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Firmenportrait: Die Proteinjäger aus Berlin (Teil 2)

(18.11.16) Im zweiten Teil unseres Online-Firmenportraits erfahren Sie, warum Forscher gerne eine Dienstleistung kaufen, die sie auch locker selbst erledigen könnten, wieso im hippen Berlin nicht nur das Stricken und Obst-Einwecken wieder total "in" ist, sondern auch die vermeintlich antiquierte Edman-Sequenzierung - und vieles mehr.

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Geschäftsführerin Karola Lehmann (2.v.l.) mit ihrem Team
© Julia Eckhoff

(Fortsetzung unseres Online-Firmenportraits von gestern)

- Es dauerte, bis die junge Firma sich etabliert hatte. „Mindestens die ersten fünf Jahre“, schätzt Lehmann, „vielleicht sogar noch etwas länger.“ Das größte Hindernis war die Vermarktung der 2-DE-Analyse. „Es ist natürlich schwierig zu argumentieren, dass man eine Leistung verkauft, die man –gefühlt– auch selbst erledigen könnte“, erklärt Lehmann. Die Begründung war dann bestechend einfach: Die junge Firma bot etablierte Methoden, gut geschmierte Maschinen und Routine. Oder in Lehmanns Worten: „Wir sind die Spezialisten. Wir machen das täglich!“

Bis die Proteome Factory in ihre heutigen Labore einzog, musste sie an zwei anderen Orten ihre Sachen packen. Zunächst war sie in Laboren der Charité in Charlottenburg untergebracht, dann in Mitte. „Da hieß es [von Seiten der Charité] dann irgendwann: Die brauchen wir selber. Dann mussten wir raus“, berichtet Lehmann. 2009 bezogen sie und ihr Team dann ihre Räumlichkeiten im Wissenschaftspark Berlin, Adlershof. In dem funktionalen Gebäude sitzen mehrere kleine Forschungsunternehmen – ideale Bedingungen! „Man kann mal rübergehen und klingeln: ‚Bei uns ist die Zentrifuge gerade defekt. Kann ich bei euch zentrifugieren?’“, schwärmt Lehmann von der guten Nachbarschaft.

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Kein altes Eisen

Im hippen Berlin entdecken viele junge Alternative das Stricken und Einwecken wieder für sich. Dieser Nostalgietrend macht auch an der Labortür nicht halt: Ein sehr nachgefragter Service der Proteome Factory ist die Edman-Sequenzierung. Da andere Firmen die antiquarischen Sequencer zugunsten anderer Geräte abschaffen, profitiert die Firma von dieser (unfreiwillige) Hilfestellung: „Wir merken, dass dahingehend vermehrt Aufträge kommen, weil wir diese Geräte eben noch pflegen“, freut sich die CEO. Heutzutage ist MS die Methode der Wahl für Proteinsequenzierung, doch es gibt eine Schwachstelle: den N-Terminus. Einer MS-Analyse ist in aller Regel ein Trypsin-Verdau vorgeschaltet. Dadurch entstehen Peptide, die anschließend im Massenspektrometer gemessen werden. Jedoch lassen sich zu kleine Fragmente nur schlecht ionisieren.

Dementsprechend entgeht das N-terminale Ende eines Proteins häufig der Analyse. Gerade bei einem pharmakologischen Produkt ist es jedoch wichtig, auch den Anfang zu detektieren, um sicherzustellen, dass es die volle Länge hat. Lehmann erklärt: „Es gibt Tricks, da auch mit MS heranzukommen, doch das ist aufwändiger als die Edman-Sequenzierung“, die gezielt den N-Terminus untersucht.

Das schwächste Glied

Doch mehr Alte Schule als die Edman-Sequencer erlaubt sich die Proteome Factory nicht. Ständig entwickeln sie ihre Methoden – vor allem die massenspektrometrischen – weiter, „um dranzubleiben“, versichert Lehmann. Der Trend gehe weg von der 2-D-Elektrophorese, MS sei die Technik der Gegenwart und Zukunft in den Proteomics. Doch sie hat damit zu kämpfen, dass andere Gebiete nicht hinterherkommen. Ein Beispiel aus dem Alltag der Proteome Factory: Der Auftrag war, Proteinsekrete, sogenannte „Brautgeschenke“, von Heuschrecken zu untersuchen. „Alles lief super, wir haben wunderschöne 2-D-Gele gemacht. Doch es gab leider keine Sequenzinformation zu diesen Organismen, sodass man die Proteine nicht (eindeutig) identifizieren konnte“, berichtet Lehmann. Aufgrund vieler posttranslationalen Modifikationen in der Probe sei in diesem Fall auch de novo Sequenzierung keine Option gewesen. „Man ist eben doch noch sehr abhängig von Sequenzinformationen“, resümiert sie.

Fernziel: Back to the bench

Lehmann ist seit 2004 in der Firma. Über ein gemeinsames Forschungsprojekt kam die Biotechnologin von der Beuth Hochschule für Technik, Berlin, zur Proteome Factory. Als ihr Vertrag an der Hochschule auslief, bot ihr Christian Scheler einen Job an. Mittlerweile ist von den Gründungsmitgliedern nur noch Johann Salnikow der Firma („als Aktieninhaber“) erhalten geblieben, „alle anderen Gründer sind mittlerweile nicht mehr in der Firma“, erzählt Lehmann. Sogar Scheler hat sich bereits vor einiger Zeit aus gesundheitlichen Gründen zurückgezogen, unterstützt die Proteome Factory allerdings noch als Aufsichtsratsmitglied.

Jedoch: Obwohl der Daniel Düsentrieb nicht mehr im Labor sitzt, ist der Forschungsdrang des kleinen Unternehmens nicht gemindert. So formuliert Lehmann als langfristiges Ziel der Firma: „Ich hätte schon gern, dass wir unsere Forschung wieder intensivieren können. Dass wir so viele Aufträge haben, dass wir gesund wachsen, aber uns in Routine und zusätzliche Forschungsarbeit aufteilen, möglicherweise neue Patente entwickeln können.“ Der Grund dafür ist schlicht: „Wenn man Kunden betreut, sieht man immer nur den kleinen Teilaspekt. Viele Firmen sind zudem sehr strikt mit der Geheimhaltung, da bekommt man gar keine Hintergrundinformationen. Man weiß dann erst, wenn es zu einer Veröffentlichung kommt, was man genau untersucht hat. Und außerdem: Es macht einfach Spaß zu forschen!“

 

(Dies war Teil 2 unseres Online-Firmenportraits - ein Feature zur aktuellen Laborjournal-Ausgabe 11/2016 mit dem Titelthema "Protein-Protein-Interaktion". Am gestrigen Donnerstag (17.11.) war in Teil 1 zu erfahren, wie lange es dauerte, bis die junge Firma sich etabliert hatte, was seltene Erden mit der Protein-Quantifizierung zu tun haben, und vieles mehr).

 

Text & Fotos: Julia Eckhoff



Letzte Änderungen: 07.02.2017