Editorial

Cannabinoid-Rezeptor macht Spermien scharf

(31.8.16) Bochumer und Bonner Biologen haben in Spermien einen Cannabinoid-Rezeptor entdeckt. Dieser gibt den Startschuss für die Akrosomenreaktion, mit der das Spermium das Eindringen in die Eizelle einleitet.
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© Bantam Doubleday, 1990

(Die Uni Bochum berichtet in ihrer – von uns geprüften und leicht überarbeiteten – Pressemitteilung folgendermaßen über die Arbeit:)

 

Um in die Eizelle zu gelangen, muss das Spermium zunächst die schützende Eihülle aufbrechen. Dazu setzt es Verdauungsenzyme frei, wobei die Hülle an seiner Spitze verloren geht. Diese sogenannte Akrosomenreaktion gilt im Labor als ein Test, um die Befruchtungsfähigkeit der Samenzellen zu beurteilen.

Eine wichtige Rolle dabei spielt ein Rezeptor für ein körpereigenes Cannabinoid. Bochumer und Bonner Biologen um den Zellphysiologen Hanns Hatt haben ihn bei einer vollständigen Bestandsaufnahme der sogenannten G-Protein-gekoppelten Rezeptoren in Spermien erstmals nachgewiesen.

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Das Bochumer Team, das eigentlich auf Riechforschung spezialisiert ist, hatte Anfang des Jahres bereits 60 Riechrezeptoren in Spermien nachgewiesen – und zehn davon aktiviert und lokalisiert. „Bei der aktuellen Arbeit haben wir uns auf alle übrigen G-Protein-gekoppelten Rezeptoren konzentriert, die eben keine Riechrezeptoren sind, sondern andere Substanzen binden“, erklärt Hanns Hatt.

Die Forscher untersuchten an Proben zahlreicher Spender, welche Gene in Spermien abgelesen werden, und schlossen so auf 223 verschiedene Rezeptoren. Zu den drei am häufigsten vorkommenden gehört der Rezeptor GPR18, ein erst vor kurzem erstmals beschriebener Cannabinoid-Rezeptor.

„Der Rezeptor reagiert sowohl auf den pflanzlichen Cannabis-Wirkstoff THC als auch auf die körpereigene Fettsäure NAGly, die zum Cannabinoidsystem gehört“, so Hatt. „Er ist wesentlich empfindlicher für NAGly als die beiden klassischen, schon lange bekannten Cannabinoid-Rezeptoren."

Eine Aktivierung des Rezeptors, der im Mittelteil der Spermien sitzt, kann die sogenannte Akrosomenreaktion einleiten. Dabei verändert das Spermium seine Oberfläche und verbindet sich mit der Hülle der Eizelle. Diese Reaktion ist eine unabdingbare Voraussetzung für das Eindringen des Spermiums in die Eizelle.

Man weiß, dass Cannabinoide sowohl in im männlichen als auch im weiblichen Genitaltrakt vorkommen. Studien legen nahe, dass ihre Konzentration bei der Frau an den fruchtbaren Tagen erhöht ist. „Das Cannabinoid schaltet die Spermien gewissermaßen scharf“, meint Hanns Hatt.

Der GPR18-Rezeptor kommt auch in anderen Geweben des Körpers vor, zum Beispiel im Gehirn oder im Herzen. Welche genauen Reaktionen die Cannabinoid-Bindung dort auslöst, bleibt noch zu klären.


Originalveröffentlichung:

Caroline Flegel et al.: Characterization of non-olfactory GPCRs in human sperm with a focus on GPR18. In: Scientific Reports, 2016, DOI: 10.1038/srep32255



Letzte Änderungen: 22.09.2016