Editorial

Superschnelle DNA-Extraktion mit Papier

(10.01.2018) Dass Filterpapier sich prima zur Lagerung und zum Verschicken getrockneter Plasmide und anderer DNA-Proben eignet, ist allseits bekannt. Mit stinknormalem Whatman Papier kann man aber auch im Handumdrehen Nukleinsäuren extrahieren.
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Zur DNA-Isolierung gibt es zig Kits auf dem Markt. Manche funktionieren nur für bestimmte tierische, pflanzliche oder mikrobielle Zellen. Die Protokolle und Ausbeuten variieren, reichlich Kosten und Plastikmüll verursachen alle. Mit selbstgestrickten Protokollen, wie der kürzlich vorgestellten DIY-Variante mit einfachen Silica-Säulchen und chaotropen Reagenzien lässt sich einiges an Zeit und Geld einsparen - es geht aber noch viel billiger und schneller; sogar ohne Zentrifuge.

Mit einer Küchenrolle oder einem Stück Whatman Papier ist man dabei: Papier in den Extrakt tunken, einmal in Waschlösung tauchen, herausziehen - fertig ist die PCR-taugliche DNA. Im Waschschritt entledigt man sich des Sammelsuriums an Extrakt-Komponenten und wird manch lästigen Inhibitor los, der Downstream-Anwendungen stören könnte.

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Auf die verblüffend einfache Idee, DNA mit Papier zu extrahieren, kam eine Gruppe um den Pflanzen-Biotechnologen Jimmy Botella von der Universität Queensland in Australien (PloS Biol). Botellas Mitarbeiter stießen eher zufällig auf die Papier-Extraktion, als sie die DNA-Bindefähigkeit verschiedener kationischer Substanzen, wie zum Beispiel Chitosan, für ein einfaches DNA-Extraktions Verfahren untersuchten.

Dazu trugen sie die Verbindungen auf ein Whatman No.1 Papier auf, stanzten kleine Scheiben mit einem Durchmesser von drei Millimeter aus dem behandelten Papier aus und inkubierten es in einer Lösung die DNA enthielt. Anschließend überführten sie das Papierschnipsel in ein PCR-Tube und versuchten die gebundene DNA mit einer PCR zu amplifizieren. Als Kontrolle diente eine unbehandelte Scheibe Filterpapier.

Zum Erstaunen der Australier tat sich in den PCR-Tubes mit dem modifizierten Papier absolut nichts, dafür fanden sie in der Kontrolle jede Menge amplifizierter DNA. Die Forscher konzentrierten sich deshalb auf die DNA-Extraktion mit dem reinen Whatman Papier und optimierten die Technik.

Als erste DNA-Quelle verwendeten sie Rohextrakte aus Arabidopsis (Blätter zermatscht in Lysepuffer: 20mM Tris, pH8.0, 25mM NaCl, 2.5mM EDTA, 0.05% SDS). Botellas Mitarbeiter tauchten ein Papierschnipsel für ein paar Sekunden in den Extrakt, spülten es kurz in Waschlösung (10 mM Tris, pH8), und transferierten es direkt in ein Tube mit vorbereitetem PCR-Reaktionsmix.

Die Amplifikation des getesteten Fragments (262 bp) gelang problemlos. Im Gegensatz dazu lieferten weder der pure Rohextrakt noch eine nicht-gewaschene Papier-Probe ein PCR-Produkt. Der Waschschritt ist also essentiell, um PCR-Widersacher loszuwerden. Motiviert von dieser Beobachtung prüfte das Team die neue DNA-Extraktions Methode an allem, was der Acker so hergibt: Weizen, Gerste, Reis, Sojabohne, Tomate, Zuckerrohr.

Die Gruppe schreckte auch vor exotischen Quellen nicht zurück, etwa Blätter von Zitrusgewächsen, die für Extraktions-störende Moleküle wie Lignin, Phenolderivate und Polysaccharide bekannt sind. Alle lieferten nach der PCR mit universellen Primern (Gensequenz von 5,8S rRNA) ein Produkt. Die Banden in den Gel-Abbildungen sind ordentlich verzogen. Ob daran Probe-Bestandteile oder nur Achtlosigkeit beim Gelgießen schuld sind?

Nach ihrem erfolgreichen botanischen Exkurs nahmen sich die Forscher tierische Proben vor. Sie verdünnten und lysierten Blut durch Zugabe eines fünffachen Volumens an Extraktionspuffer (mit Proteinase K), tauchten ein Whatman-Stückchen ein, spülten dieses und transferierten es ins PCR-Gefäß. Die Amplifikation mit Primern gegen das humane Onkogen-Homolog BRAF gelang ohne Probleme (Angaben zur Produktgröße wären jedoch nicht schlecht). Auch in diesem Fall fanden die Forscher weder in dem direkt eingesetzten Extrakt noch in der ungewaschenen Whatman-Probe ein Produkt. Der simple Waschschritt beseitigt also offensichtlich auch PCR-Inhibitoren aus Blut.

Die Forscher sehen die Hauptanwendung ihrer Methode in der molekularen Diagnostik außerhalb klassischer Labore in sogenannten Point-of-need-Verfahren. Etwa bei der Detektion von Pflanzenpathogenen, um Landwirte noch vor dem offensichtlichen Befall warnen zu können (jetzt braucht der Bauer „nur noch“ ein PCR-Gerät, eine Gelapparatur und eine Gel-Doc).

Um dies zu demonstrieren, infizierte die Gruppe Arabidopsis mit Pseudomonas syringae, fischte die DNA des Pathogens aus dem Blattextrakt und amplifizierte ein Pseudomonas-Gen (welches, wird leider auch in den Supplementals nicht verraten). Hält man das Verhältnis von Blatt- zu Extraktionspuffervolumen konstant und nutzt standardisierte Whatman-Schnipsel, lassen sich sogar halbwegs quantitative Daten generieren. Je fetter das PCR-Produkt parallel getesteter Proben, desto massiver der Pathogenbefall. Anhand von Lungenabstrichen eines mit Actinobacillus pleuropneumoniae infizierten Schweins zeigten die Forscher, dass dies auch mit tierischen Pathogenen funktioniert.

Die Forscher testeten neben Whatman Papier eine Reihe anderer Matrixmaterialien. Demnach könnte die DNA-Extraktion auch mit Papier von der Küchenrolle oder vielleicht auch Klopapier klappen. Auch Hybond-N-Membranen eignen sich, im Gegensatz zu positiv geladenen Nylon- oder Zellulosemembranen, die nicht funktionieren. Zuviel des Whatman Papiers sollte aber nicht im PCR-Mix landen, weil es dann die Primer wegschnappt.

Warum DNA so gut an Papier haftet ist weniger eine Frage der spezifischen Bindung als vielmehr der Geschwindigkeit. Beim kurzen Eintauchen schafft es DNA, sich an die Cellulose anzulagern; andere Moleküle brauchen dafür länger. Zudem lässt sich DNA während des Waschschritts nicht so leicht abspülen. Anhand einer Zeitreihe demonstrierten die Forscher, dass sich die DNA wieder ablöst, wenn das Papier länger in Wasser verbleibt. Nach einer Stunde ist die Hälfte der ursprünglich gebundenen DNA dahin, nach 24 Stunden ist nur noch ein Hauch übrig. Wer dem Extrakt Salz zugibt (150mM NaCl) kann die Bindefähigkeit seiner DNA noch etwas pushen.

Perfektionisten setzen keine mit dem Bürolocher gestanzten Whatman-Schnipsel ein, sondern Dipsticks. Diese ähneln Zahnstochern und bestehen aus einem wasserabweisenden Stiel zum Anfassen sowie einem etwa zwei Millimeter langen Fetzchen Papier. Der Vorteil ist, dass kein Probenvolumen unnötig aufgesaugt wird und der Transfer in die Waschlösung beziehungsweise in den PCR-Mix noch einfacher ist (Stick jeweils kurz herumwirbeln). Für quantitative Messungen hält man sich aber lieber an fixe Inkubationszeiten und verwendet die Papierschnipsel für die PCR-Amplifikation.

Die Australier führten die Papierschnipsel-Methode mit einem kommerziellen Master-Mix durch. Ob sie auch mit anderen Taq-Polymerasen beziehungsweise PCR-Mixturen kompatibel ist, muss jeder selbst testen.

Andrea Pitzschke



Letzte Änderungen: 10.01.2018