten-Molekül mehrere hundert Kilo-Dalton schwer ist.

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Problem gelöst

Ein internationales Team um Philipp Kukura und Justin Benesch von der Universität Oxford, dem auch Philipp Selenko und Cedric Eichmann vom Leibniz Institut für Molekulare Pharmakologie in Berlin angehörten, hat dieses Problem gelöst. Die Gruppe entwickelte die sogenannte interferometric Scattering Mass Spectrometry (iSCAMS), mit der sich das Gewicht kleiner Proteine über die Lichtstreuung bestimmen lässt.

Das Prinzip des Verfahrens ist relativ einfach: Wird ein einzelnes Molekül bestrahlt, so streut es das einfallende Licht umso stärker, je größer es ist. In Proteinen verhalten sich die einzelnen Aminosäuren wie Nano-Objekte, deren Volumina nur um etwa ein Prozent variieren. Auch die Refraktions-Indizes von Proteinen sind annähernd gleich und variieren ebenfalls nur um etwa ein Prozent. Die Zahl der Aminosäuren, und somit die Masse eines beliebigen Polypeptids ist damit proportional zur Stärke des Streusignals.

Proteine auf Glas

Mit einer cleveren Technik konnte das Forscherteam die schwachen Streusignale detektieren und quantifizieren. Die Forscher brachten die Proteine auf einer Glasoberfläche auf und bestrahlten sie mit einer Lichtquelle. Da die Lichtwellen-Interferenz je nach Größe des beleuchteten Proteins variiert, konnten sie aus dem Streusignal auf die Molekülmasse schließen. Hintergrundrauschen blendete das Team mit mathematischen Tricks aus.

Mithilfe einer Eichreihe aus unterschiedlichsten Proteinen demonstrierte die Crew, dass zwischen Molekulargewicht und Kontrast tatsächlich eine lineare Beziehung besteht. Die Ungenauigkeit von etwa zwei Prozent, die sie hierbei feststellte, lässt sich verschmerzen. Interessant ist, dass die Linearität unabhängig von der Form des Proteins ist.

Mit iSCAMS kann man aber nicht nur kleinere Proteine mit mehr als 50 kDa analysieren: Die Methode detektiert auch Größenänderung aufgrund von Zucker- oder Lipid-Anhängseln und lässt sich dazu nutzen, Proteinkomplexen beim Wachsen zuzuschauen. Am Beispiel von alpha-Synuclein verfolgte die Gruppe die Protein-Aggregation live per Video. Auch wachsende Aktin-Filamente filmte das Team auf diese Weise: Mit jeder Aktin-Einheit verlängerte sich die Perlenkette, wodurch die Masse schrittweise zunahm.

Mit und ohne Streptavidin

Um die Präzision der Methode zu bestimmen, maß die Gruppe zwei biotinylierte Proteine in An- und Abwesenheit von Streptavidin. Tatsächlich entsprach der gemessene Gewichtszuwachs durch Streptavidin nahezu dem theoretisch berechneten Wert.

Anwendungspotenzial sehen die iSCAMS-Entwickler in der pharmakologischen Forschung. Für das Wirkstoff-Screening könnte man zum Beispiel Rezeptor-Proteine auf der Glasoberfläche immobilisieren und in Gegenwart verschiedener Wirkstoffe bestrahlen. Bleibt der Wirkstoff am Rezeptor haften, ändert sich dessen Streusignal. Die Technik ließe sich jedoch auch in Mikrofluidik-Verfahren integrieren. Bisher können Mikrofluidik-Geräte „nur“ (Fluoreszenz-)markierte Moleküle detektieren und sortieren. Ein Streusignaltyp-sensitiver Detektor könnte diese Aufgabe ganz ohne Markierungsschritt durchführen.

Andrea Pitzschke



Letzte Änderungen: 02.05.2018