Editorial

Gefloppte Genschere

(14.12.16) Es wäre zu schön gewesen – eine Genome-Editing-Methode, die genauso einfach zu handhaben ist wie CRISPR/Cas9, aber Gene noch zielgenauer und effizienter ansteuert. Am Ende war es eine Luftnummer.
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© flickr-Nutzer Kecko

Chinesische Forscher um Feng Gao und Chunyu Han von der Hebei University of Science and Technology hatten Anfang Mai eine neue Variante des Genom-Editings mit Endonukleasen vorgestellt (). Ähnlich wie bei der etablierten Cut&Paste-Methode CRISPR/Cas9 könne man mit dem neuen Ansatz Genomabschnitte ansteuern, ausschneiden und ersetzen ­– nur noch gezielter und auch in komplizierten Fällen, bei denen die Genschere Cas9 eventuell versagt (wir berichteten).

Der Trick: Statt Cas9 könne man auch das Enzym Argonaute aus Natronobacterium gregoryi (NgAgo) zum gezielten DNA-Editieren verwenden.

Anders als bei Cas9 verpaarten Gao und Kollegen NgAgo mit einzelsträngiger DNA, anstatt mit RNA, als "Guide"-Sequenz. Diese kurze Leitsequenz lenkt die Genschere zum Zielort und ist daher wichtig für dieTreffsicherheit der Methode. Da einzelsträngige DNA weniger anfällig für unerwünschte Sekundärstrukturren sei, gebe es mit NgAgo weniger "Off target"-Effekte. So weit die Versprechungen von Gao und Kollegen, bevor ihre Methode mit der Realität konfrontiert wurde.

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Ein offensichtlicher kleiner Nachteil ist, dass das Konstrukt aus NgAgo und guideDNA erst bei unphysiologischen 55° C zueinander findet. Aber ansonsten sahen die Ergebnisse des Nature Biotechnology Artikels recht viel versprechend aus. Nur: Im eigenen Labor nachkochen konnte das Protokoll bisher niemand, positive Rückmeldungen von Forschern, die erfolgreich Gene mit NgAGO Gene editiert hätten, sucht man vergebens. An mangelndem Interesse seitens der Forscher hat's nicht gelegen.

Erst Neugier, dann Skepsis, schließlich Ernüchterung

Auf die internationale Molekularbiologen-Community losgelassen, sorgte die NgAgo-Methode erst für Aufregung und Neugier, es folgte gesunde Skepsis und schließlich Ernüchterung. Der Stammzellbiologe Paul Knoepfler warnte gleich nach Erscheinen des Papers vor überzogenen Erwartungen: "The jury is still out", und man müsse weitere Daten abwarten. Spätestens nachdem der Australier Gaetan Burgio seine Twitter-Follower quasi in Echtzeit an seinen Replikationsversuchen teilhaben ließ, war klar: Es gibt ein Problem (siehe auch hier).

Burgio hat seine Versuche noch eine Weile fortgeführt und seine gescheiterten Reproduktionsversuche nun bei Biorxiv als Preprint veröffentlicht.

Und nicht nur Gaetan Burgio scheiterte, auch sonst konnte niemand die NgAgo-Methode zum Laufen bringen – obwohl die Autoren später noch detailreichere Versuchsprotokolle nachreichten (nebenbei gefragt: Wieso standen die nicht gleich im Methodenteil des Papers?).

Klappt nicht

Nüchtern betrachtet kann man festhalten: Die NgAgo-Methode klappt einfach nicht. Der (vorerst?) letzte Sargnagel ist eine Korrespondenz, die nun ebenfalls in Nature Biotechnology erschien. Gleich drei Labore beschreiben dort ihre voneinander unabhängigen Replikationsversuche. Allesamt mit klarem Negativ-Ergebnis. Die drei Gruppen um Toni Cathomen (Freiburg), Stephen Ekker (Rochester, USA) und Jin-Soo Kim (Seoul, Südkorea) haben sich eng an das Protokoll der Chinesen gehalten, wobei jede Gruppe einen anderen Aspekt herausgriff.

Die Arbeitsgruppe von Toni Cathomen (Uniklinik Freiburg) nahm sich mit dem Grün-fluoreszierendem Protein (GFP) markierte Zelllinien vor. Eine NgAgo-Attacke auf das GFP-Plasmid sollte die Fluoreszenz eigentlich vermindern, steht im Gao-et-al-Paper.

Doch die GFP-markierten Zellen leuchteten unter den Händen der Freiburger einfach unvermindert weiter, trotz erfolgreich eingebrachter NgAgo-Schere.

NgAgo ist in der Zelle, aber editiert nicht

Gao und Kollegen haben vermeintlich auch gezeigt, dass ihr NgAgo-System nicht nur mit exogenem GFP funktioniert, sondern dass man mit der Genschere auch tatsächlich Zell-eigene Gene unter physiologischen Bedingungen ausschalten kann, mit jeweils Ziel-spezifischen guideDNAs.

Stephen Ekker und seine Kollegen haben diesen Teil des Papers versenkt: Sie haben sich die guideDNAs besorgt und nach dem NgAgo-Schritt per PCR nachgeschaut, ob DNA editiert wurde. Obwohl sie klar zeigen konnten, dass das NgAgo-System korrekt in die Zellen eingebracht wurde, konnten sie keinerlei Veränderung der DNA beobachten.

Die Kim-Gruppe versuchte derweil, vier andere Loci zu editieren, wiederum auf den Fußspuren von Gao und Han. Aber auch hier: Fehlanzeige.

Zusammen mit dem Preprint aus Burgios Labor, einem weiteren Bericht über eine gescheiterte Reproduktion und vielen informellen Berichten, die durchs Netz geistern, dürfte der Käse gegessen sein: NgAgo-Genomediting funktioniert nicht; zumindest nicht so, wie in Nature Biotechnology beschrieben.

Bleibt die Frage, was die Autoren des Papers denn beobachtet haben – ein Artefakt, ein Missverständnis, eine Verwechslung? Ob das noch geklärt wird, und ob es eine offizielle Korrektur oder eine Retraction geben wird?

Währenddessen hat Nature immerhin eine "Editorial Expression of Concern" am Paper angebracht.

Hans Zauner



Letzte Änderungen: 18.01.2017