Editorial

Was bringt uns Wissenschaftsgeschichte?

(13.3.17) Schon die Schicksale von Gregor Mendel und einigen seiner Zeitgenossen hätten uns lehren können, dass Verwaltungs- und Leitungsaufgaben den kreativen Erkenntnisgewinn eher ersticken.
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Kann man aus der Wissenschaftsgeschichte überhaupt etwas Brauchbares lernen? Sicher, werden viele sagen. Vor allem die Hintergründe wichtiger Entdeckungen sind doch interessant — gerade wenn man mit Blick auf Gegenwart und Zukunft womöglich wiederkehrende Erfolgsmuster herausschälen kann. Vielleicht existieren auch deshalb an den Universitäten des deutschsprachigen Raums mehr Institute für Wissenschafts-, Technik- oder Medizingeschichte, als wahrscheinlich viele denken würden.

Dennoch kann dies nicht den Eindruck mindern, dass die Wissenschaftsgeschichte von vielen „harten“ Bioforschern eher belächelt wird. Nicht zuletzt, weil sie als Zwitterdisziplin am Ende doch deutlich zu den Geisteswissenschaften ausschlägt. Als reines „Lehnstuhl-Fach“ kanzeln sie daher viele aus dieser Ecke ab. Und dass sie lediglich „Nice to know“-Geschichten liefere, statt „Need to know“-Erkenntnisse.“ Okay, kann man so sehen.

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Jetzt ist es aber so, dass Forschungsplaner heutzutage immer drängender wissen wollen, unter welchen Bedingungen Forscher für möglichst wenig Geld viele tolle und möglichst auch noch anwendbare Erkenntnisse liefern. Und hier kann ein Blick in die Wissenschaftsgeschichte — wie eingangs schon erwähnt — durchaus helfen.

Beispielsweise berichtete ein Biologie(!)-Professor kürzlich in einem Vortrag über Gregor Mendel, dass dessen Forschungen zu den Gesetzmäßigkeiten der Vererbung eines Tages ziemlich unvermittelt abbrachen. Warum das? So absolut „dedicated“, wie er schien? Das Dumme war, dass seine Mit-Pater ihn zum Prälat gewählt hatten. Woraufhin Mendel die lästigen Pflichten des Führens und Verwaltens derart ausfüllten, dass ihm nur noch das Klagen blieb: „Ich fühle mich wahrhaft unglücklich, dass ich meine Pflanzen und Bienen so gänzlich vernachlässigen muss“, schrieb er 1873 in einem Brief an den Schweizer Botaniker Carl Wilhelm von Nägeli.

Ähnlich, so der Professor weiter, erging es damals auch zwei weniger bekannten, aber ebenso originellen Zeitgenossen Mendels: Augustin Sagerets Forschertätigkeit mit Kürbishybriden versiegte, als er die Leitung einer großen landwirtschaftlichen Domäne übernahm; ebenso wie diejenige des Pfarrers und Bienenforschers Johann Dzierzon, als er seine Bienenzucht samt der Honigproduktion zum Geschäft machte.

Welches Muster diese wissenschaftsgeschichtlichen Anekdoten jetzt hinsichtlich der Bedingungen für Erkenntnisgewinn beziehungsweise dessen Verhinderung andeuten, dürfte klar sein. Entsprechend schloss auch der Professor seinen Bericht mit dem Fazit: „Macht also Eure hellsten Köpfe nicht zu Direktoren oder Vorständen, und hütet Euch vor Firmengründungen.“

Ralf Neumann



Letzte Änderungen: 15.03.2017