Editorial

Startgeld für Startup

(05.04.2018) Die diesjährigen Gewinner des Leibniz-Gründerpreises heißen Tubulis Technologies. Mit ihrer Tub-tag-Methode wollen sie das Neben­wirkungs­problem bei Chemotherapien mit einem zielgerichteten Ansatz angehen.
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Jonas Helma-Smets, Christian Hackenberger und Dominik Schumacher (v. l.)

(05.04.2018) Seit 2015 gibt es den Leibniz-Gründerpreis der Leibniz-Gemeinschaft. Mit dieser Auszeichnung werden nicht nur erfolgversprechende Geschäftsideen von Mitarbeitern der Leibniz-Institute gewürdigt, der oder die Gewinner können mit dem Preisgeld von 50.000 Euro weiter an der Verwirklichung ihres Startup-Projekts arbeiten.

In diesem Jahr ging der Preis an Tubulis Technologies, einem gemeinsamen Gründungsvorhaben des Berliner Leibniz-Forschungsinstituts für Molekulare Pharmakologie (FMP) und der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU). Das Spin-off der Herren Dominik Schumacher und Christian Hackenberger vom FMP sowie Jonas Helma-Smets und Heinrich Leonhardt von der LMU möchte mit einer selbst-entwickelten chemo-enzymatischen Protein-Konjugationstechnik, der sogenannten Tub-tag-Technologie, die Nebenwirkungen einer Chemotherapie minimieren.

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Proteine mit Henkel

Die wissenschaftlichen Grundlagen legten die Forscher und zukünftigen Entrepreneure während eines gemeinsamen Projekts im DFG-Schwerpunktprogramm 1623: „Chemoselektive Reaktionen für die Synthese und Anwendung funktionaler Proteine“. In einem 2015 veröffentlichten Paper in Angewandte Chemie beschrieben sie, wie sie eine rekombinante Tubulin-Tyrosin-Ligase (TTL) so umfunktioniert haben, dass diese verschiedene synthetische Tyrosin-Derivate als kleine „Henkel“ an Proteine mit einer kurzen Tubulin-Erkennungssequenz (Tub-tag) anhängt. Die „Henkel“ dienen als chemische Adapter.

Wenn man nun zum Beispiel Antikörper mit dieser Erkennungssequenz und dem „Henkel“ ausstattet, können beliebige Moleküle angehängt werden – zum Beispiel zytotoxische Wirkstoffe. Der Vorteil dieser Antibody-Drug-Conjugates (ADCs) ist, dass sie (theoretisch) den Wirkstoff direkt zum Ort bringen, an dem er gebraucht wird. Der Antikörper erkennt einen Tumormarker, dockt an, wird aufgenommen und das Pharmakon kann seine Wirkung entfalten.

„Was in der Theorie simpel klingt, hat sich in der Praxis als wesentlich komplexer herausgestellt als zunächst angenommen. Insbesondere die Art der Verknüpfung von Wirkstoff und Antikörper stellt dabei eine große Herausforderung dar“, berichtet Dominik Schumacher. Der Wirkstoff kann sich vom Antikörper lösen, bevor dieser das Ziel erreicht hat, und schädigt dann völlig unbeteiligte Zellen. Die Folge: zum Teil schwere Nebenwirkungen.

Absolut stabil

Viele, derzeit zugelassenen ADCs kämpfen mit exakt dieser Problematik. „(Sie sind) durch geringe Stabilität und große Produktheterogenität gekennzeichnet“, beschreibt Jonas Helma-Smets. „Teilweise besteht das Medikament aus über einer Million verschiedener Moleküle, von denen sicherlich nicht alle den gewünschten therapeutischen Effekt auslösen. (…) Mit unseren Technologien wollen wir ADCs entwickeln, die absolut homogen und stabil sind, sodass ein deutlich verbesserter therapeutischer Effekt im Vergleich zu bisherigen Ansätzen möglich ist.“

Und dabei haben Schumacher, Helma-Smets und Co. nicht nur Krebs im Visier. „Wir sind uns sicher, dass ADCs eine große Zukunft vor sich haben und zukünftig auch außerhalb der Onkologie zum Einsatz kommen werden. Insbesondere bei der Behandlung von Volkskrankheiten wie Diabetes oder Autoimmunerkrankungen können ADCs eine Rolle spielen.“

Zunächst steht aber die Gründung einer GmbH auf dem Plan. „Das Preisgeld wollen wir nutzen, um unsere Technologien gezielt im Markt zu platzieren“, verrät Schumacher und fügt hinzu: „Zur Zeit sind wir über Fördermittel des BMWi, des bayrischen Wirtschaftsministeriums und der Leibniz-Gemeinschaft finanziert. Trotzdem ist einer der nächsten großen Schritte, die Anschlussfinanzierung vorzubereiten und schlussendlich zu sichern.“

Unterschiedliche Antworten

Tubulis Technologies steht noch ziemlich am Anfang ihrer Entwicklung. Wie aber ist es früheren Leibniz-Gründerpreis-Gewinnern ergangen, fragten wir uns und kontaktierten die allerersten Gewinner aus dem Jahr 2015: Brandenburg Antiinfectiva, eine Ausgründung des Forschungszentrums Borstel Leibniz-Zentrum für Medizin- und Biowissenschaften, und Coldplasmatech, ein Spin-off des Leibniz-Instituts für Plasmaforschung und Technologie (INP) in Greifswald. Die Antworten, die wir erhielten, könnten unterschiedlicher nicht sein.

„Es gibt so viel zu erzählen, das kriege ich gar nicht alles in eine Mail“, schrieb uns Carsten Mahrenholz, Geschäftsführer von Coldplasmatech. Aus diesem Grund wird es demnächst an dieser Stelle eine Zusammenfassung der Geschehnisse in Greifswald geben. Mahrenholz‘ Firma entwickelt ein plasmaphysikalisches Medizinprodukt zur Behandlung großflächiger chronischer Wunden.

Klaus Brandenburg, Geschäftsführer von Brandenburg Antiinfectiva, hingegen erzählt: „Wir sind im operativen Geschäft noch nicht sehr weit gekommen, die Tätigkeiten beschränken sich nur auf Einzelaktivitäten. Allerdings haben wir inhaltlich in Kooperation mit verschiedenen nationalen und internationalen Gruppen erhebliche Fortschritte gemacht, unter anderem wurden intensive Gespräche mit mittelständischen Pharmaunternehmen geführt, die hoffentlich bald zu einem Abschluss geführt werden mit dem Ziel einer Auslizensierung unserer Wirkstoffe.“

Polypeptide gegen Sepsis

Brandenburg Antiinfectiva entwickelt Medikamente gegen Blutvergiftung oder Sepsis. In Deutschland werden jährlich mehr als 200.000 Menschen mit Sepsis diagnostiziert, von denen 70.000 sterben. „Wir glauben, dass die Infektionsproblematik den meisten Menschen nicht bewusst ist“, sagt Brandenburg. Einen zugelassenen Wirkstoff (außer Antibiotika bei bakterieller Sepsis) gibt es bis jetzt nicht. Deshalb entwickelt seine Firma Polypeptid-Wirkstoffe (z. B. Aspidasept), die nicht die Mikroben selber angreifen, sondern bakterielle Giftstoffe wie Endotoxine unschädlich machen, indem sie sie binden.

Es steckt also großes Potential in den Gründungsideen von Leibniz-Wissenschaftlern. Auch in den Ideen, die zwar nominiert, aber den Gründerpreis letztlich nicht gewonnen haben:

Photonscore GmbH vom Leibniz-Institut für Neurobiologie in Magdeburg mit einem ultra-empfindlichen Kamerasystem für die Mikroskopie in den Life-Sciences

Phytoprove von der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung in Frankfurt am Main zur nicht-invasiven Bestimmung von Leistungsfähigkeit und Gesundheitszustand bei grünen Pflanzen

Science Media Network GmbH vom Kiepenheuer-Institut für Sonnenphysik in Freiburg mit einer Open-Access-Plattform für wissenschaftliche Arbeiten aller Art wie Videos, Präsentationen, Poster und Publikationen

VRIKS vom Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung in Berlin mit cloudbasierten Videobibliotheks-Services für eine zentrale Verwaltung und Sortierung von jeglichem Videomaterial

Kathleen Gransalke



Letzte Änderungen: 05.04.2018