Editorial

Spezialisierte TAs bald arbeitslos?

(22.12.15) Die Neufassung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes ging kürzlich durch den Bundestag und soll 2016 in Kraft treten. Eigentlich soll damit die Situation der Beschäftigten verbessert werden. Unter einigen TAs geht aber die Angst vor Arbeitslosigkeit um.
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November 2015: Bei der Laborjournal-Redaktion geht die E-Mail einer Technischen Assistentin ein. Sie und einige ihrer Kollegen bangen demnach um ihre berufliche Zukunft und befürchten, durch die Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes (WissZeitVG) künftig „massiv schlechter gestellt“ zu sein. Der Grund: Auch nichtwissenschaftliches Personal wie Medizinisch- oder Biologisch-Technische Assistenten konnte bislang unter bestimmten Voraussetzungen nach WissZeitVG befristet werden; dann nämlich, wenn deren Stelle überwiegend aus Drittmitteln finanziert wird.

Ein solcher nach WissZeitVG befristeter Vertrag sichert derzeit die Beschäftigung der TA, die uns kontaktiert hat. Der entsprechende Satz in Paragraph 2 Absatz 2 ist in der kürzlich vom Bundestag verabschiedeten Neufassung aber gestrichen worden. Künftig ist das WissZeitVG also nur noch auf wissenschaftliches Personal anwendbar. Nichtwissenschaftliche Kräfte müsste man dann nach den Spielregeln des auch außerhalb der Forschung gültigen Arbeitsrechts befristen. Werden auslaufende Verträge betroffener TAs jetzt nicht mehr verlängert, weil die Arbeitgeber Klagen auf unbefristete Verträge fürchten? Wird eine Gesetzesreform, die Arbeitnehmer besser stellen sollte, zu mehr Arbeitslosigkeit führen?

Editorial

Wir sind dem konkreten Fall nachgegangen, haben mit der betroffenen TA und ihrem Chef gesprochen und einen weiteren Gruppenleiter des Instituts befragt. Ebenfalls beim Gespräch dabei war jemand, der bestimmte drittmittelfinanzierte Projekte der Uni geschäftsführend koordiniert. Die Interviewpartner verlangten die Zusicherung, den Beitrag vor Veröffentlichung sehen zu dürfen – und zogen ihre Erlaubnis zum Abdruck ihrer Namen und Zitate nach Lesen des Entwurfs zurück. Man sei mit der Berichterstattung des Autors nicht einverstanden, sehe sich falsch und aus dem Zusammenhang gerissen zitiert.

WissZeitVG gilt nicht mehr für TAs

Wir respektieren den Wunsch der Interviewten und sprechen daher nur von einer Universität irgendwo in Deutschland. Die TA, um die es geht, ist in einem Drittmittelprojekt befristet beschäftigt. Hauptaufgabe der Assistentin sind nach Angaben der Gruppenleiter keine regelmäßig anfallenden Daueraufgaben, sondern spezielle Tätigkeiten, die nur im Rahmen des konkreten Projekts gefordert sind. Das nichtwissenschaftliche Personal sei immer für die gesamte bewilligte Projektdauer eingestellt, müsse sich also nicht an Einjahresverträgen entlang hangeln. Falls ein Projekt verlängert wird, würde man auch die Arbeitsverträge entsprechend verlängern. Offenbar kommt das WissZeitVG hier also nicht missbräuchlich zum Einsatz, sondern wirklich „im Sinne des Erfinders“.

Was aber, wenn man das nichtwissenschaftliche Personal jetzt aus dem WissZeitVG herausnimmt? In diesem Fall müsste man sich für eine Befristung auf das allgemein im Arbeitsrecht gültige Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) berufen. Paragraph 14 nennt eine Reihe von Befristungsgründen, auf die man sich stützen kann. So etwa, wenn „die Eigenart der Arbeitsleistung die Befristung rechtfertigt“, oder „der betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung nur vorübergehend besteht“.

Diese Voraussetzungen sollten doch bei Aufgaben, die im Rahmen von Drittmittelprojekten anfallen, gegeben sein. Die Personalverwaltung habe aber klar signalisiert, dass sie TAs nicht auf Grundlage des TzBfG befristen könne. Es seien nämlich Fälle bekannt, in denen sich nichtwissenschaftliches Personal über solch eine Befristung in unbefristete Stellen hineingeklagt hätte. Demnach fehle die rechtliche Sicherheit, außerdem bilde das allgemein gültige Arbeitsrecht nicht die Besonderheiten im Forschungsbetrieb ab.

Besonderheiten bei Drittmittelprojekten

An dieser Stelle hätten wir gern wortwörtlich Argumente der am Institut befragten Forscher zitiert. Stattdessen geben wir hierzu sinngemäß und in eigenen Worten einige Punkte wieder, die aus Sicht der Interviewpartner für die bisherige Befristungsmöglichkeit per WissZeitVG bei Drittmittelprojekten sprechen:

- Drittmittelfinanzierte Projekte haben besondere Forschungsinhalte, für die man Personal mit besonderer Spezialisierung braucht. Das gilt auch für TAs, die dann eben nicht einfach Daueraufgaben übernehmen, sondern auf das Projekt zugeschnittene Fähigkeiten entwickeln. Die Gruppenleiter bauen dieses Personal über Jahre auf und möchten ihre Leute nicht verlieren, nur weil die Uni keinen befristeten Vertrag mehr anbieten kann. Das WissZeitVG bot hier bislang Rechtssicherheit.

- TAs in solch spezialisierten Projekten suchen nach besonderen Herausforderungen und nehmen dafür bewusst eine gewisse berufliche Unsicherheit in Kauf, anstatt sich auf Dauerstellen zu bewerben. Da sie aber besondere Fähigkeiten mitbringen oder solche im Projekt erlernen, werden sie ohnehin keine Probleme haben, nach Projektende woanders eine Anstellung zu finden. Sie haben also durch drittmittelbefristete Verträge keinen unzumutbaren Nachteil, sondern sogar gute Chancen für ihre berufliche Zukunft.

- Von den Universitäten kann man nicht verlangen, dass sie TAs in Drittmittelprojekten unbefristete Verträge anbieten. Auch dann nicht, wenn ein Förderprogramm schon ein oder zwei mal verlängert wurde. Denn ein Institut braucht auch die Möglichkeit, sich thematisch umzuorientieren und andere Professoren zu berufen. Dann gibt es nämlich vollkommen neue Aufgaben, für die eine hochspezialisierte TA aus einem anderen Projekt nicht ‚mal eben’ umgeschult werden kann. Daher muss ein Institut auch die Möglichkeit haben, sich in diesem Fall von solchen Mitarbeitern zu trennen und kann nicht das Risiko tragen, diese in unbefristete Verträge nehmen zu müssen. Und für regelmäßige Daueraufgaben beschäftigen Universitäten ja bereits TAs auf unbefristeten Stellen.

Auch die DFG fürchtet, dass sich die Rahmenbedingungen für die erfolgreiche Durchführung von Forschungsprojekten verschlechtern werden, wie der Forschungsförderer in einer Stellungnahme vom November 2015 zur Gesetzesnovelle schreibt. Der Abschluss mehrerer befristeter Arbeitsverträge hintereinander nach TzBfG stelle höhere rechtliche Anforderungen, so dass laut DFG „die Sorge besteht, dass Forschungseinrichtungen zu dem Schluss kommen werden, die erforderlichen Spezialisten nicht mehr rechtssicher befristen zu können und ihnen dann gar kein Beschäftigungsverhältnis anbieten.“ Am Institut, das wir nicht nennen wollen, hat daher nicht nur das technische Personal Angst, auf der Straße zu landen. Auch die Gruppenleiter fürchten, ihre qualifizierten Fachkräfte zu verlieren, die sie über Jahre aufgebaut haben und gern halten würden.

Panikmache?

Stirbt der nichtwissenschaftliche Mitarbeiter als spezialisierte Fachkraft also wegen einer unüberlegten Gesetzesnovelle aus? Werden viele von ihnen nach Auslaufen der Verträge in der Arbeitslosigkeit landen? Andreas Keller, Stellvertretender Vorsitzender der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), hat für diese Argumentation wenig Verständnis. „Die Arbeitgeber möchten gern 100 Prozent des Risikos auf die Beschäftigten verlagern, aber das ist natürlich nicht fair“, sagt er und ärgert sich über Schreckgespenster, die derzeit an die Wand gemalt werden. „Meines Erachtens ist das Panikmache; da versucht man jetzt, Stimmung gegen dieses Gesetz zu machen“.

Für Drittmittelprojekte hält Keller die Befristungsgründe im TzBfG für ausreichend, räumt aber ein, dass die Anforderungen höher seien als im WissZeitVG. „Man kann da nicht über 15 Jahre hinweg Zeitverträge vergeben“, stellt er klar. „Und gerade bei drittmittelstarken Unis oder Forschungseinrichtungen kann man annehmen, dass nicht von heute auf morgen alle Drittmittel wegfallen werden“, so Keller. Und wenn doch, dann gebe es auch im Öffentlichen Dienst grundsätzlich die Möglichkeit, aus betrieblichen Gründen zu kündigen, auch wenn die Hürden dort recht hoch seien. „Aber wenn eine Uni daraus den Schluss zieht, überhaupt kein technisches Personal mehr einzustellen, dann ist das eine seltsame Form, mit so einem Risiko umzugehen.“

Glaubt man Kellers Worten, sollte es keine Probleme geben, für ein Drittmittelprojekt Mitarbeiter über das TzBfG zu befristen. Allenfalls wird es komplizierter, wenn kontinuierlich über viele Jahre hinweg Drittmittel fließen. Keller betont an dieser Stelle, dass es ohnehin erst seit 2007 die Möglichkeit gibt, nichtwissenschaftliches Personal über das WissZeitVG zu befristen. „Trotzdem wurden auch vorher schon nichtwissenschaftliche Mitarbeiter befristet in Drittmittelprojekten eingestellt“, entkräftet Keller die Argumentation gegen die Gesetzesnovelle.

Personaldezernat scheint entspannt

Warum hat die Universität dann ein Problem damit, ihren drittmittelfinanzierten TAs künftig weiterhin Arbeitsverträge anzubieten? Wir wollten die Argumente aus erster Hand hören und haben das Personaldezernat der Universität unserer TA kontaktiert. Wo ist das juristische Glatteis, wenn man sich in der Wissenschaft auf das TzBfG beruft? Und müssen jetzt wirklich TAs der Hochschule um ihre Stelle fürchten? Die überraschende Antwort: Falls das Gesetz in geplanter Form in Kraft tritt, werde man wie früher auf das Teilzeit- und Befristungsgesetz als Rechtsgrundlage für eine Befristung im TA-Bereich zurückgreifen müssen. „Bevor es die Möglichkeit der Drittmittelbefristung nach WissZeitVG für Laborkräfte gab, wurden diese Mitarbeiter auch an den Universitäten, zum Beispiel in Sonderforschungsbereichen, beschäftigt“, schreibt uns das Dezernat und versichert, man werde „alle Spielräume nutzen, um Beschäftigungen zuzulassen.“

Darüber hinaus betont die Pressestelle der Hochschule gegenüber Laborjournal, „dass es sich bei dem [...] ‚Gehörten’ um Befürchtungen handelt, aber keinesfalls um geäußerte Absichtserklärungen der Universität“. Wie passt es da zusammen, dass unter einigen Technischen Assistenten die Angst umgeht, obwohl deren eigenes Personaldezernat offenbar gar nicht vorhat, TA-Stellen aus Drittmittelprojekten zu streichen? Ist die Weltuntergangsstimmung am Institut vielleicht übertrieben? Oder war das Personaldezernat uns gegenüber nicht ehrlich? Leider wollten sich die zuvor befragten Gruppenleiter zu diesem Widerspruch nicht weiter äußern. Was die Sorge der Gruppenleiter betrifft, ihre Fachkräfte zu verlieren, könnten wir es mit einer klassischen self-fulfilling prophecy zu tun haben. Zwei der TAs seien nämlich dabei, sich vom Institut weg zu bewerben. Eine habe bereits eine Zusage außerhalb der Uni, obwohl sie eigentlich gern in der Arbeitsgruppe geblieben wäre.

Irrationale Sorgen

Auf den ersten Blick mag das WissZeitVG mehr Rechtssicherheit bieten als das TzBfG. Doch die EU-Richtlinie 99/70/EG schreibt den Mitgliedsstaaten ohnehin vor, dass sie den Missbrauch von Befristungsregeln unterbinden müssen; diese Spielregel steht damit über nationalen Gesetzen wie dem WissZeitVG. Das Kölner Landesarbeitsgericht hat daher einem Diplom-Ingenieur einen unbefristeten Vertrag zugesprochen, nachdem der über 14 Jahre hinweg befristet über Drittmittel eingestellt war – nach § 2 Abs. 2 WissZeitVG. Da seine Aufgaben aber die gleichen blieben, entschied das Gericht 2013: „Die wiederholte Inanspruchnahme von Drittmitteln darf nicht dazu führen, dass das allgemeine Finanzierungsrisiko der Hochschulen und Forschungseinrichtungen auf das wissenschaftliche Personal abgewälzt wird“ (LAG Köln, Aktenzeichen 11 Sa 226/13; siehe auch Laborjournal 10/2014, Seite 18-19).

Fazit: Auch Kettenverträge per WissZeitVG sind also anfechtbar, selbst wenn sie an Drittmittel gebunden sind. Das dürfte gerade dann der Fall sein, wenn die Aufgaben einer spezialisierten Kraft dieselben bleiben. Die besondere Angst vor dem angeblich so unsicheren TzBfG als Alternative erscheint in diesem Licht irrational. Wenn überhaupt, müsste man hierzu Rechtssicherheit auf EU-Ebene fordern.


Mario Rembold

 Illustration: (c) LoFfofora / Fotolia


Siehe auch den Laborjournal-Online-Kommentar von Mario Rembold: "Faire Verträge  für TAs".



Letzte Änderungen: 28.04.2016