Editorial

Des einen Leid...

(27.6.17) Tierversuche sind essentielle Bestandteile der biomedizinischen Forschung. Trotzdem werden sie in der Öffentlichkeit stets emotional und dogmatisch diskutiert. Der Dachverband der Biologen, VBIO, hat deshalb erneut klar gemacht: Ohne geht es einfach nicht!
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Zwingend notwendig oder komplett unerwünscht – für zahlreiche Forscher gehören Tierversuche zum Tageswerk, vielen anderen sind sie ein Dorn im Auge. Eine Annäherung dieser beiden Parteien wird unter anderem auch deswegen erschwert, da das Grundgesetz beides gleich tief in der deutschen Verfassung verankert: sowohl den Tierschutz, als auch die Freiheit der Forschung. Das Dilemma in Sachen Tierversuche ist folglich schon hier vorgezeichnet.

Der Verband Biologie, Biowissenschaften und Biomedizin in Deutschland (VBIO e.V.) hat vor diesem Hintergrund erneut Stellung zum Thema genommen. In einer Grundsatzposition stellt er klar fest, in welchen Bereichen Tierversuche zum Einsatz kommen – und dass sie hier schlichtweg unerlässlich sind.

Neben der Grundlagenforschung und der Entwicklung von Medikamenten für Mensch und Tier sind Tierversuche auch für den Artenschutz notwendig. Schließlich sind das Ausstatten von Wildtieren mit Sendern wie auch andere Methoden der Verhaltensforschung ebenfalls als Tierversuchsmethoden einzustufen – und gegen solche Maßnahmen würde wohl kaum ein Tierfreund protestieren.

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Zudem können auch Alternativmethoden meist nur durch Tierversuche bestätigt werden, genauso wie zukünftige Fachkräfte den Umgang mit Versuchstieren am besten in der Praxis lernen.

Die Position, Tierversuche kategorisch abzulehnen, sei daher nach Ansicht des VBIO nicht ausreichend durchdacht und biete demnach auch keine Lösung. 

Der VBIO betont zudem, dass alle in Deutschland durchgeführten Tierversuche vorher sorgfältig und ethisch bewertet würden. Diese Bewertung beantwortet die Frage, ob die Belastung des Versuchstiers im Hinblick auf die Bedeutung des Experiments verhältnismäßig ist. Und umgekehrt, ob man einen Verzicht rechtfertigen kann.

Außerdem werde ein Versuch nicht zugelassen, wenn er nicht unerlässlich sei und im Einklang mit dem 3R-Prinzip stünde. Das 3R-Prinzip versucht Tierversuche so gut es geht zu ersetzen (Replacement), die Zahl der Versuchstiere zu reduzieren (Reduction) und die Belastung der Tiere zu minimieren (Refinement).

Doch diese sorgfältigen Vorab-Bewertungen scheinen in der Praxis nicht immer zu funktionieren. Für einen entsprechenden Skandal sorgte beispielsweise im letzten Jahr das Leibniz-Institut für Alternsforschung – Fritz-Lipmann-Institut in Jena (FLI). Der Einrichtung wurde vorgeworfen, Tierversuche ohne Genehmigung durchgeführt zu haben (Laborjournal berichtete hier). Aktuell sind die Untersuchungen zu dem Fall noch in vollem Gange.

Der Forschungskoordinator des FLI, Wilfried Briest, äußerte sich gegenüber Laborjournal zu den Vorwürfen, die Einrichtung hätte außerdem zu viele Tiere verwendet, wie folgt: „Das ist auch eine wissenschaftliche Frage, wann man mit dem tierschonenden Verfahren bessere Ergebnisse produziert, oder wann man vielleicht am Anfang mehr Tiere verwendet, aber am Ende des Tages sicherer zum Ergebnis kommt.“

Was ist also wichtiger? Das Tierwohl oder mögliche frühzeitige Ergebnisse?

Ein Verzicht auf Tierversuche, so stellt der VBIO in ihrer Grundsatzposition fest, ist aktuell nicht vorstellbar. „Im Sinne einer sachlichen und ausgewogenen Information fordert der VBIO daher die Gegner von Tierversuchen auf, die Konsequenzen einer Abschaffung aller Tierversuche explizit zu benennen“, verkündet VBIO-Präsidiumsmitglied Gabriele Pfitzer in einer Pressemitteilung.

Und der VBIO schreitet damit direkt voran: So würde der Verzicht von Tierversuchen die Versuchszahl an menschlichen Probanden steigern und schlussendlich zu einer fehlenden oder mangelhaften Behandlung von Patienten führen.

Für die Zukunft fordert der VBIO nicht zulertzt deshalb mehr Rechtssicherheit für Wissenschaftler, die mit Tierversuchen arbeiten. Entsprechend lehnt er deshalb auch ein tierschutzrechtliches Verbandsklagerecht ab – schließlich würden Tierversuche durch Tierschutzgesetz und Tierschutzverordnung bereits im Vorfeld ausreichend kontrolliert.

Juliet Merz



Letzte Änderungen: 18.07.2017