Titelschacherei

23. Oktober 2012 von Laborjournal

Wie sahne ich mit meinen Artikeln möglichst viele Zitierungen ab? Eine Frage, die sich Forscher sicherlich nicht gerade selten stellen. Kein Wunder, dass einige sogar versuchen, mit mehr oder weniger wissenschaftlichen Methoden belastbare Antworten darauf zu finden. Über eine frische Studie, nach der offenbar eine leicht höhere Wahrscheinlichkeit auf das eine oder andere zusätzliche Zitat besteht, wenn die Gutachter das Manuskript im ersten Durchgang ablehnen, berichteten wir beispielsweise erst vor kurzem im Laborjournal-Blog.

Etwas, das man selbst besser im Griff hat als die Entscheidung der Gutachter, sind die Titel der eigenen Werke. Seit einigen Jahren weiß man in diesem Zusammenhang etwa, dass humorige Überschriften bezüglich nachfolgender Zitierraten offenbar eher von Nachteil sind (J. Inform. Sci. 34: 680-7). Insbesondere Artikel mit vermeintlich richtig witzigen Titeln, so die Autoren, würden  im Schnitt vergleichsweise deutlich weniger zitiert. Schade irgendwie, zumal dies nun wieder das unsägliche Vorurteil vom Wissenschaftler als humorlos-sachliches Wesen zementieren helfen könnte.

Auf welche Weise die Wahl des Titels noch die Zitierzahlen beeinflussen kann, berichtet R. Ford Denison auf seinem Blog This Week in Evolution in dem Beitrag „The importance of titles“ — wenn auch nur anekdotisch. Demnach fragte Denison einmal aus berechtigtem Grund bei einem Autor nach, warum dieser eines seiner Paper nicht in dessen Artikel zitiert habe. Worauf dieser entgegenhielt, ihm sei das Denison-Paper komplett entgangen, weil dessen Titel kein bisschen andeutete, dass der Inhalt für sein Paper relevant sein könnte.

Denison beschloss daraufhin, zukünftig alle wichtigen Aspekte eines Papers schon in die Überschrift zu packen. Wodurch er wahre Monstertitel kreierte, wie etwa:

When Stress Predicts a Shrinking Gene Pool, Trading Early Reproduction for Longevity Can Increase Fitness, Even with Lower Fecundity (PLoS ONE 4(6): e6055. doi:10.1371/journal.pone.0006055)

Ob Denison allein dadurch sein Zitierkonto erhöhen konnte, schreibt er nicht — wahrscheinlich ist das auch gar nicht nachprüfbar.

Was er allerdings noch berichtet, ist, dass dummerweise so mancher Editor bei den Titeln nicht mitspielt:

For example, we wanted to call our recent Perspective in Science (discussed here) „Are Antibiotics Weapons, Signals, Cues, or Manipulation?“ The editor insisted on „Alternative Actions for Antibiotics.“

We worried that people would glance at the title and think, „Oh, another one of those antibiotics-as-signals articles.“

Und tatsächlich:

Just as we feared, a recent paper miscites our work:

„Antibiotics, especially at subinhibitory concentrations, can act as signal molecules aside from their antibacterial effect (Davies et al. 2006; Yim et al. 2007; Ratcliff and Denison 2011).“

Scheinbar ist die Formulierung des Titels tatsächlich eine sehr sensible Sache hinsichtlich späterer Zitierungen — insbesondere, da viele Autoren offenbar gar nicht viel weiter darüber hinaus lesen, wenn sie die Referenzlisten für ihre eigenen Paper zusammenstellen.

Denison hat aus diesem Grund jedenfalls in kurzer Zeit beides erfahren: zu Unrecht nicht zitiert zu werden, wie auch in falschem Zusammenhang zitiert zu werden. Ganz sicher ist er damit bei weitem nicht der einzige. Was wieder einmal dafür spricht, die reinen Zitierungen nicht für ganz so bahre Münze zu nehmen wie es gerade weithin der Fall ist.

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