Editorial

Last-Minute-Geschenktipp: Kalender für Biologen (Teil 2)

(19.12.16)  Ein Präsent, das nicht die Welt kostet, an dem man ein ganzes Jahr und länger Freude hat, und das auch noch etwas mit Biologie zu tun hat? Kein Problem: einfach hier weiterlesen!
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Der "Black & White 2017"-Kalender
© Palazzi

Am Donnerstag haben wir an dieser Stelle vorgestellt: ein mittelformatiges Kalenderprachtstück, bei dessen Betrachten Sie auf den Spuren von Frodo und Aragorn garantiert Urlaubs- oder gar Auswanderungsgelüste entwickeln werden; dazu atemberaubende, biologisch korrekte Luftbilder aus Island, Frankreich, Namibia und Australien, welche die Attraktivität jeder grauen Labor- oder Wohnzimmerwand deutlich steigern; sowie zum Dritten skurrile Momentaufnahmen von der Vergänglichkeit technischer Geräte und deren Zurückeroberung durch die Natur.

Nachfolgend fünf weitere Wandverschönerer, die Sie sich an die Wand pinnen – oder zumindest jemand anderem zum Geschenk machen sollten.

Etwa den in privater Eigeninitiative bereits im dritten Jahr produzierten Schmetterlingskalender der Karlsruher Fotografin und Autorin (sowie – im Hauptberuf – Unternehmensberaterin) Sigrid Dauth. Die hat 2011 die Online-Plattform „dieSchmetterlinge.com“ gegründet, auf der man Artenportraits, Bilder, Veranstaltungshinweise und allerlei sonstige Informationen über die zoologische Ordnung Lepidoptera findet. Wie Dauth dort schreibt, habe sie „das seit Jahren rückläufige Vorkommen der Schmetterlinge und der damit einhergehende Verlust der biologischen Vielfalt bei dieser Insektengruppe“ dazu veranlasst, diese Website aufzubauen; kurz gesagt, möchte sie auf diese Weise – durch Aufklärung und Informationen – zum Schutz der Schmetterlinge beitragen.

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Bekanntermaßen bilden die Schmetterlinge (oder Falter) mit 160.000 beschriebenen Arten, die lediglich in der Antarktis fehlen, die nach den Käfern die artenreichste Insektenordnung. Hässlich sind die Flatterviecher auch nicht, ganz im Gegenteil – was liegt also näher, sie in einem Kalender großformatig abzubilden? Dauth sieht das genauso und hat auch für 2017 einen Schmetterlings-Kalender realisiert, den man für knapp 20 Euro im Buchhandel oder bei www.colouria.com beziehen kann. Der in Zusammenarbeit mit der entomologischen AG im Naturwissenschaftlichen Verein Karlsruhe entstandene Kalender misst 42 mal 30 Zentimeter und zeigt auf dem Titelbild einen Smaragdspanner (Thetidia smaragdaria). Das Foto dieses kräftig smaragdgrün gefärbten Gesellen deutet bereits auf das Motto des diesjährigen Schmetterlingskalenders hin: Es geht um jene, die im Mondschein unterwegs sind. Im monatlichen Wechsel sind in „Nachtfalter 2017“ zu bewundern: ein bräunlich-unscheinbarer „Schlehenbusch-Winterspanner“, ein „Purpurweiden-Jungfernkind“, ein „Violettbrauner Mondfleckspanner“, ein „Flockenblumen-Grünwidderschen“ (unten im Bild) sowie acht weitere Schuppenflügler, deren Namen ähnlich geheimnisvoll klingen wie die Legenden, die im antiken Griechenland über sie verbreitet wurden: Schmetterlinge (griechisch: psukh) und speziell die Nachtfalter seien die Verkörperung der menschlichen Seele.


 

 

Der Kalender wird in einem schützenden Karton geliefert, darunter findet sich edel anmutendes, weißes Raschelpapier und darin wiederum die erwähnten 12+1 Falterfotos. Ein schönes Weihnachtsgeschenk für die Liebhaber kleiner Tiere.

Eine Nummer größer ist der Wandkalender „Starke Typen 2017“ aus dem Palazzi-Verlag. Nicht nur von den Abmessungen her (hier 60 x 50 Zentimeter), sondern auch bezüglich der abgebildeten Objekte. Wie der Name schon andeutet, geht’s hier nicht um fragile Insekten, sondern um robuste Wirbeltiere, die sich von einem Windhauch und auch von einer steifen Brise nicht aus der Ruhe bringen lassen: liebestolle Alpensteinböcke, kämpfende Königstiger, ein im Meerwasser plantschender Seehund, polare Eisbären und kenianische Nashörner. Wie alle Palazzi-Produkte ist auch dieser großformatige Wandkalender mit biologisch abbaubaren Biofarben klimaneutral auf FSC-zertifiziertem Papier gedruckt.


 

 

Die Design- und Fotografie-Profis scheinen von den „Starken Typen“ recht beeindruckt gewesen zu sein: Beim „Gregor International Calendar Award“ des Graphischen Klubs Stuttgart, bei dem alljährlich „die kreativsten und am besten gestalteten Kalender der Welt“ gesucht werden, errang dieser Kalender unlängst einen Publikumspreis in der Kategorie „Verlagskalender“. Der Autor dieser Laborjournal-Kalenderschau hingegen fand die Motive, wenn auch professionell abgelichtet, eher konventionell und keineswegs besonders „kreativ“. Doch der ist ja auch nicht Designer oder Grafiker, sondern bloß schnöder Biologe.

 




 

Wenn wir schon beim Palazzi-Verlag und dessen klimaneutral verarbeiteten Biofarben sind: Der nächste hier vorgestellte Kalender ist weder konventionell noch farbig – und gerade deswegen ein echter Hingucker: Der „Black & White 2017“-Wandkalender mit dem Untertitel „Fine Art Fotography“ hat beim diesjährigen Stuttgarter „Gregor“-Wettbewerb ebenfalls etwas gewonnen (eine bronzene Plakette) – der Rezensent hätte ihm eher eine Goldmedaille verliehen! – und besticht durch extreme Zurückhaltung.


 

 

Zumeist in extremen Weitwinkeln, abgelichtet von sieben Spitzen-Landschaftsfotografen, ist auf den 50 mal 70 Zentimetern großen Bildtafeln zu sehen: die isländischen Reynisdrangar-Felsen – laut den Einheimischen entstanden, als zwei Trolle beim Versuch, ein Boot an Land zu ziehen, bei Sonnenaufgang zu Stein erstarrten; der berühmte Geigenbogenfelsen „Bow Fiddle Rock”, ein Felsentor an der schottischen Nordostküste (nachfolgendes Foto) ...

 

 

...ein Bambusstangenwald im japanischen Arashiyama-Naturpark nahe Kyoto; der 3406 Meter hohe Granitzacken Fitz Roy in den argentinisch-chilenischen Anden (benannt übrigens nach dem Kapitän der HMS Beagle, mit der Charles Darwin 1831 bis 1836 um die Welt schipperte); und eine Reihe weiterer fotografischer Kunstwerke in schwarzweiß, die man sich jederzeit auch einzeln rahmen und als Blickfang in die Designerwohnung hängen könnte. Er kostet knapp 45 Euro, ist aber jeden Cent wert.

 

 

Ebenfalls in schickem Schwarzweiß und sämtlich fotografiert vom englischen Tier- und Naturfotografen Charlie Hamilton James, zeigt der „Afrika 2017“-Kalender die zwischen dem Kap der Guten Hoffnung und dem Mount-Kenya-Massiv altbekannte Fauna: Löwen, Zebras, Elefanten und Antilopen. Klingt weit banaler, als es ist – die insgesamt dreizehn Fotografien, jede 50 x 60 Zentimeter groß und erschienen im Dumont-Verlag, sind Meisterwerke der Naturfotografie und für günstige 30 Euro zu haben.

 

 

Für Qualitätsfanatiker: Die Auflösung und auch die Papierstärke des schwarzweißen Dumont-Kalenders erschien dem Rezensenten deutlich geringer als beim „Black & White“ von Palazzi, aber dennoch tadellos.

Zu guter Letzt noch ein ungewöhnlicher Kunstkalender für begeisterte Botaniker und andere Gemüsefreunde: der „Flora 2017“ mit Aufnahmen des deutsch-türkischen Studiofotografen Tan Kadam. Dieser „hochwertige Kalender mit extra starker Buchbinderpappe“ (O-Ton Verlag) im Format 50 mal 68 Zentimeter wurde, wie die beiden oben erwähnten Palazzi-Kalender, beim Gregor-Award 2017 ausgezeichnet, und zwar mit einer Goldmedaille.

 

 

Die hat er auch redlich verdient, der Kalender und auch der Fotograf, findet der Rezensent. Und zwar nicht nur, weil die Namen der abgebildeten Pflanzen biologenfreundlich in Deutsch und Latein genannt werden. Und auch nicht nur deswegen, weil dieser Kalender in Deutschland gestaltet, gedruckt und verarbeitet wird und weil das verwendete Papier laut Verlag umweltverträglich hergestellt wird.

Sondern auch wegen der ungewöhnlichen Bilder.

 

 

Tan Kadam hat, wie auf dem Kalender zu lesen ist, eine spezielle Arbeitstechnik entwickelt: Er isoliert die Pflanzen „mit Hilfe eines weißen Stoffs“ von ihrer Umwelt und fotografiert sie anschließend mit unterschiedlichen Tiefenschärfen. Dies liefert ihm eine konventionell nicht erreichbare Detailgenauigkeit und ungewöhnlich hell ausgeleuchtete, schattenlose Objekte, von deren Betrachtung kein Hintergrund ablenkt. Und wem ein Kalender zu popelig ist, auch wenn er immerhin 34 Euro kostet und die Bilder absolute „Hingucker“ sind – man kann Tan Kadams freigestellte Pflanzenfotos auch als hochwertige Wandbilder bei Artboxone erwerben. Zum Beispiel als drei Millimeter starke Alu-Dibond-Verbundplatte, in 7-Farb-Direktdruck auf matter, alugebürsteter Oberfläche. Dieser Spaß kostet dann, etwa als „Prachtnelke-Alu-Print“, je nach Größe zwischen 40 (20x30 cm) und 260 Euro (150x100 cm). Für einen „Galerie-Print“ in Maximalgröße auf vier Millimeter starker Acrylglasplatte muss man sogar 449 Euro hinlegen.

Tja, es ist nicht billig, trendy zu sein. Billig hingegen sind die ebenfalls bei Artboxone angebotenen Handyhüllen mit den darauf abgedruckten Pflanzenfotografien des Künstlers. Die kosten zwar nur 19,99 Euro, sind aber reichlich geschmacksverirrt. Wie so manch anderes, was mit drahtloser Kommunikation und neuen Medien zu tun hat.

Aber das ist ein anderes Thema. Frohes Fest und einen guten Rutsch!

Winfried Köppelle



Letzte Änderungen: 20.01.2017