Arme Schweine

14. Januar 2010 von Laborjournal

Soeben kam uns folgende Presseaussendung der Medizinischen Universität Innsbruck auf den Monitor:

Ethische Vertretbarkeit des Lawinenexperiments mit Schweinen gegeben

Das in Zusammenarbeit vom Institut für Alpine Notfallmedizin und dem Labor für Experimentelle Anästhesie der Univ.-Klinik für Anästhesie durchgeführte Lawinenprojekt mit Schweinen wurde ordnungsgemäß eingereicht und von der zuständigen Tierversuchskommission des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung genehmigt. Die Versuchsanlage im Ötztal wurde nach Besichtigung durch den Tierschutzbeauftragten der Medizinischen Universität Innsbruck, Prof. Hermann Dietrich für gut befunden.

„Die 29 ausgewählten Schweine werden in einem offiziell zertifizierten, durch eine internationale Expertenkommission begutachteten, Rietzer Schweinestall artgerecht gehalten. Am Tag ihres Einsatzes bekommen die Tiere an ihrem gewohnten Aufenthaltsort eine Narkose verabreicht und bemerken bis zu ihrem Tod somit nichts mehr von den folgenden Vorgängen“, betont Studienmitarbeiter Prof. Volker Wenzel. Die Belastung der Versuchstiere ist somit auf ein Minimum beschränkt und weit geringer als bei herkömmlichen Schlachtungsmethoden.

Vor dem Hintergrund der tiroler wie der europäischen Lawinensituation mit zahlreichen Opfern zielt das internationale Projekt darauf ab, den Einfluss der Atemhöhle auf Sauerstoffmangel und Kohlendioxidgehalt in der Atemluft zu bestimmen und so einen effektiven Parameter für die Überlebenschance der Opfer zu bekommen. „Da der Luftdruck in großer Höhe in einem Labor nicht simuliert werden kann, bietet die Nachstellung der Verschüttung eine aussagekräftige und für Patientinnen und Patienten direkt verwertbare Lösung“, unterstreicht Notfallmediziner Wenzel. „In der dramatischen Situation nach einer Bergung könnten NotärztInnen somit besser beurteilen, ob und für welche Opfer reelle Überlebenschancen bestehen und wie die MedizinerInnen vor Ort am besten vorgehen.“

… und Schnitzel kann man hinterher immer noch von ihnen machen.

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4 Gedanken zu „Arme Schweine“

  1. Ralf Neumann sagt:

    Einen Tag später stellt die Medizinische Universität Innsbruck ihre etwas unglückliche Pressemeldung klar: http://www.i-med.ac.at/mypoint/news/2010011501.xml. Dies allerdings vorrangig, weil die gesamte Lawinenstudie plötzlich abgebrochen worden ist!? Über die Gründe hierfür informiert die MUI indes nur sehr dünn: „[…], da durch die äußeren Umstände ein reibungsloser Ablauf der Versuche nicht mehr gewährleistet werden kann.“

  2. Ralf Neumann sagt:

    … Es war doch der Druck der Öffentlichkeit und aus Teilen der Politik, der die Mediziner nun zum Stopp des Experiments zwang (siehe etwa hier). Zehn Schweine waren bis dahin allerdings schon für die Lawinenforschung geopfert worden.

  3. Bad Boy Boogie sagt:

    Hm, wieviele Schweine werden nochmal allein im superreichen D pro Jahr geschlachtet und verschnitzelt, nach stundenlangem Transport zusammen mit panischen Artgenossen in engen Viehwägen? Ich meine, das war irgendwas mit 50 Millionen… in AUT dürften’s dann auch ein paar Millionen Schweine/Jahr sein, die wir ohne Not killen, bloß weil wir Lust drauf haben.

    Interessant im Gegensatz dazu der letzte Absatz der o.g. Uni-Pressemitteilung:

    „Die Tiere erhielten deshalb noch vor dem Transport ein Beruhigungsmittel (was beispielsweise bei einem Transport in den Schlachthof nicht erlaubt ist) und wurden am Versuchsort auf schonende Weise in den Tiefschlaf gesetzt. Während des gesamten Testverlaufs konnte mit Sicherheit ausgeschlossen werden, dass die Tiere das Bewusstsein wiedererlangt haben.“

    Schon bezeichnend, was ein paar „Tierfreunde“ zusammen mit öffentlicher Aufregung alles bewirken können… wie nennen wir das: Schizophren? Scheuklappig? Oder einfach nur scheinheilig?

  4. Bad Boy Boogie sagt:

    Ok, noch schnell ein paar Zahlen/Belege hintennach:

    „Rund 2,5 Millionen Schweine werden pro Jahr in der Schweiz geschlachtet.“ (zu AUT hab ich nix gefunden; dürfte sich aber in recht ähnlichen Größenordnungen bewegen)

    „In Deutschland werden 40 Millionen Schweine jährlich geschlachtet. Jeder Bürger tötet durch seinem Konsum in seinem Leben etwa 40 Schweine.“

    „Schon auf dem Transport zum Schlachthof sterben pro Jahr ca. 500.000 Tiere vor Stress und Todesangst.“

    Am besten gefällt mir ein Leserkommentar bei Welt online zum gleichen Thema:

    „Gutmenschentum par excellence. Es geht darum, Menschen das Leben zu retten, die in Lawinen verschüttet werden.
    Und Schweine werden sowieso geschlachtet und gegessen, zu Millionen jedes Jahr. Wer mit Tierversuchen ein Problem hat, sollte endlich erwachsen werden: die Alternativen sind nämlich nur dauerhafte Unwissenheit in lebenswichtigen Fragen – oder Menschenversuche. Und beides kostet Menschenleben, deshalb haben die Schweine einen sehr wichtigen Zweck – einen wichtigeren als die Schweine in der Bratwurst.“

    BBB

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