Editorial

Schwarzer Freitag an der Börse...

...und das nicht etwa, weil Berlin einem Kanzler misstraute. Unheilschwanger blickten am Freitag vielmehr die Anteilseigner zweier Life Science-Unternehmen, deren Aktienkurse um fast 16 beziehungsweise 20 Prozent abstürzten.

(02.07.2005) Im noblen Bade- und Kurort Bad Homburg (Eigenwerbung: "Hier liegt Champagner in der Luft!") blieben an diesem Freitagmorgen die Korken im Hals stecken: Völlig überraschend rasselten die Aktien der ortsansässigen Altana-Holding in den Keller. Altana war bisher bekannt für seine florierende Pharmasparte, deren Umsatzrenner - das Magenmittel Pantoprazol - sowie eine berechenbare Geschäftspolitik. Nicht so am 2. Juli: Um 15,7 Prozent gab die Aktie mit der Wertpapier-Kennnummer 760080 bis zum Abend nach.

Fast zeitgleich rumpelte es auch im bayerischen Martinsried. Dort musste das Biotechunternehmen Medigene zugeben, dass ein künftiges Mittel gegen Hautkrebs weniger wirksam ist als erhofft. Die eventuelle Zulassung von "Polyphenon E-Salbe" wird sich damit um mindestens ein Jahr verzögern. Die entsetzten Anleger quittierten diesen erneuten Rückschlag eines Medigene-Hoffnungsträgers mit massenhaften Aktienverkäufen, die am Abend ein Minus von genau 20 Prozent ergaben.

Rätselraten über Gründe des Rückzugs

Grund für Altanas Kurssturz: Die weltgrößte Pharmafirma Pfizer, Hersteller des Potenzmittels Viagra, kündigte vorzeitig eine Zusammenarbeit mit den Deutschen auf. Zusammen mit der US-Firma hatte Altana bisher das steroidfreie Asthma-Präparat Daxas entwickelt. Seit dem 1. Juli ist diese Kooperation nun Geschichte: Pfizer gibt alle Rechte bezüglich Daxas an Altana zurück. Der deutsche Konzern will die Entwicklung von Daxas samt der laufenden Studien nun notgedrungen in Eigenregie fortsetzen. Laut Altana wird der europäische Zulassungsantrag für Daxas aktuell von den Behörden bearbeitet.

Die 10 800 Altana-Mitarbeiter (5000 davon in Deutschland) machten 2004 bei knapp drei Milliarden Euro Umsatz 400 Millionen Euro Gewinn (zum Vergleich: Pfizer erzielte 2004 umgerechnet 44 Milliarden Euro Umsatz und 9,4 Milliarden Euro Gewinn). Das wichtigste Altana-Produkt ist das säurehemmende Magen-Darm-Mittel Pantoprazol, eingeführt Mitte der neunziger Jahre, das allein für einen Jahresumsatz im Milliardenbereich sorgt. Als weiteren Blockbuster hoffte Altana (neben Daxas) auf das Asthmamittel Alvesco (ein neuartiges Corticosteroid), das demnächst in Europa auf den Markt kommen soll.

Über die Gründe des Pfizer-Rückzugs darf spekuliert werden; die beiden Ex-Partner hüllten sich in Schweigen. Eine mögliche Ursache könnte das von Boehringer Ingelheim hergestellte und von Pfizer vermarktete Konkurrenz-Produkt Sprivia sein, das nach Ansichten von Analysten eine bessere Heilwirkung erzielt hätte als Daxas. Dazu würden die mäßigen Resultate einer Einjahresstudie an Daxas passen, die Altana ebenfalls am Freitag veröffentlichte. Liegt es also an einer von Pfizer befürchteten, mangelnden Wirtschaftlichkeit von Daxas?

Alternativ könnte sich Altana auch von Pfizer freigekauft haben, weil die Deutschen von Daxas extrem überzeugt sind. Die erwähnten Studienergebnisse sprechen jedoch nicht für diese These. Wie auch immer: Die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Daxas-Zulassung sind mit den jüngsten Geschehnissen nicht gerade gestiegen, und falls Pfizer sein eigenes Konkurrenzprodukt Sprivia erfolgreich auf den Markt bringt, würde das zusätzlich die Umsatzaussichten für Daxas erheblich verschlechtern.

Bitter: Medigenes "Polyphenon" muß nachsitzen

Ähnliche Probleme plagen Medigene, allerdings in eineren etwas tieferen Liga. Die hauseigene Polyphenon-Salbe, ausprobiert gegen aktinische Keratose (eine Vorstufe von Hautkrebs), wird so schnell nicht in einem Apotheken-Regal liegen. Mindestens ein Jahr Verzögerung bringt die jüngste Hiobsbotschaft mit sich: In der verwendeten Dosierung sei Polyphenon weniger wirksam als erhofft gewesen, heißt es. Nun muß Medigene eine Ehrenrunde drehen und mit viel Herumprobiererei eine wirksamere Dosierung herausfinden, ehe man in Phase III gehen kann. Das dauert, kostet einen weiteren Haufen Geld und muß nicht zwangsläufig zum Erfolg führen.

Immerhin ist das bayerische Biotech-Unternehmen mit Polyphenon bei einer anderen Indikation schon weiter: Für den Anwendungszweck "Genitalwarzen" will die Mannschaft um CEO Peter Heinrich im Herbst in den USA den Zulassungsantrag einreichen. Vorerst aber krebst die Medigene-Aktie auf einem Niveau herum, das die weitere Zugehörigkeit zum TecDax-Index wieder fraglich erscheinen lässt.

Winfried Köppelle



Letzte Änderungen: 02.07.2005