Editorial

Heldensagen

(21.1.16) Wer hat CRISPR/Cas erfunden? Die Version der Entdeckungsgeschichte, die der US-Genetiker Eric Lander jetzt vorlegte, sorgt für Aufregung. Spielt er die Beiträge von Jennifer Doudna und der frisch gebackenen Berliner Max-Planck-Forscherin Emmanuelle Charpentier absichtlich herunter?

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Eric Lander

Die Genome-Editing-Methode CRISPR/Cas muss man den Laborjournal-Lesern nicht mehr vorstellen (siehe z.B. hier und hier). Der molekularbiologische Trick mit den dirigierbaren molekularen Scheren ist zweifellos eine der ganz großen Entdeckungen der letzten Jahre. Da ist es doch schön, wenn sich ein viel beschäftigter Mensch wie der Direktor des Bostoner Broad Instituts, Eric Lander, die Zeit nimmt, die Entdeckungsgeschichte der Methode nachzuzeichnen (Cell 164: 18-28). Denn in der Geschichte von CRISPR gab es, wie eigentlich bei allen großen Entdeckungen in der Molekularbiologie, nicht den einen großen Durchbruch, nicht den einen Geniestreich eines brillanten Forschers. Auch die CRISPR/Cas-Story besteht aus vielen kleinen Episoden; aus technischen Vorarbeiten, die damals oft kein großes Aufsehen erregten. Vielleicht weil nur wenige die Phantasie hatten zu erkennen, wo das alles hinführt. Landers Version der Geschichte heißt daher auch "The Heroes [Mehrzahl!] of CRISPR".

... und plötzlich sind alle sauer

Aber Moment mal, warum sind denn jetzt alle so böse auf den Herrn Lander? Am lautesten öffentlich gemosert hat Michael Eisen, Genomiker an der Universität Berkeley, der sich in einer langen Reihe von Tweets echauffierte.

(Storify v. Jonathan Eisen)

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Aber hat sich Lander nicht extra Mühe gegeben, auch die weniger bekannten Namen der CRISPR-Story rauszukramen, damit alle beteiligten Wissenschaftler ein paar Scheinwerferstrahlen abbekommen? Genau das ist aber der fiese Trick, sagen die Kritiker. Denn die zwei Namen, die im Zusammenhang mit der Entdeckung von CRISPR sonst vor allem fallen, sind Jennifer Doudna (University of California, Berkeley) und Emmanuelle Charpentier (jetzt Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie, Berlin).

Indem Lander nun die Leistungen von zwei Handvoll anderen Forschern quasi auf eine Stufe mit den Entdeckungen von Doudna und Charpentier stellt, erscheine der Beitrag der beiden Forscherinnen plötzlich nicht mehr als entscheidende Pioniertat, sondern eher als eine Fußnote unter vielen. So zumindest der Eindruck vieler Kommentatoren in den vergangenen Tagen.

Die Patentanwälte reiben sich die Hände

Und wozu sollte Lander das tun? Ach ja, da ist noch Feng Zhang, ein Mitarbeiter an Landers Broad Institute in Boston. Zhang hat ebenfalls zur CRISPR-Saga beigetragen, und – das ist jetzt der Knackpunkt – der Forscher hat ein Patent auf die Methode zugesprochen bekommen. Die University of California geht dagegen vor und sieht die Priorität bei Doudna und Charpentier. Die Details dieses erbittert geführten Verfahrens sind komplex und eine Freude für Patentanwälte (siehe hier).

Ein Gericht in den USA hat jetzt jedenfalls die Eröffnung eines sogenannten "Interference"-Verfahrens angekündigt. Das ist eine komplizierte Prozedur, um bei zwei konkurrierenden Patenanträgen in einer "Winner-Takes-It-All"-Entscheidung festzustellen, wem Priorität gebührt. Anhand von Publikationen, aber auch mit Belegen aus Laborbüchern und sonstigen Aufzeichnungen, werden die Streitparteien zu beweisen versuchen, wer zuerst die zündende Idee hatte und wem der entscheidende Durchbruch zur Patentwürdigkeit gelang.

Da darf man schon fragen, warum der Ausflug des Genetikers Lander in die Geschichtsschreibung ausgerechnet jetzt erscheint? Könnte es etwas damit zu tun haben, dass der CRISPR-Patentstreit mit Doudna und Charpentier gerade in die heiße Phase eintritt?

Doudna und Charpentier: "Nicht korrekt, nicht vollständig"

Es drängt sich schon der Verdacht auf, dass Lander eine für Zhang und sein Broad Institute schmeichelhafte, aber nicht unbedingt akkurate Version der Geschichte auftischt. Denn Lander feiert vor allem den allerletzten Schritt der Entdeckungsgeschichte als Höhepunkt der jahrzehntelangen Entwicklung: Die Anwendung der zuvor schon etablierten Methode in Säugerzellen. Denn hierzu – so ein Zufall aber auch – hat Zhang seinen wichtigen CRISPR-Beitrag geliefert.

Doudna und Charpentier haben mittlerweile in der Diskussionsplattform PubMedCommons je einen kurzen Kommentar hinterlassen: Die Beschreibung ihrer Beiträge sei nicht korrekt und nicht vollständig, betonen die Forscherinnen unisono.

Dass Cell Landers Review zu diesem Zeitpunkt gedruckt hat, pünktlich zur entscheidenden Runde im millionenschweren Patentstreit, und dass weder Lander noch das Journal auf den Interessenkonflikt des Autors hinweisen, ist jedenfalls ein starkes Stück.


Hans Zauner
Foto: Eric Lander /Broad Inst.



Letzte Änderungen: 28.04.2016