Buchbesprechung

Juliet Merz

Editorial

Georg Nagler:
Die Rhetorik-Matrix
Verlag: utb (2018)
Sprache: Deutsch, 345 Seiten
ISBN-10: 3825250253
ISBN-13: 978-3825250256
Preis: 22,99 Euro (Print), 18,99 Euro (E-Book)

Editorial
Die Kunst der Rede

(11.03.2020) Egal ob vor der eigenen Arbeitsgruppe oder in einem voll besetzten Hörsaal – Vorträge bereiten vielen Menschen schweißnasse Hände, Herzklopfen und eine trockene Kehle. Glücklicherweise lässt sich gute Rhetorik lernen.

Jeder Wissenschaftler muss im Laufe seiner Karriere mindestens eine Rede halten. Egal ob bei der Präsentation des eigenen Posters, einem Vortrag auf einem Symposium oder der Verteidigung der eigenen Doktorarbeit, für etablierte Forscher, PhDs oder Studenten gibt es unzählige Momente, in denen sie dem Gegenüber Ergebnisse, eine Idee oder Fachwissen plausibel kommunizieren müssen. Dabei will eine erfolgreiche Rede geübt sein. Denn: „Gute rhetorische Kommunikation ist Gold!“, postuliert Georg Nagler im Vorwort seines Buches „Die Rhetorik-Matrix“ über die stiefmütterlich behandelte Kunst der Rede. Denn die Rhetorik werde als Lerndisziplin von vielen so lange unterschätzt, bis sie selbst in der Erfolgsfalle sitzen, eine Rede halten zu müssen (Seite 19). Um diese Hürde zu meistern, lädt Nagler, der seit 2013 Rektor der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Mannheim ist, den Leser auf eine Reise in die moderne Rhetorik ein – in der Hoffnung, den Leser zu einem guten Redner zu machen.

Doch die Reise dorthin ist nicht gerade einfach. Mit 345 Seiten geballter Information fordert Nagler die volle Konzentration seiner Leser. Glücklicherweise formuliert er seine Sätze nicht zu kompliziert, sie sind leicht verständlich und lesen sich flüssig. So gelingt es Nagler, seine Gedanken äußerst klar zu äußern. Auch die Aufteilung des Buches in vier große Kapitel schafft Übersichtlichkeit.

In die Tiefen der Rhetorik

Auf den ersten knapp fünfzig Seiten widmet sich Nagler den Grundlagen, die streckenweise zwar etwas trocken, aber im Großen und Ganzen äußerst spannend sind. So lernt der Leser gleich zu Beginn, dass die Steuerung des Redevorgangs im Gehirn über zwei Regelkreise erfolgt. Das unbewusst arbeitende, kognitive System 1, das laufend alle Eindrücke unserer Sinnesorgane „bemustert“, bewertet und vergleicht und in das vorhandene Netzwerk integriert. Sowie das bewusst arbeitende kognitive System 2, das letztlich für Konzentration und Aufmerksamkeit steht. Das Wissen über die beiden Systeme ermöglicht dem Redner, sie gezielt zu adressieren, um beim Zuhörer gewisse Reaktionen sowie Schlussfolgerungen hervorzurufen. Wie das in der Praxis funktioniert, verdeutlicht der Autor anschaulich an Beispielen. Dabei zitiert er Reden bekannter Personen und erklärt anhand dieser, inwiefern sie unsere beiden Systeme ansprechen. Die Beispiele bieten neben der Schulung der eigenen Redekompetenz auch die Möglichkeit, aktuelle politische Diskurse zu verstehen oder zukünftig gar manipulative Reden zu entlarven.

Nach den Grundlagen folgt die Vorbereitung. Doch zuerst muss der Leser die Frage beantworten: Wie sehen die Zielgruppe und ihre Erwartungshaltung aus? Nagler gibt auf den folgenden Seiten weiter praktische Tipps zum Aufbau einer Rede (etwa die 6-Schritt-Methode auf Seite 70), um dann anschließend auf die unterschiedlichen Redetypen näher einzugehen. Für Forscher dürfte wohl die Sachrede im Vordergrund stehen, gelegentlich auch die Diskussionsrede, etwa bei einer Podiumsdiskussion. Nagler stellt klar, bei der Sachrede geht Information vor rhetorischen Spielchen (Seite 79). Dennoch ist das unbewusste System 1 nicht zu vernachlässigen. Warum, verdeutlicht der Autor an einer Fülle von Beispielen – ein absoluter Pluspunkt, der sich durch das ganze Buch zieht: Ist der Gedanke zu abstrakt, klärt Nagler die Situation mit treffenden Beispielen auf.

Der Autor scheut sich nicht, immer wieder Wichtiges zu wiederholen. Bei der Fülle an Informationen ein Muss. Häufig helfen Infoboxen bei schwierigen, möglicherweise unbekannten Begriffen, an anderer Stelle lässt Nagler Fachausdrücke auch mal unkommentiert stehen. Da muss der Leser gegebenenfalls nachschlagen. Oder kennen Sie das Wort „phonologisch“? Die Rezensentin zumindest nicht.

Im dritten Kapitel geht Nagler ausführlich auf Strategien zur Argumentationsfindung ein. Hier ist der Spagat zwischen Theorie und Praxis nicht leicht. So bleiben auch die Empfehlungen Naglers teils recht vage – immerhin muss sich jeder selbst passende Argumente zurechtlegen. Inwiefern die Anregungen zur Argumentationsfindung helfen, ist wohl stark situationsabhängig und orientiert sich an der Art der Rede. Zum Schluss folgen Tipps zum Halten der Rede. Wie spreche ich richtig, wie kann ich Lampenfieber vermeiden und was verrät meine Körperhaltung über mich?

„Die Rhetorik-Matrix“ ist keine leichte Kost. Und vielmehr ein Lehrbuch als ein Ratgeber. Wer erwartet, seine Rede am Vorabend mithilfe des Werkes noch schnell aufbessern zu können, wird enttäuscht. Denn Nagler steigt tief, tief in die Kunst der Rede ein. Wer sich eindringlich mit dem Thema Rhetorik auseinandersetzen möchte, bekommt hiermit zumindest den richtigen Partner an die Hand.



Letzte Änderungen: 11.03.2020