Editorial

Zytokin-Datenbank COPE bittet Forscher um Hilfe

(2.3.17) Die Geschichte von Horst Ibelgaufts ist unglaublich. Doch jetzt bittet der Kölner Molekularbiologe seine Kollegen um Mithilfe – aus dem philippinischen Dschungel. Wie das?
editorial_bild

Horst Ibelgaufts, 67, ist weit herumgekommen. In den 1980ern promovierte er am Institut für Genetik an der Universität Köln; danach arbeitete er als Postdoc zwei Jahre in Edinburgh/Schottland und in München bei Ernst-Ludwig Winnacker am Genzentrum der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU). Dann wanderte er nach Fernostasien aus und sitzt seither als Lehrbeauftragter im philippinischen Dschungel. Dazu kommen wir gleich – bitte noch etwas Geduld.

Ibelgaufts früherer Boss Winnacker, Sohn des ehemaligen Hoechst-Vorstandsvorsitzenden Karl Winnacker, brachte es nach seiner Münchener Professorenzeit 1998 zum Präsidenten der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) in Bonn. Danach, von 2007 bis 2009, fungierte der umtriebige Wissenschaftsmanager als Generalsekretär des Europäischen Forschungsrats (ERC) in Brüssel – und bekleidete ferner eine fast endlose Reihe weiterer Posten und Pöstchen.

Editorial

1985, noch in der biotechnologischen Steinzeit, veröffentlichte Winnacker das Lehrbuch Gene und Klone – Eine Einführung in die Gentechnologie – ein Kompendium der jungen deutschen Molekularbiologie, das unter deutschen Biologiestudenten rasch zu großer Popularität gelangte. Postdoc Ibelgaufts übersetzte das Werk 1987 für seinen Lehrstuhlchef ins Englische; danach publizierte Ibelgaufts in Eigenregie ein Gentechnik-Lexikon und brachte 1995 zudem das "Dictionary of Cytokines” (Wiley-VCH, New York) heraus – obwohl er anfangs „nicht einmal wusste, was ein Zytokin überhaupt ist“.

Wenn Du keinen Schimmer hast, mach’ ne Vorlesung draus!

Doch Winnacker hatte ihn gelehrt: „Wenn Du absolut keinen Schimmer von einem Thema hast, dann mach’ eine Vorlesung daraus!“ Und so las sich Ibelgaufts Anfang der 1990er Jahre intensiv in die Zytokin-Literatur ein, nachdem ihn der Lektor eines Wissenschaftsverlags darum gebeten hatte. Sein in der Folge entstandenes „Wörterbuch der Zytokine“ wird bis heute eifrig in Dissertationen und anderswo zitiert – kein Wunder, sind Zytokine doch eines der ganz „dicken“ Themen der Zellbiologie: Interferone, Interleukine, Kolonie-stimulierende Faktoren, Tumornekrosefaktoren und Chemokine regulieren unter anderem das Wachstum und die Differenzierung von Zellen und beförderten (oder zerstörten) die Karrieren von Tausenden von Wissenschaftlern.

Ende der 1990er kam dann das Internet mit aller Macht – und damit die verlockende Möglichkeit, wissenschaftliche Informationen unvergleichlich schneller, umfassender und quervernetzter aktuell zu halten als zuvor. Ibelgaufts erkannte schon früh die enormen Möglichkeiten des neuen elektronischen Mediums und lehnte es daher ab, eine zweite Druckauflage des "Dictionary of Cytokines” zu verfassen: „Ich brauchte doch keinen Großverlag als Helfer! Ich war überzeugt, es alleine schaffen zu können“, erzählte er 2015 der Lab-Times-Reporterin.

Eine Art von Ur-Wikipedia, lange bevor es Wikipedia gab

Und so entstand sein Lebensprojekt COPE: Eine Online-Datenbank über Cytokine, die alle Verbindungen zwischen einem Suchbegriff und einem anderen beleuchtet und zugänglich macht. Den dazu nötigen Computer-Algorithmus, regelmäßig verbessert und perfektioniert bis heute, entwarf und programmierte Ibelgaufts Bruder Jürgen. Lange bevor es ähnliche Hypertext-Link-Projekte gab, sei Ibelgaufts „Catacopia” auf seiner COPE-Website startklar gewesen, erzählt er heute nicht ohne Stolz. Auch Wikipedia, das weltbekannte Paradepferd der ververlinkten Online-Enzyklopädien, ging erst Jahre später, 2001, online.


2002 verließ der Molekularbiologe aus familiären Gründen Deutschland. Seitdem lebt er auf den Philippinen im Urwald, fördert sein Trinkwasser mit vorsintflutlichen Handpumpen und arbeitet als Lehrbeauftragter an einer regionalen Medizinhochschule – und das mit großem Enthusiasmus, wie er gegenüber Lab Times im Herbst 2015 erzählte ("The Cytokine Whisperer“, in Lab Times 6/2015, Seite 17-19).

Die ganze Zeit über jedoch hat der Auswanderer, am anderen Ende der Welt, seine Zytokin-Datenbank COPE („Cytokines & Cells Online Pathfinder Encyclopedia“) gepflegt und auf dem aktuellen Stand gehalten – als Einzelkämpfer, ohne jegliche Unterstützung von außen und trotz der kärglichen technischen Ressourcen, die ein De-Fakto-Entwicklungsland wie die Philippinen zu bieten hat. Und rein ehrenamtlich – Ibelgaufts habe in den vergangenen rund 20 Jahren keinen Cent mit COPE verdient, erzählt er – im Gegenteil, er habe tausende von Stunden Arbeitszeit darin investiert. Es sei auch gar nicht seine Absicht, damit Geld zu verdienen, versichert er – COPE sei ein reines Non-Profit-Projekt. Demzufolge war der Zugang auch lange für jedermann gratis. Erst seit kurzem musste Ibelgaufts einen kostenpflichtigen Zutritt schaffen, um das Projekt weiter betreiben zu können.

Crowdfunding-Kampagne soll 15.000 Euro erbringen

Inzwischen ist Horst Ibelgaufts damit jedoch an seine Grenzen gestoßen. In einem Offenen Brief an alle User und sonstigen Interessenten schildert er sein finanzielles Dilemma und bittet seine Kollegen aus den reichen westlichen Ländern um Unterstützung. Denn gänzlich ehrenamtlich schafft es der nunmehr 67-jährige nicht mehr, seine famose Cytokin- und Zell-Enzyklopädie, die tausende Forscher weltweit nutzen und schätzen, am Laufen zu halten.

Hier das Zitat eines solchen Forschers: „COPE is truly a unique resource that should be of value to everyone who has to think about cytokines with respect to their research. This incredible effort by one individual deserves support from the research community. I urge my fellow scientists to think of the global community and support this resource.”

Daher hat Ibelgaufts vor kurzem eine Crowdfunding-Kampagne gestartet und sich dabei zum Ziel gesetzt, in den verbleibenden 35 Tagen 13.000 Britische Pfund (umgerechnet rund 15.000 Euro) einzuwerben. Erreicht er dieses Ziel, so wolle er COPE mit diesem Geld zu einer kostenlosen Open-Access-Ressource machen, sagt er.

Bislang hat der Idealist Ibelgaufts laut FutSci-Website erst 10,5 Prozent dieser Summe beisammen. Es fehlen somit noch umgerechnet rund 13.500 Euro. Jeder Beitrag sei willkommen, sagt Ibelgaufts, sei er auch noch so klein. Wer also das wissenschaftliche Projekt eines unverbesserlichen Idealisten unterstützen möchte, der möge den Offenen Brief des „Biochemikers im Unruhestand“ Horst Ibelgaufts lesen und dann die COPE Crowd-funding Campaign Site besuchen unter www.futsci.com/project/cope !

Die Alternative in den Worten von Horst Ibelgaufts lautet wie folgt: Shutting down COPE would cause what some users have called a "tragic loss” of detailed, important, carefully consolidated, medical knowledge.”

Also, liebe Forscher: Beweisen Sie, dass Sie wirklich einer Community angehören – und spenden auch Sie diesem großartigen, gemeinnützigen Wissenschaftsprojekt den Gegenwert einer Pizza oder einer Tankfüllung!

Winfried Köppelle



Letzte Änderungen: 15.03.2017