Editorial

Dem mRNA-Abbau auf der Spur

(21.12.16) Was als mRNA-Ausschuss gilt oder nicht mehr gebraucht wird, bestimmt der Nonsense-Mediated mRNA Decay (NMD)-Signalweg. Mit der xrFrag-Technik kann man ihn analysieren.

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© Gruppe Mühlemann Uni Bern

Exonukleasen des NMD knabbern von beiden Enden an den ausgewählten mRNAs, während Endonukleasen sie von innen heraus zerschneiden. Die Deadenylierung der mRNAs besiegelt ihr Schicksal endgültig. Anschließend folgt das Decapping, das 5'-3'-Exoribonukleasen den freien Zugriff ermöglicht. Die 5'-3'-Exonuklease XRN1 erledigt schließlich den Rest und zerlegt die mRNAs vollständig.

Niels Gehrings Team von der Universität Köln wollte genauer wissen, wie, wo und wann mRNAs vom NMD-Signalweg auseinandergenommen werden und was den Abbau begünstigt. Die von den Kölnern hierzu entwickelte xrFrag-Strategie eignet sich aber auch dazu, den Abbau beliebiger mRNAs zu verfolgen (Nature Comm., doi:10.1038/ncomms13691).

Das Forscherquartett um Gehring baute hierzu eine XRN1-resistente RNA-Sequenz (xrRNA) aus dem Murray Valley Enzephalitis (MVE)-Virus in eine Reporter-mRNA ein. xrRNAs sind für ihre Robustheit gegenüber XRN1-Nukleasen bekannt. Aber nicht nur die xrRNAs selbst bleiben unversehrt. Sie blockieren zudem das XRN1-Enzym und schützen so auch alle abwärts, also in Richtung 3'-Ende gelegenen mRNA-Regionen vor dem nukleolytischen Verdau.

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Die Kölner Gruppe positionierte das xrRNA-Element von MVE (xrFrag) hinter das offene Leseraster (ORF) eines Triosephosphat-Isomerase (TPI)-Reportergens und schleuste das Konstrukt mittels transienter Transfektion in HeLa-Zellen ein. Anschließend isolierten sie die mRNA und untersuchten in einem Northern Blot, wie stark diese fragmentiert war.

Wie zu erwarten, fanden die Kölner ein Signal des vollständigen (Full-length) TPI-xrRNA-Transkripts. Sie entdeckten jedoch auch eine schneller wandernde Bande, deren Größe dem xrFrag-Stück entsprach.

Setzten Gehrings Leute das NMD-aktivierende Protein PTC160 zu, wurde die Bande der Full-length-mRNA schwächer, dafür verstärkten sich die xrFrag-Signale. TPI unterliegt demnach dem regulärem mRNA-Turnover, der sich durch PTC-Zugabe forcieren und mittels xrFrag-Detektion verfolgen lässt.

Um herauszufinden, welche Nukleotidsequenzen den mRNA-Abbau begünstigen, setzte die Gruppe verschiedene Sequenzen vor das xrRNA-Stück. Hierzu zählten 60 Basenpaare-lange Fragmente mit unterschiedlichem GC-Gehalt sowie stabile Haarnadel-Strukturen, die der XRN1-Nuklease widerstehen. Tatsächlich detektierten die Autoren in ihren Northern Blots bei den Stem-loop-Konstrukten höhere Full-length-mRNA-Mengen, die sie auf den gebremsten Abbau zurückführten.

Offen blieb jedoch die Frage, wie generell gültig und anwendbar das xrFrag-Verfahren ist – idealerweise sollte es sich ja nicht nur auf TPI und transient transformierte HeLa-Zellen beschränken. Gehrings Team testete deshalb neben TPI auch Beta-Globin-mRNA, jeweils mit und ohne PTC beziehungsweise xrRNA. Auch hier zeigte sich das gleiche Muster: PTC beschleunigt den mRNA-Abbau, was im Northern Blot zu schwachen Full-lenght-Signalen aber einer umso stärkeren xrRNA-Bande führt.

Zusätzliche Experimente in stabil transformierten HeLa-Zellen bestätigten die universelle Einsetzbarkeit der Methode: Mithilfe eines Tetrazyklin-indizierbaren Promoters warfen die Forscher die Expression der TPI- beziehungsweise Beta-Globin-Konstrukte an. Gleichzeitig führten sie vor der RNA-Isolierung eine subzelluläre Fraktionierung durch. Aus den anschließenden Northern Blots schlossen die Forscher, dass Full-length-mRNAs hauptsächlich im Kern, die xrRNA-Fragmente dagegen überwiegend im Zytoplasma vorkommen.

Ergo akkumulieren xrRNA-Fragmente, die im Zuge des NMD-Abbaus entstehen, nach dem mRNA-Export ins Zytoplasma. Das ganze geschieht recht flott: Schon vier Stunden nach der Induktion fand die Gruppe nachweisbare xrRNA-Mengen.

Nach dieser Vorarbeit wollten die Kölner Forscher genauer wissen, ob ihre Strategie dazu taugt, zwischen den Schicksalswegen von mRNAs zu unterscheiden. Was passiert, zum Beispiel wenn man einen der NMD-Abbauwege sperrt?

Hierzu setzte das Team in den Beta-Globin-xrRNA-exprimierenden Zellen jeweils eine der NMD-Endonukleasen (SMG6 beziehungsweise SMG7) mittels siRNA außer Gefecht. Aus den im anschließenden Northern Blot detektierten Full-lenght- sowie xrFrag-Mengen schloss die Gruppe, dass geringere SMG6- oder SMG7-Level die mRNA-Stabilität erhöhen.

Das Ausschalten von SMG6 oder SMG7 führte jedoch zu unterschiedlich starken Veränderungen des Verhältnisses von Full-length- zu xrFrag-mRNA – SMG6 und SMG7 sind also nicht gänzlich redundant.

Zu guter Letzt blockierte die Gruppe auch das Decapping, indem sie das Protein DPC2 der Decapping-Maschinerie mit einer entsprechenden siRNA ausschaltete. Zusätzlich untersuchten die Wissenschaftler, was passiert, wenn sie DPC2 und die beiden SMGs gleichzeitig aus dem Spiel nahmen. Fazit dieser Experimente: Die 3'-5'-Abbauwege springen beim Abbau fehlerhafter mRNAs ein, wenn der 5'-3'-Abbauweg blockiert ist. Umgekehrt unterstützen Deadenylierungs-induzierende Elemente den Abbau.

Die xrFrag-Strategie eignet sich also dazu, Nutzer-definierte Sequenzabschnitte auf ihre (de)stabilisierende Wirkung zu untersuchen.

Das Team um Gehring arbeitet inzwischen an optimierten xrFrag-Varianten, die XRN1 noch effektiver bremsen sollen.

Übrigens: Wer meint, es sei zielführender einfach XRN1 selbst auszuschalten und aus mRNA-Bruchstücken auf den Abbauweg zu schließen, der irrt: XRN1 selbst interagiert mit Decapping-Faktoren – beseitigt man es, manipuliert man genau den Prozess, den man untersuchen will.

Andrea Pitzschke



Letzte Änderungen: 25.01.2017