Glühwürmchen und die Frage nach dem Sinn allen Forschens

3. Juli 2013 von Laborjournal

Es ist schon eine ganze Weile her, da mussten stinknormale Glühwürmchen für eine ziemlich scharfe Diskussion über Sinn und Unsinn teuer geförderter Forschung herhalten. Und das kam so:

Barry Trimmer von der Tufts University in Massachusetts fragte sich eines Tages, wie denn wohl die Glühwürmchen den Rhythmus ihres Licht-Geflackers an lauen Frühsommerabenden steuern. Und schließlich fand er es sogar heraus: Stickoxid (NO) ist die Schlüsselsubstanz. Die Käferhirne (ja, ja — die „Würmer“ sind eigentlich Käfer) schicken das Gas zum Hinterteil, wo es umgehend die Mitochondrien-Aktivität drosselt und die dadurch entstehende Sauerstoff-Welle die enzymatische Leuchtkaskade startet. Trimmers Lohn war damals ein Science-Paper (Bd. 292, S.2486).

Und warum graben wir diese alte Geschichte wieder aus? Hat doch schon damals nur eine Handvoll Spezialisten interessiert, sollte man meinen. Weit gefehlt. Breit brachten damals jede Menge Medien Meldungen darüber. Und bei Yahoo beispielsweise durfte zudem jeder seine Meinung zu den pulsierenden Glühwürmchen schreiben. Über fünfzig Kommentare kamen in den ersten zwei Tagen zusammen — und ruckzuck war die gesamte Runde in eine scharfe Diskussion über den Sinn von Forschung überhaupt eingebogen. Der alte Konflikt zwischen „Need to know“ und „Nice to know“ — par excellence.

Leider ist die Diskussion schon lange wieder aus dem Netz genommen. Allerdings berichteten wir damals in Laborjournal (Bd. 7-8/2001, S. 7) darüber. Und da die gesamte Auseinandersetzung nicht nur ziemlich originell war, sondern auch bis heute nichts an ihrer grundsätzlichen Aktualität eingebüßt hat, bringen wir hier nochmals einige frei übersetzte Auszüge:

Oh danke, Gott, für diese herrliche Enthüllung. Wie ich verging vor Sehnsucht, bis in die frühen Morgenstunden betete, seufzte, den Mond anstarrte, auf der Suche nach der Antwort auf meine ewig drängende Frage: Wie flackern die Hinterteile der Glühwürmchen? Jetzt, wo die Antwort gegeben, soll die Welt sich erfreuen an 1000 Jahren glücklichen, goldenen Friedens — so wie auch die Hintern der Glühwürmchen in goldenem Licht göttlichen Glückes glühen.

Gut zu wissen, dass heutzutage Leute immer noch daran interessiert sind, Geld hinauszuwerfen für etwas wie dies — während andere Menschen an so vielen Krankheiten sterben. Wen schert das denn? Können die nicht an etwas forschen, was der Menschheit wirklich hilft? Was für ein Witz.

Wahrscheinlich gibt es kaum einen pathologischen Befund, bei dem Stickoxid nicht eine wichtige Rolle spielt. Die Glühwürmchen-Studie kann also gut und gerne großen Einfluss auf den medizinischen Fortschritt haben. Du bist so ignorant, dass es peinlich ist. Wie viel Geld wurde in Deine fehlgeschlagene Bildung verschwendet? Du schreibst: ‘Was für ein Witz’ — Stimmt!

Ich pfeif´ auf Ungeziefer mit leuchtendem Hinterteil. Ein gutes Fliegenspray ist alles, was mir dazu einfällt. Es gibt doch wichtigeres. Wird das mein Auto in 25 Jahren antreiben? NEIN. Wird man damit herausfinden, wie man AIDS oder Krebs heilt? NEIN. Wird es die Obdachlosen von der Straße holen, ihnen Jobs verschaffen? NEIN. Was für eine verdammte Geldverschwendung.

Und so ging es munter weiter. Bis dann einer kam, der die ganze Diskussion eindeutig als „Sieger nach Punkten“ abschloss:

Selbst Alexander Fleming glaubte nicht, dass er mit Schimmelpilzen Kranke heilen könnte. Durch reinen Zufall fand er in ihnen Penicillin. Müssen wir immer nur kritisieren, was wir nicht verstehen? Glücklicherweise jagen diese Forscher nicht dem Geld hinterher und investieren Jahre ihres Lebens in die Suche nach ihrem kleinen Stein im Puzzle. Im Gegensatz zu ihnen werden in unserer Gesellschaft so viele belohnt für etwas, wofür sie keinen Tropfen Herzblut geben. Erweisen wir den hart arbeitenden Forschern also ein wenig Respekt.

Das geht dann doch runter wie Öl, oder? Danach äußerte sich jedenfalls keiner mehr.

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Ein Gedanke zu „Glühwürmchen und die Frage nach dem Sinn allen Forschens“

  1. D.S. sagt:

    Applaus an den letzten Autoren!

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