Editorial

Der nächste CRISPR-Meilenstein?

(11.01.2018) Die Schweizer Firma CRISPR Thera­peu­tics hat die erste klinische Studie für eine CRISPR/Cas9-Therapie in Europa bean­tragt. Im Fokus stehen Blutkrankhei­ten. Noch in diesem Jahr soll sie starten.
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Es ist eine Art Prämiere: Zwar injizierten Ende 2016 chinesische Forscher als Erste CRISPR-modifizierte Zellen in menschliche Probanden – mit der CRISPR Therapeutics AG plant jedoch erstmals ein Unternehmen klinische Humanstudien mit der CRISPR/Cas9-Technologie.

CRISPR Therapeutics wurde erst im November 2013 unter anderem von der Berliner Max-Planck-Direktorin und CRISPR-Mitentdeckerin Emmanuelle Charpentier im schweizerischen Zug gegründet. Bei den angepeilten klinischen Tests jedoch ist ihre Firma nicht allein: Mit als Partner im Boot sitzt das Bostoner Unternehmen Vertex Pharmaceuticals, das 2015 eine vierjährige strategische Entwicklungs- und Forschungskooperation mit den Schweizern eingegangen ist. Aufgrund dieser Abmachung winken CRISPR Therapeutics bei entsprechenden klinischen Fortschritten Meilensteinzahlungen in Milliardenhöhe.

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Womit genau peilen die beiden Partner jetzt solche Geldbewegungen an? Im Zentrum steht eine Ex-Vivo-CRISPR-Therapie namens CTX001, die die Schweizer entwickelt haben. Im Rahmen dieser Therapie werden hämatopoetische Stammzellen vom Patienten geerntet und im Labor via CRISPR/Cas9-Editing so umgebaut, dass sie am Ende rote Blutkörperchen mit einem hohem Gehalt an fetalem Hämoglobin (HbF) produzieren. Föten und Neugeborene produzieren auf natürliche Weise dieses Protein, das Sauerstoff viel besser binden kann als das Erwachsenen-Hämoglobin HbA; allerdings fahren sie dessen Produktion bereits innerhalb der ersten sechs Lebensmonate komplett zugunsten des HbAs zurück.

Transportoptimierung

Mit diesen um-editierten Blutstammzellen zielt das Firmen-Duo jetzt auf Patienten, bei denen Mutationen im ß-Globin-Gen dafür sorgen, dass die körpereigenen Erythrozyten nur unzureichend Sauerstoff durch den Blutkreislauf transportieren – wie etwa bei β-Thalassämie und Sichelzellanämie. Diesen Patienten will man schlussendlich die in der Kulturschale vermehrten und per CRISPR-Eingriff HbF-produzierenden Stammzellen wieder zurück transfundieren, wo sie weiter HbF-haltige Erythrozyren bilden und dadurch das Sauerstoff-Transportdefizit wenigstens abschwächen, wenn nicht sogar ausgleichen sollen.

Den erfolgreichen Proof of Concept dieser Strategie präsentierten CRISPR Therapeutics und Vertex Anfang Dezember auf der 60. Jahrestagung der American Society of Hematology in San Diego. Deren Forscher zeigten Daten, nach denen sie mit ihrer CTX001-Technologie in bis zu achtzig Prozent humaner hämatopoetischer Stammzellen die HbF-Produktion ankurbeln konnten. Infundierten sie diese Zellen in entsprechende Mausmodelle, fanden sie nachfolgend in deren Blut tatsächlich Erythrozyten, die fötales Human-Hämoglobin produzierten.

Meilenstein als Wegweiser

Logisch also, dass der Test, ob menschliche Patienten genauso positiv reagieren, jetzt der nächste Schritt ist. Entsprechend gab das Firmen-Duo direkt im Anschluss an die Tagung bekannt, dass die Zulassung für klinische Tests der Phasen 1 und 2 an ß-Thalassämie-Patienten in Europa bereits beantragt sei. Stimmt die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) zu, sollen die Studien noch in diesem Jahr beginnen. Überdies wollen CRISPR Therapeutics und Vertex zeitnah eine weitere Studie in den USA beantragen – um dort die CTX001-Gene-Editing-Therapie an Sichelzellanämie-Patienten zu testen.

Nicht undenkbar, dass aus diesen Prämieren-Studien durchaus ein „geldschwerer“ Meilenstein für die Schweizer von CRISPR-Therapeutics abfallen könnte. Viel mehr noch aber könnten sie damit eine Art Wegweiser in dem noch jungen, aber schon so Hoffnungs-beladenen Feld der Gene Editing-Therapie errichten.

Ralf Neumann



Letzte Änderungen: 10.01.2018