Editorial

Leuchtende Kohlenstoff-Dots aus Bier

(19.1.16) Kohlenstoff-Quantenpunkte oder Carbon-Dots (C-Dots) sind die neuesten Stars unter den Nanomaterialien. Gewinnen kann man die leuchtenden C-Dots sogar aus Bier.
editorial_bild

Einige Forscher feiern die C-Dots bereits als nächstes großes kleines Ding der Nanowelt. Amerikanische Chemiker hatten die winzigen, graphitartigen Kohlenstoffkügelchen mit einem Durchmesser unter 100 Nanometern 2004 per Zufall entdeckt. Aufgrund ihrer Photolumineszenz verwenden Biowissenschaftler die C-Dots zunehmend als Farbstoff, beziehungsweise als optische Marker in verschiedenen Bioimaging-Verfahren wie der Lebendzell-Mikroskopie.

Zwar ist noch nicht im Detail geklärt wie die Photolumineszenz-Prozesse funktionieren, die ausgelöst werden, sobald UV- oder sichtbares Licht auf C-Dots trifft. Klar ist jedoch, dass das von C-Dots emittierte Lichtspektrum nicht vom Material abhängt, wie etwa bei den verwandten Quanten-Dots (die zumeist unterschiedliche Schwermetalle enthalten). Das ausgesandte Lichtspektrum wird vielmehr im Wesentlichen vom Durchmesser der bestrahlten Kohlenstoffkügelchen beeinflußt.

Editorial

Wie geschaffen für Bioimaging

C-Dots sind wie geschaffen für Bioimaging-Experimente von Zellen oder lebenden Organismen, denn sie enthalten keine toxischen Schwermetalle, sie sind physikalisch und chemisch stabil, verteilen sich gut im Wasser, zeigen keine Blinkeffekte während der Lichtemission und neigen auch nicht zum Ausbleichen.

Bleibt nur ein Problem: Die Herstellung von C-Dots ist entweder kompliziert und umständlich, oder die Ausgangsmaterialien sind teuer. Geeignet für die Synthese von C-Dots sind im Grunde alle Materialien, die genügend Kohlenstoff enthalten: Graphit, Kohle, Kohlenstoff aus Bogenentladungen oder Laserablationen, Graphen, Kerzenruß; aber auch Kohlenhydrate, mehrwertige Alkohole, Harnstoff sowie Aminosäuren. Die Gewinnung der C-Dots aus diesen Substanzen erfordert jedoch zumeist aufwändige oder teure chemische und/oder physikalische Verfahren.

Eine weitere, in jeder Kneipe erhältliche Kohlenstoffquelle, aus der sich einfach und schnell biokompatible C-Dots gewinnen lassen, haben Forscher jedoch lange Zeit übersehen: Bier! Die Idee, C-Dots aus Bier zu isolieren, hatte keine bayerische, sondern eine chinesische Gruppe um den Lebensmitteltechnologen Mingqian Tan von der Dalian Polytechnic University. Tans Gruppe fand bereits vor zwei Jahren C-Dots in Nescafe (Jiang et al., Talanta 127, 68-74).

Pils und Tsingtao als C-Dot-Quelle

Daraufhin untersuchten die Forscher fünf kommerzielle Getränke auf ihre Eignung als C-Dot-Lieferanten, darunter das russische Malzbier, Kvass, sowie ein Pils aus Ecuador (Liao et al., J. Agric. Food Chem. 63, 8527-33). Tatsächlich stießen die Chinesen bei allen fünf Getränken auf C-Dots mit Durchmessern von 5 bis 39 nm, die sie mit einem simplen Gelpermeations-Chromatographie-Verfahren isolierten.

Auch bei der chinesischen Biersorte Tsingtao, die deutsche Siedler vor etwas mehr als hundert Jahren nach China brachten, fiel der Gruppe ein fluoreszierendes Leuchten auf, das offensichtlich von Bier-C-Dots (BCDs) herrührt. Die Chinesen isolierten daraufhin die BCDs aus dem Tsingtao-Bier und testeten sie für das Imaging von Brustkrebszellen sowie als Wirkstoffträger (Anal. Methods 7: 8911-17). Für die BCD-Extraktion rührten die chinesischen Wissenschaftler 100 ml des Tsingtao-Biers bei Raumtemperatur, um zunächst gelöste Gase zu entfernen, und konzentrierten das entgaste Bier danach in einem Rotationsverdampfer.

Ein Prosit der Säulenchromatographie

Dieses Konzentrat filterten sie durch einen 0,22 µm-Filter, um größere Partikel zu entfernen, und trugen es anschließend auf eine Sephadex G-25-Gelpermeations-Chromatographie-Säule auf, die sie mit Wasser eluierten. Die BCDs detektierte die Gruppe mit einer UV-Lampe, lyophilisierte sie und lagerte sie schließlich bei 4°C. Mit diesem einfachen Extraktionsverfahren erhielten die Chinesen aus 100 ml Bier etwa 1.2 g gefriergetrocknete BCDs.

Für Wirkstoffträger-Experimente konjugierten Tan und Co. die BCDs mit dem Anti-Brustkrebs-Wirkstoff Doxorubicinhydrochlorid (DOX). Hierzu lösten sie 40 mg BCDs und 5 mg DOX in 5 ml Reinstwasser und stellten den pH-Wert mit 1M wässriger NaOH auf 8 ein. Die Mischung rührten die Chinesen 24 Stunden bei Raumtemperatur im Dunkeln, fällten die erhaltenen DOX-BCDs anschließend mit Alkohol, zentrifugierten das Präzipitat und wuschen es mit Ether. Im letzten Schritt trocknete die Gruppe die DOX-C-Dots schließlich im Stickstoffstrom.

Bescheidene Ausbeute der Bier-Extraktion

Analysen mit dem Transmissionselektronenmikroskop ergaben, dass die BCDs nicht aus einer Mischung organischer Substanzen bestehen, sondern monolytisch aufgebaut sind und einen durchschnittlichen Durchmesser von 2,5 nm aufweisen. Ihre Fluoreszenzmaxima hängen von der Wellenlänge des Anregungslichts ab und liegen zwischen 420 und 480 nm. Die größte Quantenausbeute von etwas mehr als sieben Prozent zeigen die Bier-C-Dots bei einer Wellenlänge von 340 nm. Das ist zwar sehr bescheiden – die Quantenausbeute "konventioneller" C-Dots liegt teils über 80 Prozent – reicht aber offensichtlich für das Lebendzell-Imaging aus. Tan et al. inkubierten MCF-7-Brustkrebszellen für 36 Stunden mit 40 mg/ml BCDs und beobachteten die Zellen anschließend in einem Konfokalen Laserscanning-Mikroskop nach der Anregung mit 405 nm Laserlicht. Im Gegensatz zu den Kontrollen ohne BCDs leuchteten die mit BCDs behandelten Zellen hell auf, wobei die Fluoreszenzsignale überwiegend aus dem Zytosol stammten.

Ob BCD-DOX-Konjugate als Wirkstoffträger taugen, untersuchten Tans Mitarbeiter ebenfalls anhand von MCF-7-Zellen. Sie setzten diese zwei Tage verschiedenen Dosen BCD-DOX und freiem DOX aus und verglichen die zelltoxische Wirkung der beiden Substanzen mit einem Zellviabilitätstest (MTT-Assay). Bei Konzentrationen bis etwa 0,3 mg/L war die zytotoxische Wirkung von BCD-DOX und freiem DOX identisch. Lag die Konzentration jedoch höher, so führte freies DOX deutlich schneller zum Tod der Zellen als BCD-DOX. Die chinesische Gruppe vermutet, dass die BCD-DOX-Moleküle den Wirkstoff DOX kontrolliert abgeben.

Spinnt man diese Idee weiter, so sollte BCD-DOX auch weniger toxische Nebenwirkungen bei der Brustkrebstherapie verursachen als freies DOX.

Bis BCDs tatsächlich in der Krebstherapie eingesetzt werden können, müssen Tan und seine Leute jedoch noch einige Flaschen Tsingtao-Bier im Roti eindampfen. Nachschub gibt es in China, dem größtem Bierproduzenten der Welt, jedenfalls genug.


Harald Zähringer
Illustration: (c) Nitr/Fotolia   



Letzte Änderungen: 28.04.2016