Editorial

Klimakonflikte

(17.1.17) Mal muss man beinahe den Server in kalte Umschläge packen, ein anderes Mal könnte man Eisbären kühle Zuflucht bieten. Laborklima-Erfahrungen unserer (anderen) TA.

In der Schule bekamen wir an besonders heißen Sommertagen nachmittags frei, dann durfen wir nach Hause gehen oder uns sonstwie des Sommers freuen. Leider verloren wir dieses Privileg mit Eintritt in die Oberstufe. Ab der elften Klasse müssen sich Schüler auch bei 30°C im Klassenraum konzentrieren können. Eine gnadenlose Vorbereitung auf den harten Arbeitsalltag.

Im letzten Sommer kam die Haustechnik meiner Universität auf die grandiose Idee, die Uni-eigene Klimaanlage zu warten. Warum sie das an einem der heißesten Tage des Jahres tun mussten, wurde nicht näher erläutert. Jedenfalls herrschte in unseren Räumen um die Mittagszeit eine Temperatur von annähernd 35°C und wir hatten stärkeren Hitzestress als manche unserer Versuchspflanzen.

Dabei galt unsere größte Sorge keineswegs uns Lebewesen, sondern vielmehr unseren brummend gegen die Hitze ankühlenden Minus-80-Grad-Kühlschränken – und insbesondere unserem Server. Der ist nämlich wie ein Hund und kann nicht schwitzen. Ich machte mir  tatsächlich ernsthaft Sorgen um den Blutdruck unseres Administrators, der im Minutentakt die Temperatur seines Schützlings kontrollierte – immer in der Angst, einen Fieberschub diagnostizieren zu müssen. Ob er ihm dann kalte Umschläge gemacht hätte?

Editorial

Mit sperrangelweit festgekeilten Türen, sowie mehreren zusätzlich beschafften mobilen Ventilatoren überstanden wir den Tag am Ende jedoch ohne Verluste.

Im folgenden Winter erlebten wir dann das raumklimatische Pendant des beschriebenen Tages. Wer konnte auch ahnen, dass ein Abkühlungsantrag bei Raumpetrus ein halbes Jahr Bearbeitungszeit braucht?

Am Montagmorgen betrat ich das Labor – und bereute augenblicklich, den Wintermantel gegen meinen Laborkittel getauscht zu haben. Es war, mit Verlaub, popokalt. Mein Thermoblock bezifferte die Raumtemperatur mit 15°C und ich glaubte ihm sofort. Unser Labor bot die perfekte Bühne für eine Inszenierung von „Das kleine Mädchen mit dem Bunsenbrenner“. Wo ist eigentlich die globale Erwärmung, wenn man sie mal braucht? Den Eisbären schmilzt das Polareis unter den Pfoten weg, gleichzeitig frieren wir uns hier im Labor zu Tode. Wir hätten ein paar Eisbären bei uns aufnehmen können. Aber bestimmt sind Eisbären im S1- Labor nicht erlaubt.

Ein mit klappernden Zähnen geführtes Telefonat ergab, dass die für die Laborseite zuständige Heizungsanlage ihr Wochenende ohne Rücksprache mit der Zentrale verlängert hatte.

„Wir sind an dem Problem dran“, versprach der Techniker. In frostiger Stimmung sicherten meine Kollegen und ich unsere laufenden Experimente – oder was davon noch zu retten war –, und rotteten uns anschließend in unserer warmen, auf der Büroseite gelegenen Teeküche, zusammen. Der für diesen Gebäudeteil zuständige Teil der Heizungsanlage versah nämlich zuverlässig seinen Dienst. Ein klarer Fall von gespaltener Persönlichkeit.

In der Küche harrten wir also der verheißenen laboralen Erwärmung. Die Techniker waren ja schließlich „an dem Problem dran“. Deren Zuwendung ließ die Heizungsanlage jedoch leider völlig kalt, und auch die globale Erwärmung war an diesem Vormittag wohl anderweitig beschäftigt. Jedenfalls betrug die Raumtemperatur auf der Laborseite gegen Mittag erst volle 16°C. Woraufhin unser Professor schließlich resignierte und uns nach Hause schickte…

Später auf meinem Sofa, bei heißem Tee und Keksen, konnte ich der Heizungsanlage nicht wirklich böse sein. Frostfrei habe ich früher in der Schule schließlich nie bekommen.

Maike Ruprecht



Letzte Änderungen: 07.02.2017