Editorial

50 Shades of Piep

(23.2.16) Was piepst denn da? Unsere (andere) TA über die akustischen Botschaften von Kühlschränken, Zentrifugen und Autoklaven.
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Ich stehe im Flur und wünsche mir, ich wäre eine Eule.

Die können ja das leiseste Piepen im Unterholz auf den Millimeter genau orten und die lautverursachende Maus zielgerichtet packen.

Eben diese Fähigkeit vermisse ich gerade. Nicht das mit dem Packen, ich würde die Maus schon davonkommen lassen. Aber das Ortungssystem der nächtlichen Jäger könnte ich gebrauchen.

Von irgendwoher dringt ein ungeduldiges Piepen an meine Ohren.

Das alleine wäre kein Grund zur Besorgnis. Doch wer im Labor arbeitet, der weiß, dass Ignoranz gegenüber Piepgeräuschen ernsthafte Konsequenzen nach sich ziehen kann. Es sind schon vollbestückte -80°C-Schränke abgetaut, weil ihr verzweifelter Alarmruf ungehört verhallte. Deshalb bemühe ich mich sehr um eine exakte Lokalisierung der Geräuschquelle.

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Leider erschwert die große Anzahl potentiell Piepgeräusche verursachender Geräte dieses Vorhaben. Das zarte, servile FIIEP der Zentrifugen, das etwa ausdrücken soll:

„Euer Pellet ist bereit, Herrin!“,

das kraftvoll stolze PIEP des Autoklaven:

„Die Teufelsbrut ist vernichtet!“,

oder das panische, alles durchdringende PIIIEEEP, mit dem der Abzug uns vor plötzlich auftretendem Unterdruck warnt, sind nur ein paar Beispiele.

Aber dieses Piepen ist anders, leise, es scheint aus dem Nirgendwo zu kommen. Deshalb meine Idee mit der Eule. Soll ich uns eine Laboreule besorgen?

Das würde zu lange dauern. Eulen haben bestimmt eine mehrwöchige Lieferfrist und es piept jetzt. Also versuche ich es weiterhin mit dem mir von der Natur geschenkten Ortungssystem und drehe meinen Kopf in alle Richtungen. Rechtes Ohr, linkes Ohr. Hm, könnte aus der Tür am Ende des Ganges kommen. Ich öffne die Tür und horche hinein.

Nichts.

Warum piepen überhaupt so viele Geräte?

Können sich die Hersteller nicht mal was anderes einfallen lassen, um Betriebsende, Komplikationen oder dergleichen zu signalisieren? Schließlich existiert eine ganze Klaviatur akustischer Lautmöglichkeiten.

Unsere Sorvall-Zentrifuge etwa ist ein elaboriertes Beispiel der Signaltondiversifikation. Tippt man sich bis tief in die Systeme vor, kann man den Signalton ändern. Immerhin drei Optionen stehen zur Auswahl. Ein einzelner Piep, ein melodischer Dreifachpiep und als Krönung „My bonnie is over the ocean“. Tolle Sache. Es gibt nichts besseres, um seine Kollegen am 1. April eine Freude zu bereiten.

Es piept immer noch.

Ich trete wieder auf den Gang hinaus und versuche erneut, das Geräusch anzupeilen. Jetzt bin ich sicher: Es kommt aus der Richtung des Autoklavenraums.

Aber der Autoklav kann es nicht sein. Der piept anders.

Meine Kollegin eilt an mir vorbei. „Warum schaltest du den Autoklaven nicht aus? Der ist fertig!“

Wie sich herausstellt, hat der tapfere Recke seinen Vernichtungsfeldzug gegen die gentechnisch veränderten Organismen erfolgreich geschlagen. Bleibt das eine gewisse Zeit unbeachtet, wechselt er den Piepton eigenmächtig von Fertigpiepen zu Ungeduldspiepen.

Ich fasse zusammen:

Weil der Autoklav sich ignoriert fühlt, ändert er seinen Signalton dahingehend, dass ich selbigen nicht mehr mit ihm in Verbindung bringe, weswegen ich ihn erst recht ignoriere. Bei dem piept´s wohl.


Maike Ruprecht



Letzte Änderungen: 03.03.2016