”Alle wollen nach Berlin”

(07.11.2019) Deshalb wächst der Biotech-Standort Berlin-Buch, der seit 100 Jahren Mekka für Forschung und Medizin ist, jetzt nochmal deutlich. Was zieht Firmen hierher?
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Editorial

Ungefähr 20 km vom Zentrum Berlins entfernt, liegt am nordöst­lichen Rand der Stadt der Biotech-Campus Berlin-Buch. Ein besonderer Ort. Denn wegen seiner Lage zogen bereits vor über 100 Jahren Kranken­häuser und Gene­sungs­heime hierher. „Berlin-Buch ist ein Gesund­heits­standort mit einer 100-jährigen Geschichte, und seit den 1930er Jahren auch Wissen­schafts­standort,“ erzählt uns die Geschäfts­führerin der Betreiber­firma Campus Berlin-Buch GmbH Christina Quensel. „Damals siedelte sich das Kaiser-Wilhelm-Institut für Hirn­forschung an, dessen Direktor auch Direktor der Irren­anstalt, wie das damals hieß, war. Das war der Beginn der trans­lationalen Forschung, wie wir heute sagen“, beschreibt Quensel. „Die Verbin­dung zwischen Klinik und Forschung hat hier wirklich eine ganz lange Tradition, worauf der ganze Campus eben auch aufbaut“, erklärt sie uns.

Heute sind auf dem Forschungs­campus sowohl angewandte als auch Grund­lagen­forschung vertreten, genannt seien das Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC), das Leibniz-Forschungs­institut für Molekulare Pharma­kologie (FMP) und verschie­dene Depart­ments der Charité sowie das Berliner Institut für Gesund­heits­forschung. Oben drauf kommt noch der Biotech­nologie-Park, der vor 30 Jahren hoch­gezogen wurde, und heute über 60 Firmen beherbergt.

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Mit DDR-Vergangenheit

In den 90er Jahren siedelten sich hier Firmen an, die sich aus der Akademie der Wissen­schaften der DDR ausgrün­deten und in der neuen Bundes­republik ihren Platz finden mussten. Zur gleichen Zeit wurde auch die heutige Campus Berlin-Buch GmbH gegründet, als Betreiberin und Errichterin der Gebäude. „Wie in anderen Techno­logie­parks auch, errichten wir Gebäude mit Hilfe von Förder­mitteln und vermieten sie dann günstig an die Firmen“, so Geschäfts­führerin Quensel. Außerdem kümmert sich die promovierte Biotech­nologin mit einem kleinen Team um alles, was die Firmen brauchen. „Mittlerweile haben wir 62 Firmen im Biotech-Park, die größte ist die Eckert & Ziegler AG, die inzwischen auch ihr eigenes Gebäude hat. Sie war eine Ausgrün­dung aus der Akademie der Wissenschaften der DDR, und ist ein Beispiel dafür, wie wir es uns für andere Firmen hier vorstellen, dass sie wachsen und irgend­wann ihre eigenen Gebäude haben.“

Unter den 62 Firmen sind, wenig überraschend, viele Ausgrün­dungen aus dem MDC und der Charité. Aber auch viele interna­tionale Firmen kommen auf den Campus, weil sie dessen Fokus auf Biomedizin sehr schätzen. Langsam wird’s aber eng. „Momentan haben wir keine freie Labor­fläche, wir sind komplett voll und brauchen mehr Platz, um neue Gründer aufzunehmen. Deshalb werden wir im nächsten Jahr anfangen, ein neues Gründer­zentrum zu errichten, mit über 8.000 Quadrat­metern Labor- und Bürofläche“, so Quensel. „Den Bauantrag haben wir gerade gestellt und schon im nächsten Jahr soll es losgehen. Der Einzug für die ersten Firmen ist Ende 2022 geplant.“

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Ein Paradies für Biotech-Firmen

Wer sich einmal angesiedelt hat, darf auch bleiben. Biotech-Firmen können im Techno­logiepark Labore mit Lüftungs­anlagen, Kälte­anlagen und Sicher­heits­stufen sogar bis S3 anmieten. Außerdem stehen auf dem Campus modernste Tech­nologie-Platt­formen für Genomik, Proteomik und Metabo­lomik sowie Ultra-Hochfeld-Magnet­resonanz­tomografie, Advanced Light Microscopy, NMR-Spektros­kopie und eine Screening-Unit für die Wirkstoff­suche inklusive Medizinal­chemie zur Verfügung, mit denen koope­riert werden kann. Ein anderer Plus­punkt ist natürlich die Synergie. Der enge Kontakt fördert die Zusam­menarbeit zwischen Firmen und Forschungs­einrich­tungen, und auch den regen Austausch zwischen den Firmen. Quensel: „Man trifft sich auf dem Weg zur Mensa oder draußen, wenn etwa im Sommer Bespre­chungen auch mal außerhalb der Labore stattfinden.“

Das Team um Quensel bietet den Firmen nicht nur Gebäude und Infrastruktur, sie dürfen auch die Netzwerke der Campus GmbH nutzen wie z.B. Beratung zur Fördermittel-Einwerbung. Außerdem betont die Geschäfts­führerin, dass Berlin einfach ein unschlag­bar guter Standort ist: „Alle wollen nach Berlin.“ Man dürfe nicht vergessen, dass Berlin die größte Univer­sitäts­stadt Deutschlands ist – mit drei Univer­sitäten. „Interna­tionale Firmen, die nach Europa wollen, denken oft zuerst an Berlin. Wir haben zum Beispiel argen­tinische Gründer und welche aus Ungarn, zwei gute Beispiele für junge Firmen, die nach Berlin gekommen sind“, berichtet sie.

Gründen auch ohne Erfahrung

Auch das jüngste Unternehmen auf dem Campus, die T-knife GmbH, möchte von den guten Berliner Biotech-Bedin­gungen profitieren. Geschäfts­führerin Elisa Kieback erinnert sich für uns an ihre Gründungs­zeit vor ein paar Jahren: „Es gibt in Berlin eine sehr gute Start-up-Szene und auch viele Förder­programme für Biotech-Ausgrün­dungen und Start-ups. Wenn man wie ich eine akade­mische Gründerin ist, die keine Biotech-Erfah­rung hat, gibt es einfach unglaub­lich viele Dinge, die man nicht wissen kann. Am besten ist es, sich mit ganz vielen Leuten zu unter­halten, die mehr Erfah­rung haben. Ich wusste zum Beispiel am Anfang nicht, welches Budget man braucht, um eine Biotech-Firma zu betreiben. Wie erstellt man einen Budget­plan, welche Kosten können da überhaupt auf einen zukommen.“

T-knife, eine Ausgründung aus dem MDC, entwickelt eine T-Zell-Therapie gegen Krebs. „Wir verändern die T-Zellen bei uns in einem Reinraum­labor, indem wir sie mit einem viralen Vektor infizieren, der Gene für einen speziellen T-Zell-Rezeptor trägt“, erklärt die Gründerin. Dieser spezifi­sche Rezeptor erkennt nur die Tumor­zellen und nicht die gesunden Körper­zellen. „Es ist eine indivi­duelle Therapie, jedem Patienten wird Blut entnommen und daraus die T-Zellen isoliert, die dann später gentechnisch verändert und dem Patienten wieder zurück­gegeben werden“, so Kieback.

Sie selbst hat dazu die Forschungs­grundlagen in ihrer Doktoranden- und Postdoc-Zeit gelegt, und mit ihrem damaligen Chef die T-knife GmbH im Jahr 2015 gegründet. „Es war sehr nahe­liegend, uns auf dem Campus anzusiedeln. Wir wollten weiterhin die räumliche Nähe zum MDC, da das Institut uns eben auch sehr unter­stützt hat in der Gründungs­phase. Und die Infra­struktur, die auf dem Campus vorhanden ist, durch das Campus-Manage­ment einerseits und die akade­mischen Einrich­tungen andererseits.“

Das Start-up nutzt etwa die Core Facilities oder Labore aus dem MDC, wie auch dessen Versuchs­tierhaltung. Und von der Campus Berlin-Buch GmbH mieten sie die Labore, dabei sind vor allem die wichtig, in denen sie die gentech­nischen Arbeiten durch­führen können. Und sie brauchen immer mehr Platz, denn im Januar 2020 startet T-knife mit ihrer ersten klinischen Studie. „Wir haben gerade expandiert auf insgesamt 400 Quadratmeter Büro- und Laborraum, in die wir jetzt im November einziehen werden. Wir siedeln uns ja gerade erst groß an und haben auf jeden Fall vor, die Forschung hier in den nächsten Jahren noch zu expandieren.“

Karin Lauschke