Editorial

Zuckerbergs Visionen

(27.10.16) Der Facebook-Gründer will die Krankheiten abschaffen. Ob die Krankheiten dabei mitmachen werden?
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Priscilla Chan und Mark Zuckerberg
© Lukasz Porwol

Spätestens seit der herrlichen Kino-Doku „The Social Network“ wussten wir es: Mark Zuckerberg, schwerreicher Gründer und Hauptaktionär von Facebook, ist ein Großmaul. Auch wenn sich das 2010 von David Fincher mit Jesse Eisenberg in der Hauptrolle inszenierte Drama nicht streng an die realen Fakten hält – der im kalifornischen Palo Alto lebende Zuckerberg dürfte seinem filmischen Pendant zumindest charakterlich nicht völlig unähnlich sein. Dies deutet zumindest eine Nachricht an, die Zuckerberg kürzlich während eines privaten Auftritts an der University of California in San Francisco (UCSF) verbreiten ließ: Der Internet-Unternehmer möchte bis 2100 alle Krankheiten heilen.

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Ja: alle. Zuckerberg und seine Gattin Priscilla Chan wollen dafür bis 2025 zunächst drei Milliarden Dollar aus ihrem Privatvermögen zur Verfügung stellen, kündigten sie letzte Woche in San Francisco an. Langfristig planten die beiden, 99 Prozent ihres Vermögens von 56 Milliarden Dollar dafür sowie für Bildungsprogramme zu spenden, hatten sie schon vor längerem angekündigt. Ihr ehrgeiziges Ziel einer globalen, krankheitsfreien Welt möchten die beiden bis zum Ende des 21. Jahrhunderts – „noch zu Lebzeiten unserer Kinder“ – erreichen. „Wir glauben, dass das möglich ist“, so Priscilla Chan weiter.

Nun heißt „glauben“ ja bekanntermaßen lediglich, dass man nichts weiß. Wer wüsste dies besser als Milliardärskollege Bill Gates. Der Microsoft-Gründer träumte einst von ganz ähnlichen Erfolgen. Er gründete dazu 1994 die „William H. Gates Foundation“, aus der fünf Jahre später die Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung wurde – die dank ihres derzeitigen Stiftungskapitals von 43 Milliarden US-Dollar die mit Abstand größte private Stiftung der Welt. Alljährlich schüttet die Gates-Stiftung rund vier Milliarden Dollar aus – für Agrarpolitik und grüne Gentechnik, die Behandlung und Bekämpfung von Krankheiten sowie (nur in den USA) für Bildungsprogramme.

Schwerpunkte der Gates’schen Krankheitsbekämpfung sind die AIDS-Therapie sowie zahlreiche Impfstoff-Forschungs- und Entwicklungsprojekte (unter anderem in punkto AIDS, Tuberkulose und Malaria sowie Kinderkrankheiten wie Diphtherie, Keuchhusten und Masern). Die Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung ist international zu einem mächtigen politischen Faktor geworden – längst viel zu einflussreich, wie immer wieder kritisiert wird. Das Budget der Weltgesundheitsorganisation WHO etwa wird derzeit zu rund 11 Prozent von der Stiftung beglichen. Die komplette Nation USA überweist weit weniger an die WHO. Zudem sei die Gates-Stiftung über ihre Auftragsvergabe eng mit zahlreichen Pharmakonzernen verquickt, deren Aktien die Stiftung und auch der Privatmann Bill Gates besäßen.

Doch trotz des enormen Kapitaleinsatzes ist es dem Ehepaar Gates und den von ihm unterstützten Legionen an Wissenschaftlern und Forschungsinstituten bislang nicht gelungen, auch nur eine einzige der Krankheiten zu besiegen, die man vor 20 Jahren ins Visier genommen hat. Speziell die Beispiele AIDS und Malaria, auf die sich die Gates-Stiftung zuletzt besonders konzentriert haben, offenbaren den Trugschluss der schwerreichen Spender: Man kann nicht einfach eine Seuche ausmerzen, bloß weil man sich das einbildet und viel Geld dafür ausgibt. Wissenszuwachs und technologisches Know-how sind weder voraussagbar und man kann man sie auch nicht im Laden kaufen.

Man sollte auch nicht außer Acht lassen, dass vier Milliarden Dollar jährlich zwar eine enorme Summe sind. Weltweit werden für Entwicklung und Gesundheit allerdings eine Vielfaches – nämlich 140 Milliarden Dollar pro Jahr – ausgegeben.

Angesichts dieser Zahlen erscheint Mark Zuckerbergs ambitioniertes Ziel der globalen Krankheitsausrottung dann doch reichlich lächerlich – auch wenn der Grundgedanke, sein Vermögen für wohltätige Zwecke zu verwenden, natürlich löblich ist. Doch selbst dem in Sachen Stiftungswesen und Gesundheitspolitik unendlich erfahrenerem Bill Gates ist es ja trotz allem Aufwand bislang nicht einmal gelungen, die Malaria einzudämmen. Plasmodium und Anopheles sind einfach raffinierter als die mit den Milliarden eines Software-Unternehmers gefundenen "innovativen" Therapeutika.

Zuckerbergs oberste Projektleiterin soll fürs erste die amerikanische Neurobiologin Cornelia („Cori“) Bargmann werden, die Gattin des Nobelpreisträgers von 2004, Richard Axel. Bargmanns Modellorganismus ist der Fadenwurm C. elegans; damit entdeckte sie vor rund zehn Jahren unter anderem das Molekül SYG-1, das bei der Entstehung neuronaler Verbindungen eine wichtige Rolle spielt. 2013 erhielt sie den mit drei Millionen Dollar dotierten „Breakthrough Prize in Life Sciences“ zugesprochen.

In den kommenden Jahren will Zuckerberg mit 600 Millionen Dollar in San Francisco zunächst ein Institut namens „Biohub“ schaffen. Dort sollen dann Wissenschaftler der Stanford-Universität und der University of California tätig sein, kündigte er an.

Zuckerberg erwähnte nicht, ob er sie gefragt hätte, ob sie dies überhaupt wollten.

Winfried Köppelle



Letzte Änderungen: 17.11.2016