Editorial

Drogenküche und Pferdezüchter

(14.8.17) Biowissenschaftler haben es nicht leicht: Sie müssen sich mit den skurrilsten Vorurteilen rumärgern – so auch unsere (andere) TA.  
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Als molekularbiologisch tätige TA sieht man sich beim Small Talk mit Menschen anderer Berufsgruppen gelegentlich mit Vorurteilen konfrontiert. Obwohl ich meistens schon wohlweislich die verwerflichste aller Tätigkeiten verschweige, die mit „k“ beginnt und auf „lonieren“ endet. Erfahrungsgemäss führt die Erwähnung besagten Teufelswerks beim jeweiligen Gesprächspartner nicht gerade zu Sympathieausbrüchen für meinen Berufsstand. Das Bild des wahnsinnigen Wissenschaftlers, der mit wallender Haarmähne zwischen Tiegeln und Retorten umherspringt und versucht, mithilfe widernatürlich gezüchteter Kreaturen die Weltherrschaft an sich zu reißen, scheint tief verwurzelt. Meine E.coli-Armee befindet sich allerdings erst im Entwicklungsstadium – die Weltherrschaft muss noch warten.

Als Zwischenspiel zwei Dialoge, welche so mancher Biowissenschaftler schon mit Verwandten oder Bekannten geführt haben dürfte, und welche die hohen Erwartungen an Menschen mit abgeschlossenem Biologiestudium aufzeigen.

Editorial

Tante: „Welcher Pilz ist das?“

Absolvent (verwundert): „Weiß ich nicht.“

Tante (empört): „Du bist doch Biologe!“

Absolvent (rechtfertigend): „Ich hatte nie näher mit Pilzen zu tun.“

Tante (entgeistert): „Aber du hast doch Biologie studiert?!“

Der Pilz in diesem Bespiel ist beliebig austauschbar gegen vielerlei Naturerscheinungen wie Baum, Vogelstimme, Flechte et cetera.

„Mein Gummibaum lässt die Blätter hängen. Was kann ich denn da machen?“

Ungläubiges Staunen.

„Äh…weiß ich auch nicht. Gießen?“

Der befragte Biologe hat die Vorlesung „Pflege häuslicher Grünpflanzen“ wohl geschwänzt. Zur Strafe muss er dem Fragenden nun erklären warum er sich trotz abgeschlossenem Biologiestudium mit Gummibäumen nicht so richtig gut auskennt.

Ein anderes Vorurteil, das angeblich häufig anzutreffen, mir persönlich allerdings noch nicht begegnet ist und wohl stets mit einem leicht gierigen Unterton geäußert wird: „Du arbeitest in einem Labor? Geil, da kannst du ja Drogen kochen!“ Macht man das heutzutage nicht in einem Wohnwagen mit ein paar Blechdosen auf einem Campingkocher? Auch diesem Klischee entspricht mein Wirken nicht. Zudem müsste ich mir erst ein entsprechendes Kochbuch besorgen: ‚BtM – Meine liebsten Rezepte. Vielfarbig bebildert’.

Apropos Kochbuch: Ein Irrglaube, der mir tatsächlich bereits mehrfach begegnet ist, ist die Annahme, im Labor arbeitende Menschen seien allesamt hervorragende Köche.

„Ist doch was ganz ähnliches. Letztendlich ist ein Rezept doch auch nur eine Versuchsanordnung“, lautet stets die Erklärung, wenn ich mich nach der Logik dieses seltsamen Umkehrschlusses erkundige. Nun ja, reduziert man die Beschäftigungsprofile beider erwähnter Berufsgruppen auf die Schnittmenge:  ‚Zusammenmischen verschiedener Ingredienzen bei gleichzeitiger Hoffnung auf ein gutes Resultat’, mag die Aussage zwar zutreffen, aber bildet dies nicht die Schnittmenge sehr vieler Berufe? Vom Cocktailmixer über Pferdezüchter bis zum Komponisten?

In einem wesentlichen Punkt unterscheidet sich das Berufsleben eines Biowissenschaftlers jedoch von dem der Köche: Mit Kochen kommt man ins Fernsehen. Es gibt im deutschen Fernsehen mindestens ein Dutzend Kochsendungen, eine Serie mit dem Titel: ‚Deutschland sucht die Super-TA‘, ‚Pipetten des Herzens‘ oder ‚Duell der Doktoranden‘ ist mir persönlich noch nicht untergekommen.

Mein Vorschlag für ein entsprechendes Showkonzept wäre eine Mischung aus ‚Kochduell‘ und Science Slam. Zwei Kandidaten bringen jeweils einen Korb mit Chemikalien im Wert von 100 Euro mit. Je zwei Biowissenschaftler, Team Heizpilz und Team Kühlfalle, improvisieren dann im Wettstreit, was sich in einer Stunde so daraus machen lässt. Während der eine das Ganze auf kleiner Brennerflamme köcheln lässt, schreibt sein Teampartner die dazugehörigen Reaktionsgleichungen an eine Tafel und erklärt dem Publikum in der mitreißenden Art eines Sportreporters bei der Berichterstattung vom Finale der Fußballweltmeisterschaft den chemischen Ablauf. Am Ende der Sendung gibt es vierzig Prozent der Teamwertung für Reinheit und Menge des synthetisierten Produktes, sechzig Prozent entfallen auf die pädagogische Komponente. Das Team, dessen Erklärungen das Publikum am besten nachvollziehen kann, bekommt die meisten Punkte. Und falls das Publikum hinterher nicht schlauer ist, dann hat die Jury heute leider keine Pipette für das Team.

Maike Ruprecht



Letzte Änderungen: 08.09.2017