Koffein für Kopfarbeiter

9. Dezember 2014 von Laborjournal

Was haben Laborforscher und Redakteure gemeinsam? Durchschnittlich etwa sechs Tassen Kaffe am Tag.

Der LJ-Redakteur kennt beide Seiten aus eigener Erfahrung — und weiß sich voll im Mittel. Als er selbst noch Forscher war — und das war er immerhin acht Jahre seines Lebens —, führten ihn die etwas längeren Zentrifugations- oder Inkubationspausen täglich mehrmals in die Kaffeeküche des Instituts (heute oft „Sozialraum” genannt). Stets fand er dort zwei bis fünf Kolleginnen und Kollegen zum lockeren Plausch. Und auf der Heizplatte dampfte eine Kanne Filterkaffee — mal mehr, mal weniger voll; mal frisch, mal eher konzentriert.

Als Redakteur ist der LJ-Mann inzwischen älter geworden. Das Einkommen ist glücklicherweise gestiegen (was gegenüber einstmals BAT IIa/2 und anschließendem DFG-Postdoc-Stipendium auch nicht besonders schwer war) — und gleichsam auch die Ansprüche: Zu Hause gibt’s jetzt Latte Macchiato zum Frühstück, und in der Redaktion steht eine teure Schweizer Maschine, stets bereit auf Knopfdruck edle Espressobohnen frisch zu mahlen und zu einer nachgewiesenermaßen Magen-freundlicheren Kaffee-Variante zu verarbeiten. Auch hier liegt der LJ-Redakteur also voll im Schnitt.

Warum aber trinken diese beiden besonderen Spezies Mensch so fleißig diesen bitteren Stoff? Denn, seien wir mal ehrlich, wirklich schmecken tut das schwarze Gebräu nicht — höchstens mit viel Milch und/oder viel Zucker. Wer hat schließlich nicht beim allerersten Schluck Kaffee angewidert das Gesicht verzogen? Kaffee gehört von daher folglich eher zu dieser Sorte „Gewohnheitsgifte”, die wir aus irgendwelchen anderen Gründen zu uns nehmen — und uns mit der Zeit derart selbst manipulieren, dass wir wirklich meinen, das Zeug würde schmecken. Bei Zigarren und vielen Alkoholika ist’s ähnlich.

Wenn es aber der Geschmack nicht ist, was ist es dann? Sicher — Kaffe, Zigarette oder auch das Feierabend-Bier dienen oftmals als Pausensignale oder reine Entspannungsutensilien. Ziel des Handelns sind da vielmehr die gesamte Atmosphäre und die Stimmung, die geschaffen werden.

Aber alle diese Sachen wirken ja auch? Alkohol in Maßen macht locker, wie der LJ-Redakteur zugegenermaßen so manches Mal auch selbst erlebt. Keine Erfahrung dagegen hat er mit Nikotin, aber Rauchen soll ja angeblich auch entspannen. Und Kaffee? Nun ja, das Suchtpotenzial ist sicherlich gering. Nachgewiesen ist aber, dass Kaffee kurzfristig die Gehirndurchblutung erhöht — und damit vorübergehend auch die geistige Leistungsfähigkeit. Klar, auf diese Weise würde Kaffee als „leichte Droge” für Kopfarbeiter — wie eben Forscher und Redakteure — durchaus Sinn machen.

Der Stoff im Kaffee, der dies alles macht, heißt bekanntlich Koffein. Und da von dem Alkaloid lange befürchtet wurde, dass es womöglich gesundheitsschädlich sei, gehört Koffein heute zu den bestuntersuchten Lebensmittelinhaltsstoffen überhaupt. Als Fazit fasste der WDR all die Ergebnisse vor einiger Zeit folgendermaßen zusammen: 

Das Resümee aller vorliegenden Forschungen zu Kaffee und Koffein bis heute ist eindeutig: Es gibt keine Hinweise darauf, dass Kaffeekonsum in den üblichen, vom Menschen eingenommenen Mengen mit einem gesundheitlichen Risiko verbunden ist. Das betrifft vor allem Befürchtungen wie die, Kaffee oder Koffein könnte Herz/Kreislauferkrankungen und Krebs auslösen.

Nur bei vorhandener Erkrankung könne Kaffee die Symptome verstärken. Erwiesen seien dagegen die durchblutungsfördernden, anregenden und stimmungsaufhellenden Effekte, die gerade Morgenmuffel so sehr schätzen. Und dazu kommt noch, wie der LJ-Redakteur inzwischen weiß, dass das Koffein selbst auch nicht für die Magenprobleme verantwortlich ist, die Kaffee bisweilen verursachen kann — die bereiten vielmehr beim Brühen austretende Säuren, sowie Reizstoffe, die durch das Rösten entstehen.

Sehr schön, denkt sich also der LJ-Redakteur. Und fragt sich: Wieso ist man dann aber so scharf auf koffeinfreien Kaffee? Immerhin stellt dieser mittlerweile etwa 10% des weltweit konsumierten Kaffees. Und warum ist derselbe Stoff im Tee kaum ein Problem? Schließlich gibt es Sorten, die etwa dreimal mehr davon enthalten. Mmh? Und noch dubioser wird die Sache, wenn man sich vor Augen führt, wie aufwändig die industrielle Entkoffeinierung ist – abgesehen davon, dass sich dabei einige wichtige Aromastoffe gleich mit aus den Coffea arabica-Bohnen verdünnisieren.

Doch ob vernünftig oder nicht, der Kunde ist bekanntlich König. Und was der Kunde will, das ruft sofort auch findige Forscher auf den Plan. Etwa in Japan: Vor einigen Jahren konnten dort Molekularbiologen mittels RNA-Interferenz den Koffeingehalt in den Blättern von Coffea canephora-Pflanzen um 50 bis 70 Prozent zu senken (Nature 423, S. 823). Zwar ist bis heute nichts bekannt über Koffeingehalt und vor allem das Aroma der resultierenden Bohnen, ebenso wenig wie darüber, ob die Technik auch bei Coffea arabica funktioniert — aber das Ziel der Japaner ist klar: kommerzielle Verwertung.

Genauso verhält es sich mit brasilianischen Forschern der Universidade Estadual de Campinas: Sie prüften etwa zur gleichen Zeit den Koffeingehalt in Samen von etwa 3.000 äthiopischen Coffea arabica-Pflanzen — und stießen auf drei Sträucher, deren Bohnen im Vergleich zu kommerziell angebauten Kaffeesorten etwa zehnmal weniger Koffein enthielten. Sollten sowohl der Geschmack ihrer Bohnen als auch der Ertrag der Pflanzen unter landwirtschaftlichen Bedingungen überzeugen, könnten die Sträucher bereits in vier bis fünf Jahren kommerziell angebaut werden, verkündeten die Forscher (Nature 429, S. 826).

Toll, denkt der LJ-Redakteur — und warum soll man das Zeug dann trinken? Schmeckt wahrscheinlich mäßig und wirkt überhaupt nicht. Und plötzlich fällt ihm ein Zweizeiler aus einem Lied der einstmaligen hessischen Kultband Flatsch ein, die er in seiner Jugend öfters hörte: 

Du bist wie alkoholfreies Bier, man kann saufen und saufen und merkt nichts von Dir.

Na ja, vielleicht nicht wirklich passend. Muss der LJ-Redakteur noch mal drüber nachdenken. Jetzt jedenfalls will ihm gerade nichts Besseres mehr einfallen. Vielleicht nach dem nächsten Kaffee…

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4 Gedanken zu „Koffein für Kopfarbeiter“

  1. D.S. sagt:

    Das interessanteste an diesem Artikel ist die Tatsache, dass wir erfahren, das der Redakteur mehr verdient als TVÖD (oder TVL) E13 😉

  2. Ralf Neumann sagt:

    BAT IIa/2 waren zu seiner Zeit knapp 1.800 DM, das Postdoc-Stipendium hatte etwa 3.300 DM — beides natürlich brutto. Da kriegt der LJ-Redakteur heute tatsächlich mehr, sonst würde er das auch nicht machen. Logisch, oder?

  3. Alex sagt:

    Ich hab schon schlechte Erfahrungen mit Koffein gemacht, allerdings habe ich da auch echt übertrieben mit Espresso und Co…

    Aber wenn man Koffeinhaltige Getränke in Maßen konsumiert, passt das echt!
    Gerade bei „hochwertigeren“ Getränken wie z.B. hochwertiger Espresso oder Grüntee spüre ich eine positive Wirkung auf die Konzentration recht deutlich! Von dem her passt das schon!

  4. David H. sagt:

    Unterhaltsamer Artikel mit interessanten Fakten!

    Entkoffeinierten Kaffee habe ich bis jetzt auch noch nicht ganz verstanden. Genauso wenig wie Cola ohne Zucker. Aber gut, ich muss ja nicht alles verstehen. 🙂
    Hat der besagte Redakteur zufällig Tipps, um die Koffeinwirkung bei Vieltrinkern wieder zu erhöhen? Wie genau sollte der vorübergehende Koffeinentzug vonstatten gehen?

    Viele Grüße David

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