Machtmoloch DFG?

21. Oktober 2011 von Laborjournal

Es hatte bereits im Juli diesen Jahres „gesessen“: Damals setzten sich fünf Wissenschaftler im Foyer des Berliner Ensembles aufs Podium und wetterten gegen die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), was das Zeug hielt. Die Süddeutsche Zeitung fasste die „Attacke der Wut-Wissenschaftler“ damals zusammen:

Glaubt man den Anwürfen der Fünf, ist sie [die DFG] zu einem bürokratischen Monstrum verkommen, das unkontrolliert, nach Regeln, aber im rechtsfreien Raum agiert, in erster Linie die Interessen der Apparatschiks im Auge hat und die vom Grundgesetz geschützte Autonomie der Forschung gefährdet.

Jetzt hat die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) zweien der Fünf Gelegenheit zum Nachsetzen gegeben. Sie bat den Heidelberger Germanisten Roland Reuß und den Münchner Juristen Volker Rieble ihre Argumente nochmals aufzuschreiben, „um in dieser Frage eine umfassende Diskussion zu ermöglichen“.

Gesagt, getan. Und so findet der geneigte Leser nun im FAZ-Text eine saubere Auflistung nicht gerade angenehmer Vorwürfe, was aus der DFG geworden ist und wie sie heute agiert. Hier nur eine durchaus aussagekräftige Auswahl im Text verwendeter Schlagworte:

  • Fehlende Transparenz
  • Externe Kontrolle nicht existent und nicht erwünscht
  • Undemokratische Strukturen
  • Behördenähnliche Züge mit von Eigeninteressen gelenktem Funktionärsdenken
  • Sebstbedienung und Kungeleien
  • Zentraler Drittmittelmonopolist
  • Reglementierung von Argumentationsstrukturen und Denkmustern
  • Selbstermächtigte Macht- und Kompetenzausweitung
  • Bedrohung der Wissenschaftsfreiheit
  • Fehlende Aufdeckungs- und Strafmoral

Klar, dass die DFG dazu umgehend Stellung nimmt. Erstaunlich jedoch, wie dünn diese ausfällt und wie wenig sie auf die durchaus diskussionswürdigen Punkte eingeht. (Immerhin reagierte sie damals etwas „gehaltvoller“ auf die Berichterstattung über die oben erwähnte Podiumsdiskussion.)

Zumal die Vorwürfe keineswegs neu sind und auch uns gegenüber immer wieder von Forschern geäußert werden. Wie oft hieß es schon im Recherchegespräch sinngemäß: „Wenn die DFG meinen Namen in diesem Zusammenhang liest, kann ich anfangen auf meine Taxi-Lizenz zu lernen.“ Und als erklärenden Zusatz: „Probieren Sie mal in Deutschland eine biomedizinische Forscherkarriere ohne die DFG zu machen.“ Die Angst vor dem „monopolistischen Herrscher über Deutschlands Drittmittel“ haben wir folglich vielfach als sehr real erlebt.

Andererseits gab es aber auch immer wieder Wissenschaftler, die die DFG klar in Schutz nahmen. „Verglichen mit analogen Institutionen in anderen Forschungsnationen ist die DFG geradezu Gold wert“, hieß es etwa einmal. Wobei der Betreffende zwar selbst im DFG-Hauptausschuss saß, aber dennoch über reiche Erfahrung mit Drittmittelförderern in anderen Ländern verfügte.

Die „Wahrheit“ wird also wieder mal irgendwo in der Mitte liegen. Und die Diskussion darüber ist damit hoffentlich tatsächlich eröffnet. Gerne auch hier.

 

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Ein Gedanke zu „Machtmoloch DFG?“

  1. Ralf Neumann sagt:

    Heute kam die ausführliche inhaltliche Stellungnahme der DFG zu den Vorwürfen der FAZ-Autoren. Die Pressemitteilung im Wortlaut, mit Link zur 15-seitigen Stellungnahme (ganz unten):

    Mit Fakten gegen Unterstellungen
    DFG legt detaillierte Stellungnahme zu Angriffen in FAZ-Beiträgen vor

    Nr. 55
    27. Oktober 2011

    Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) sieht sich seit geraumer Zeit haltlosen medialen und öffentlichen Angriffen des Heidelberger Literaturwissenschaftlers Roland Reuß und anderer Autoren ausgesetzt. Diese galten zunächst der vermeintlich willkürlichen Ablehnung eines Förderantrags und der angeblich nur ungenügenden Förderung eines Editionsprojektes von Reuß, im weiteren Verlauf dann der Rolle der DFG als Förderer des Digitalen Publizierens in den Wissenschaften (Open Access) und schließlich der Struktur, Arbeitsweise und Stellung der DFG im Wissenschaftssystem insgesamt. Der Großteil der Angriffe wurde in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) veröffentlicht – zuletzt am 19. Oktober 2011 in dem von Reuß und dem Münchner Juristen Volker Rieble verfassten Beitrag „Die Freiheit der Wissenschaft ist bedroht“. Auch er enthält zahlreiche falsche Tatsachenbehauptungen und polemische Unterstellungen.

    Als Erwiderung auf den Beitrag hat die DFG nun eine ausführliche inhaltliche Stellungnahme erarbeitet (siehe pdf-Anlage). Diese greift die Angriffe Punkt für Punkt auf und widerlegt sie im Detail. Die 15-seitige Stellungnahme wird der Öffentlichkeit und den Medien zugänglich gemacht – ebenso aber auch den Vertreterinnen und Vertretern der Wissenschaft, deren auf Redlichkeit, Vertrauen und Transparenz gegründetes Wirken im Wissenschaftssystem durch die Anwürfe ebenfalls diskreditiert wird. Adressat der Stellungnahme ist schließlich auch die Politik; auch ihre Rolle im System der Forschungsförderung wird von Reuß und Rieble in ein falsches Licht getaucht.

    Die DFG versteht ihre Stellungnahme als Richtigstellung haltloser Kritik – und als weiteren Beitrag zu einer sachlichen Diskussion über die Struktur und Qualität der Forschungsförderung in Deutschland. Sie lädt alle an der Forschung und deren Förderung in Deutschland Interessierte ein, sich ein eigenes und unvoreingenommenes Bild von der DFG und ihrer Arbeit zu machen. Hierfür stehen ihnen zahlreiche Informationswege wie der Jahresbericht der DFG, das Projektinformationssystem GEPRIS, das DFG-Förderranking sowie weitere statistische Auswertungen und forschungs- und förderpolitische Stellungnahmen zur Verfügung, die alle über http://www.dfg.de zugänglich sind.

    Weiterführende Informationen

    Den Volltext der Stellungnahme finden Sie als pdf-Anhang und unter http://www.dfg.de/download/pdf/dfg_im_profil/reden_stellungnahmen/2011/stellungnahme_zu_faz_artikel_111027.pdf

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