Editorial

Das Karamell-Komplott

(2.5.17) Für das Überleben von Uni-TAs ist die Mensa essentiell. So essentiell, dass manche gar einiges an krimineller Energie entwickeln, um ihre Essens-Interessen durchzusetzen. Unsere (andere) TA erzählt…
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Mensa. Da kommt man ja öfter als einmal pro Woche hin. Doch heute gibt es etwas Neues: Die Kassiererin legt jedem von uns neben dem Wechselgeld auch ein Ausfüll-Kärtchen aufs Tablett. Die Bewertungsmanie ist also auch hier angekommen.

Heutzutage wollen ja alle bewertet werden. Einerlei was man tut, meist bekommt man hinterher eine Mail oder einen Zettel, mit dem nach Bewertung des Erlebten ersucht wird. In aller Regel ignoriere ich derartige Aufforderungen. Wenn ich regelmäßig einen Online-Shop frequentiere oder eine Gaststätte öfter als einmal besuche, sollte das doch aussagekräftig genug sein.

Also mache ich heute nur einen Haken bei dem lachenden Gesicht zur Mitarbeiterbewertung. Die Angestellten hier sind wirklich sehr nett und kompetent – das verdient Anerkennung. Damit ist der Pflichtteil der Bewertung auch schon nahezu erfüllt. Die Kür bilden dann drei Zeilen am unteren Rand des Zettels, auf die man Wünsche und Anregungen notieren kann. Da mir jedoch keine einfallen, lasse ich den Platz frei.

Editorial

Meine Kollegin, das waghalsige Gemüt, hat dagegen sofort einen Vorschlag für mich und die anderen kulinarisch unentschlossenen Kollegen: „Schreibt: Mehr Karamellpudding!“ Karamellpudding ist ihr absoluter Lieblingsnachtisch – doch leider hatte sie in den letzten Monaten schwer zu leiden, da es ihn einfach nicht mehr gab. Eine bunte Vielfalt an Nachtischen wurde gereicht – Bayrische Creme, Schokopudding, Milchreis,… – aber kein Karamellpudding. Hier ist endlich ihre Chance, das zu ändern – die Menschheit aufzurütteln und für ihre ureigensten Interessen zu kämpfen: Mehr Karamellpudding! Einen solchen Schlachtruf hat man gewiss nicht auf vielen Feldzügen gehört.

Wir Übrigen lassen uns also korrumpieren und setzen den Wunsch nach mehr Karamellpudding unter unsere Karten. Natürlich in unterschiedlichen Formulierungen, damit es nicht gar so nach Ansprache aussieht. Zum Dank für unsere Kooperation und unser Schweigen dürfen wir die Pommes der Rebellions-führenden Kollegin aufessen. Ein klarer Fall von Karamellpudding-Lobbyismus!

Um ihrem Ansuchen zusätzlich Gewicht zu verleihen, klaubt sie überdies drei liegengebliebene Karten von anderen Mensatischen – und füllt sie oben im Labor eigenhändig aus. Clevere Idee. In der Mensa hätte es sicher unliebsame Zeugen gegeben.

Später zeigt sie mir das Ergebnis. Ich komme nicht umhin, die darauf verwandte Akribie zu bewundern. Ihr notiertes Anliegen sieht tatsächlich auf jeder Karte anders aus.

„Zwei der Karten habe ich sogar mit links unterschrieben“, verkündet sie triumphierend.

Das zeugt von enormer krimineller Energie. Ohne eingehende Prüfung durch einen Graphologen dürfte die Sache nicht auffliegen. Ich werde sie jedenfalls garantiert nicht verpfeifen, schließlich wäre ich womöglich wegen Beihilfe dran. „Unrechtmäßiges Erschleichen von Karamellpudding“ – sicherlich ist dieses, oder wenigstens ein ähnliches Vergehen längst in diversen Prozessakten vermerkt. Ob es im Gefängnis Karamellpudding gibt? Und ich dachte, nach der Sache mit der Türentführung kürzlich könnte es nicht mehr krimineller werden.

Keine zwei Wochen später bekommen wir die Quittung für unsere Wahlmanipulation: Es gibt Karamallpudding. Blöderweise ist die Karamellpudding-Verfechterin aber just in dieser Woche im Urlaub. Und uns Übrigen fällt erst auf dem Rückweg auf, dass niemand von uns Karamellpudding gegessen hat.

Wenn das unsere Rebellionsführerin erfährt. Da steckt sie ihr Herzblut in diese Kampagne, manipuliert sogar eine Handvoll Bewertungskarten – und was tun wir? Strafen ihre Bemühungen mit Nichtachtung. Ich will gar nicht wissen, was sie mit uns anstellen wird, wenn ihr das zu Ohren kommt. Hoffentlich können die anderen dicht halten.

Maike Ruprecht



Letzte Änderungen: 26.05.2017