Zwei Datenquellen liefern total unterschiedliche Zahlen. Wie kommt das?
Erst einmal sollte man klarstellen, dass die in der BIO-Deutschland-Umfrage ermittelten Werte ausschließlich für Industrieunternehmen gelten. Es tauchen darin also keine Universitäts-TAs, keine Professoren, und auch keine Post-Doks an öffentlichen Instituten (etwa MPIs oder bei Helmholtz) auf.
Ferner stellen die darin genannten Gehaltszahlen laut Verband den Median dar – was bedeutet: Eine Hälfte aller vorkommenden Werte liegt höher, die andere Hälfte niedriger. Wenn also der „mehr als zehn Jahre beschäftigte naturwissenschaftliche Forscher“ laut Verbandsumfrage „65.000 Euro jährlich“ verdient, so bedeutet dies im Klartext: Die Hälfte der in Frage kommenden Personen verdient mehr als 65.000 Euro, die andere Hälfte weniger als 65.000 Euro.
Dies allerdings passt noch viel weniger mit den Werten zusammen, welche die Gehalt.de-Seite nennt. Denn dort beträgt ja das Maximalgehalt für Biologen ja „nur“ 60.541 Euro. Mehr geht nicht, oder zumindest: mehr gibt’s nicht – zumindest laut Gehalt.de.
Bio Deutschland hingegen hat herausgefunden, dass die Hälfte aller, mehr als zehn Jahre beschäftigten, naturwissenschaftlichen Forscher (worunter ja primär Biologen fallen dürften) sogar mehr als 65.000 Euro verdient.
Eine mögliche – und wahrscheinliche – Ursache für die beschriebene Diskrepanz könnte die unterschiedliche Art der Datenerhebung sein. Die Bio-Deutschland-Zahlen stammen von den Unternehmen selbst – sprich: von der Unternehmensleitung – und wurden von BIO Deutschland wohl eher nicht auf ihre jeweilige Richtigkeit geprüft. Denn welcher Unternehmer ließe sich schon so detailliert in die Karten schauen, selbst wenn's der eigene Branchenverband ist? Die von BIO Deutschland genannten Zahlen dürften zumindest von der ungefähren Größenordnung her sogar stimmen – doch selbst das kann nicht als gesichert gelten, solange man das zur Datenerhebung verwendete Verfahren nicht kennt.
Datenquelle: anonym und ungeprüft
Die auf Gehalt.de abrufbaren Zahlen wiederum resultieren aus dem, was die zufälligen Besucher dieser Website freiwillig angeben. Genau: Jeder, der Lust dazu hat, kann dort anonym sein eigenes Gehalt (sowie weitere persönliche Daten) in die Datenbank eingeben, doch niemand überprüft die Richtigkeit dieser Angaben. Dies öffnet natürlich Tür und Tor für unrealistische Fake-Angaben und schwächt die Glaubhaftigkeit der Gehalt.de-Datenbank enorm. Denn wie wollen die Website-Betreiber kontrollieren, ob die vom jeweiligen Besucher angegebenen Zahlen nicht zu hoch oder zu niedrig sind, ja, ob sie womöglich sogar krass falsch sind?
Und selbst wenn die bloße Größenordnung des Gehalts stimmen sollte, weiß bei einer derartigen Form der Datenerhebung niemand, ob auch die restlichen Angaben im jeweiligen Einzelfall korrekt sind: Wurden beispielsweise auch die Zahl der Berufsjahre und das Alter korrekt angegeben? War dem freundlichen Datenspender klar, was der Unterschied zwischen netto und brutto ist? Niemand prüft es nach – und somit sind die Daten wachsweich.
Zudem dürfte die Art der dort erfassten Personen extrem unrepräsentativ sein. Welcher CEO einer Biotechfirma wird bei Gehalt.de vorbeisurfen und dort brav sein Einkommen eingeben? Es werden wohl hauptsächlich Arbeitssuchende und Berufsanfänger sein, aus deren Angaben sich diese Datenbank speist - und entsprechend verzerrt dürfte auch das sein, was auf dieser Seite dem Nutzer als "typischer Biologe" und "durchschnittliches Biologengehalt" verkauft wird.
Auch der auf Gehalt.de einsehbare „Vergleich der Bundesländer“ deutet darauf hin, dass die dort abrufbaren Daten nicht viel wert sind. Denn angeblich verdient der durchschnittliche Biologe in Mecklenburg-Vorpommern mit 2.879 Euro monatlich gerade mal zwei Drittel von dem, was ein hessischer Kollege kassiert (4.377 Euro monatlich). Etwas weniger, okay - aber gleich ein Drittel weniger? Wohl kaum. Und selbst im wirtschaftlich reichen Bayern, in dem es vor Biotechfirmen, Pharmakonzernen, Universitäten und Max-Planck-Instituten nur so wimmelt, sollen Biologen angeblich wiederum deutlich weniger verdienen als in Hessen? Glückliches Hessen, mit fett verdienenden Biologen? Auch das erscheint wenig glaubhaft.
All diese Seltsamkeiten liegen wohl nicht nur daran, dass die Angaben von den Machern bei Gehalt.de nicht auf Plausibilität geprüft werden, sondern auch an der schmalen Datenbasis – sprich: dass bislang wohl nur eher wenige Besucher brav ihre korrekten Angaben dort abgeliefert haben.
Banale Weisheiten, Quelle: das Arbeitsamt
Es gibt so manchen weiteren Verkünder der angeblichen Gehaltshöhe, etwa die „Jobbörse Absolventa“ – eine GmbH, die davon lebt, den Arbeitssuchenden und auch deren potenziellen Arbeitgebern ihre Weisheiten zu verkaufen. Bei Absolventa "weiß" man, dass Biologen mit einem durchschnittlichen Einstiegsgehalt von 3.100 Euro monatlich rechnen können (im Öffentlichen Dienst beträge dessen Höhe zwischen 2.600 bis 3.300 Euro, in der freien Wirtschaft zum Teil deutlich mehr).„Je höher die Anzahl der Mitarbeiter, desto höher die Löhne“, wird als Faustregel angegeben, und je länger man in seinem Beruf als Biologe arbeite, desto höher sei auch das Gehalt. Zumindest diese Binsenweisheiten sind durchaus korrekt.
Ein Doktortitel bringe ferner ein Gehaltsplus von zehn Prozent, und „langfristig“ (was immer das konkret heißen soll) könnten „fest angestellte, promovierte Biologen mit einem Jahresgehalt von deutlich über 50.000 Euro im Öffentlichen Dienst und 70.000 Euro in der Industrie rechnen“. Als Quelle hierfür nennt die „Jobbörse Absolventa“, halten Sie sich fest, die Bundesagentur für Arbeit. Also just jene Institution, die man als Arbeitssuchender so rigoros meiden sollte wie das Ribosom die Rizinusstaude.
Winfried Köppelle
Letzte Änderungen: 09.03.2017