Editorial

Wieviel verdient man eigentlich in der Biotech-Branche?

(9.2.17) Berufsanfänger haben oft keine Ahnung, was sie auf dem Arbeitsmarkt wert sind und wie hoch sie beim Einstellungsgespräch pokern dürfen. Diesen Mantel der Ungewissheit lüftet – zumindest ein wenig – eine aktuelle Umfrage.
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© W. Köppelle

Tabus gibt es viele in Deutschland, eins davon ist das Einkommen. Um dessen Höhe wird hierzulande ein Zinnober veranstaltet, als ginge es um explosive Staatsgeheimnisse. Gerade für Berufsanfänger ist das fatal, denn sie haben oftmals keine Ahnung, was ihre Expertise und Arbeitsleistung wert ist. Entsprechend zaghaft und demütig verhandeln sie in Vorstellungsgesprächen – und werden vom Personalchef auf der anderen Seite des Tisches genüsslich weit unter Wert verpflichtet.

Ähnlich dubios ist’s im öffentlichen Dienst. Denn für die dort Bediensteten und die, die es werden wollen, gibt es die berüchtigten Tariftabellen – deren Komplexität und Unübersichtlichkeit die für den jeweiligen Interessenten betreffende Gehaltshöhe eher verschleiern als offenlegen. Zumindest für alle jene, die Neulinge in der Welt der Beamten und Angestellten sind. Wer also meint, im öffentlichen Dienst seien zumindest die Einkommenshöhen transparent und für jedermann klar einsehbar, der liegt schief.

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Nicht so im Vereinigten Königreich. Denn dort muss in jeder öffentlichen Ausschreibung explizit die Höhe des zu erwarteten Einkommens genannt werden. Schon genial, diese Briten: Sie verweisen nicht auf ominöse Besoldungsgruppen und -stufen, garniert mit diversen Orts- und Familienzulagen und nachzulesen in geheimnisvoll-unübersichtlichen Tabellen, sondern nennen einfach die konkrete Zahl. Zack! Und schon weiß jeder, was Sache ist. Darauf muss man erst mal kommen, isn’t it?

So durften sich zum Beispiel die Bewerber auf den Posten des „Higher Scientific Offier“, der Ende August 2016 vom „Veterinary Medicines Directorate“ in Addlestone (Grafschaft Surrey) gesucht wurde, auf ein jährliches Gehalt von 30.770 Pfund freuen. Und Interessenten für die Stelle des „NHSA Research Co-ordinator and Funding Development Manager“ der Newcastle University wussten im gleichen Sommer des Jahres 2016 bereits beim Lesen der betreffenden Stellenanzeige: Sie dürfen mit einem Gehalt zwischen 38.896 und 41.255 Pfund rechnen. So einfach kann das sein.

Dass britische Stellenanzeigen darüber hinaus auch nicht dem DDG (dem dämlich-deutschen Gleichbehandlungsgesetz, auch als AAG bekannt) unterliegen und dennoch – natürlich, was denn auch sonst!? – an Bewerber jeden Geschlechts, jeden Alters und jeder Hautfarbe gerichtet sind, sei hier nur am Rande erwähnt. Ausschreibungen, in denen ein Kaufhaus zur Belebung des vorweihnachtlichen Absatzes nach prospektverteilenden, rotbekittelten Weißbärten sucht, dürfen in UK daher auch genau so formuliert werden: „Wir suchen einen Weihnachtsmann“. Keine Britin jedoch käme da auf die abstruse Idee, sie sei aus diesem Rennen ausgeschlossen – im Gegenteil: Sofern Bewerberinnen bereit sind, sich während ihrer Arbeitszeit mit dem erforderlichen Kostüm (weißer Bart, roter Mantel) zu umhüllen, werden sie auf der Insel auch gerne als Weihnachtsmann angestellt.

Hierzulande hingegen müssten Personalchefs vermutlich nach „einem/einer Weihnachtsmann/frau“ suchen. Oder, politisch noch korrekter, nach einem/einer Weihnachtsx“.

Aber was verdienen sie denn nun, die Jung-Biologen?

Aber zurück zum Thema: dem lieben Geld. Wieviel verdient denn nun ein forschender Jungbiologe und wieviel ein Pharmareferent? Diese Frage hat der Branchenverband der Biotechnologie-Industrie, BIO Deutschland, kürzlich seinen Mitgliedern im Rahmen eines „Gehältervergleichs“ gestellt – und dabei fein säuberlich zwischen den einzelnen Berufsgruppen unterschieden.

- Technische Assistenten, so das Ergebnis, würden zwischen 30.000 (2-5 Jahre Berufserfahrung) und 43.000 Euro (mehr als 10 Jahre) jährlich verdienen.

- Naturwissenschaftliche Forscher bekommen deutlich mehr: Bei ihnen rangieren die Gehälter zwischen 51.000 und 65.000 Euro, je nach Berufserfahrung.

- Noch mehr kassieren laut Umfrage die im Vertrieb und der Verkaufsleitung sitzenden „Bio-Kaufleute“ – sie verdienen nach fünf Jahren im Beruf durchschnittlich 114.000 Euro, nach zehn Jahren sogar 138.000 Euro.

- Und die Großverdiener sind, wen wundert es, die Geschäftsführer, die nach mehr als zehn Jahren Berufserfahrung durchschnittlich 205.000 Euro pro Jahr einsacken.

In den Details nachzulesen sind die Ergebnisse der Umfrage hier.

Interessant ist die Bestätigung der bislang eher aus dem Bauch heraus getroffenen Vermutung, die Einkommensschere gehe auseinander. Wie immer dies in anderen Branchen sein mag – zumindest in der Biotechindustrie ist es offenbar wirklich so. Denn während die Gehälter speziell der berufserfahrenen Forscher und Entwickler laut dieser Umfrage in den letzten beiden Jahren (Stichtag Ende 2014 beziehungsweise 2016) um lediglich ein bis zwei Prozent gestiegen sind, stiegen die Einkommen der Verkaufsleiter und Geschäftsführer – auf ohnehin bereits hohem Niveau – um weitere fünf bis sieben Prozent.

Lediglich die Newbies in der technischen Forschung und Entwicklung (sprich: die Mitarbeiter mit zwei bis fünf Jahren Berufserfahrung) entsprechen nicht dem Trend „Wer schon mehr hat, bekommt noch viel mehr“: Sie durften sich in den letzten beiden Jahren ebenfalls über deutliche Gehaltssteigerungen in Höhe von rund zehn Prozent freuen. Auch so kann man die Motivation seiner Mitarbeiter und damit den Umsatz seiner Firma steigern.

Die frohe Botschaft des Industrieverbands

Die abschließende frohe Botschaft, verkündet von Viola Bronsema, Geschäftsführerin von BIO Deutschland, lautet folgendermaßen: „Die Stimmung in der Biotech-Branche ist im Moment positiv. Zum Jahresende 2016 befragte Unternehmerinnen und Unternehmer gaben an, weiterhin mehr in Forschung und Entwicklung investieren und auch Personal aufbauen zu wollen“ – und dies spiegelten auch die genannten Gehaltszahlen wieder.

Bronsema versichert ferner, „der Bedarf an gut ausgebildeten und erfahrenen Fachkräften in unserer Branche ist ungebrochen hoch.“ Da der von ihr geleitete Industrieverband mit Sitz in Berlin immerhin laut eigener Aussage immerhin über 320 Mitglieder hat – allesamt Unternehmen, Bioregionen und Branchen-Dienstleister, darunter auch die Schwergewichte der Branche – darf man ihrer Aussage einigen Glauben schenken.

Winfried Köppelle



Letzte Änderungen: 03.03.2017