Editorial

Eine Frage der Ehre

(18.12.15) Die Universität Salzburg erkennt Konrad Lorenz die Ehrendoktorwürde ab.
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Im Jahr 2014 hat die Uni Salzburg damit begonnen, die Praxis der Vergabe von Ehrendoktorwürden kritisch zu hinterfragen. In einem Fall hatten die Salzburger schon letztes Jahr Konsequenzen gezogen. Paul Eduard Tratz, ehemaliger Leiter des  Salzburger "Haus der Natur" mit Nazi-Vergangenheit, wurde der Ehrentitel bereits aberkannt. Jetzt hat sich der Senat der Uni Salzburg einen großen Namen vorgeknöpft: Konrad Lorenz, Verhaltensforscher von Weltrang, Nobelpreisträger, aber auch NSDAP-Mitglied und brauner Rassentheoretiker – und seit 1983 Dr. h.c. der Uni Salzburg. Diese Ehrung hat der Senat nun aber widerrufen.

"In beiden Fällen ist der Hauptgrund die aktive Verbreitung nationalsozialistischer Ideologie, was im Verfahren der Verleihung des Ehrendoktorats verschwiegen worden war", teilt die Uni mit. Grundlage für die Entscheidung ist die Satzung der Universität. In der steht, dass der Senat im Einvernehmen mit dem Rektorat verliehene Ehrungen widerrufen kann, "wenn sich die Geehrten durch ihr späteres Verhalten als der Ehrung unwürdig erweisen oder wenn sich nachträglich ergibt, dass die Ehrung erschlichen worden ist."

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Lorenz war nicht nur Mitglied der NSDAP, sondern hat auch aktiv bei rassenkundlichen Nazi-Projekten in Polen mitgewirkt. In seinem Aufnahmegesuch an die NSDAP schrieb er 1938:

"Schließlich darf ich wohl sagen, daß meine ganze wissenschaftliche Lebensarbeit, in der stammesgeschichtliche, rassenkundliche und sozialpsychologische Fragen im Vordergrund stehen, im Dienste nationalsozialistischen Denkens steht."

Wahrlich kein Aushängeschild für eine Universität, zumal man auch nach 1945 eine gewisse Kontinuität in Lorenz' Denken ausmachen kann.

All das hätte man schon 1983 erkennen können. Die Mehrheit der heutigen Entscheider im Salzburger Senat sieht folglich grundlegende Verfahrensfehler ihrer Vorgänger, offenbar nicht nur in den Fällen Lorenz und Tratz. Im aktuellen Senatsbeschluss heißt es:

"Die Verstrickung in nationalsozialistisches Unrecht wurde in diesen Verfahren niemals thematisiert, die geradezu  systematischen Auslassungen der Zeit zwischen 1933 und 1945 in den Lebensläufen vieler Geehrter wurde hingenommen und nicht hinterfragt. "

Dass ein Forscher mit einer derart braun durchsetzten Biografie wie Konrad Lorenz kein geeigneter Kandidat für einen Ehrendoktortitel war, sollte im Rückblick unstreitig sein. Fraglich ist, ob die Kriterien zur nachträglichen Aberkennung tatsächlich erfüllt sind. Insbesondere der Vorwurf der "Erschleichung" würde ja voraussetzen, dass die Salzburger Uni-Regenten 1983 komplett ahnungslos über die biografischen Verstrickungen des berühmten Verhaltensforschers gewesen wären.

 

 

Hans Zauner

 



Letzte Änderungen: 02.02.2016