Editorial

Gekidnappter miRNA-Promotor

(18.1.17) Die RNA-Interferenz (RNAi) ist nicht nur für Grundlagenforscher interessant. Biomediziner versuchen mit ihr, auch die Replikation pathogener Viren zu unterdrücken die eine RNA-Phase durchlaufen.

Erreichen lässt sich dies zum Beispiel mit einer neuen RNAi Expressions-Strategie, die eine Gruppe um den RNAi-Spezialisten Dirk Grimm vom Heidelberger Universitätsklinikum entwickelte (NAR). Grimms Team bettete hierzu eine Promotor-freie Small Hairpin RNA (shRNA) in microRNA (miRNA) ein und integrierte das hieraus resultierende shmiRNA-Konstrukt in einen endogenen miRNA-Locus. Für die shmiRNA-Expression sorgt der zelluläre miRNA-Promoter. Die Forscher erreichten auf diese Weise eine stabile und sichere Expression der eingeschleusten shmiRNA.

Für die Herstellung des shmiRNA-Konstrukts erweiterte das Team zunächst die Antisense-Sequenz der gewünschten Hepatitis C Virus (HCV) spezifischen shRNA um drei Nukleotide. Dies erleichterte die Integration der hergestellten shmiRNA in den vorgesehenen leberspezifischen hcr-Lokus der entsprechenden Vorläufer-miRNA. Anschließend fügten die Forscher die shmiRNA in ein Plasmid ein, das den entsprechenden Teil des hcr-Gens sowie einen CMV-Promotor beherbergte. Die passende Stelle wählten sie so aus, dass der CMV-Promotor seine Aufgabe sowohl für die neu zugefügte, Promotor-freie shmiRNA als auch für die miRNA des hcr-Gens erfüllen konnte.

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Experimente mit HEK293T-Zellen, die die Gruppe mit diesem Plasmid transfizierte, bestätigten, dass die integrierte shmiRNA tatsächlich mit der miRNA co-exprimiert wird. Die Forscher hatten demnach die richtige Integrationsstelle gefunden.

Ihr eigentliches Ziel war jedoch, das shmiRNA-Konstrukt ohne Promotor direkt in den hcr-Locus von Leberzellen (Huh7-Zellen) zu integrieren und den zelleigenen miRNA-Promotor auch für die exogene shmiRNA zu nutzen. Dies erreichten sie durch homologe Rekombination mit Hilfe des TALEN- sowie des CRISPR/Cas9-Systems, wobei die shmiRNA-Integration mit TALEN etwas effizienter war.

Das erhaltene shmiRNA-Konstrukt versah die Gruppe mit einer Neomycin-Resistenz, wodurch sie die erfolgreich transfizierten Zellen mit G418 selektionieren konnten. Nach der Selektion entfernte Grimms Mannschaft das Neomycin-Resistenz-Gen mittels Cre-Rekombinase exprimierenden Adeno-assoziierten Viren.

Mit Reportergen-Assays, Northern Blots sowie qRT-PCR-Experimenten bewies die Gruppe, dass die Zellen sowohl shmiRNA-Konstrukt als auch endogene miRNA exprimierten. Gleichzeitig zeigten Sequenzanalysen des gesamten Genoms der transfizierten Zellen im Vergleich zu Wildtypzellen, dass die shmiRNA auch tatsächlich an der beabsichtigten Stelle saß.

Um zu sehen, ob die RNAi-Expressions-Strategie wie geplant gegen Viren wirkte, infizierten die Forscher die produzierten Zellklone mit HCV. Im Vergleich zu Wildtypzellen war die Replikation der Viren in Leberzellen, die gegen HCV gerichtete shmiRNA exprimierten, eindeutig reduziert.

Im Gegensatz zu herkömmlichen Transfektionen beziehungsweise Transduktionen von RNAi-Kassetten benötigt das Verfahren von Grimm und Co keine von Vektoren übertragenen regulatorischen Transkriptions-Elemente, wie RNA-Polymerase II oder III Promotoren. Dies ist ein erheblicher Vorteil. Exogene Promotoren bergen die Gefahr, dass sie zu stark sind und hierdurch zytotoxisch wirken. Andererseits verstummen sie häufig auch nach einiger Zeit. Die Expression und damit die Beeinflussung des spezifischen Gens ist bei den herkömmlichen Methoden also nicht verlässlich.

Mit den zelleigenen Promotoren erreichten die Forscher um Grimm eine über mindestens zwanzig Passagen stabile shmiRNA-Expression, die zu keinen Mutationen oder substanziellen Veränderungen des Gens oder der endogenen miRNA führte. Wählt man die richtige endogene miRNA aus, so erzielt man mit der Promotor-freien shmiRNA-Strategie eine zellspezifische, physiologisch relevante und andauernde shmiRNA-Expression, die Viren in Schach hält.

 

Christine Haselier



Letzte Änderungen: 07.02.2017