„Bulfone-Paus-Fall“ wächst und wächst…

13. Juni 2011 von Laborjournal

(Update vom 15.6.2011: Zum Paper Blood. 2010; 116: 2665-75 wurde eine „Correction“ veröffentlicht. Die Editoren kamen offenbar zu dem Schluss, dass die duplizierte Abbildung keine Fälschung darstellt, sondern vielmehr durch ein Versehen zustande kam. Mehr am Ende des Beitrags.)

Zwölf Publikationen musste Silvia Bulfone-Paus vom Forschungszentrum Borstel bislang wegen offensichtlicher Datenmanipulation zurückziehen. Nun distanzieren sich auch externe Ko-Autoren von Bulfone-Paus Artikeln, die bisher noch nicht zurückgezogen sind.

Nachdem bereits ein weiteres 99er-Paper in Blood (Band 93 (10):  3531-9) von den Editoren auf Manipulationen untersucht wird, sind nun nochmal drei Artikel der Bosteler Immunologin unter Verdacht geraten: Transplantation. 2000; 69: 1386-91 (mehr siehe hier), J. Immunol. 2009; 183: 3004-13 (mehr siehe hier) und zuletzt Blood. 2010; 116: 2665-75 (mehr siehe hier).

Dass die erneuten Vorwürfe durchaus Substanz enthalten, illustriert die Mail eines Ko-Autors des letztgenannten Papers, die unserer Redaktion vorliegt. Bruce Beutler, durchaus prominenter Immunogenetiker am Scripps Research Institute in La Jolla, Kalifornien, schreibt wörtlich:

I had been aware of the scandal surrounding work in the lab of Bulfone-Paus, but was not previously aware of specific objections to the validity of the Blood 166:2665-2675 (2010) paper, on which I am a co-author. I must agree, having examined Figure 6b in this paper, that the panels in question look identical. I have also examined, and attached, the last draft of the manuscript that I saw prior to publication. Figure 6 was added as a revision, after the paper was initially reviewed, and appears in this draft. The resolution is such that I could not, at that time, have asserted that the two panels looked identical.

As stated in the paper, Dr. Xin Du and I contributed to this work by providing ENU mutant mice (the Pretty2 strain) to the Bulfone-Paus lab. These mice were identified in my lab because of their abnormal visible phenotype. We tracked down the mutation, and we do certify that it is correct. But we did not perform any of the experimental studies with these mice.

I concur that there is, at minimum, improper labeling of Figure 6b, with duplication of one FACS plot as noted. I do not know whether this was an innocent mistake by the Bulfone-Paus lab, or whether the misrepresentation was deliberate. […]

Sincerely yours,

Bruce Beutler, M.D.

Die erwähnte Figure 6b, deren „Seltsamkeiten“ Beutler bestätigt, sieht folgendermaßen aus:(übernommen vom Blog „Abnormal Science“)

Obwohl sicher schon „groß genug“, scheint somit das Ende der „Affäre Bulfone-Paus“ noch lange nicht in Sicht. Zumal auf allen vier Publikationen keiner der beiden ehemaligen Postdoks von Silvia Bulfone-Paus, Vadim Budagian und Elena Bulanova, die offiziell als Hauptschuldige für die Manipulationen in den zwölf bereits zurückgezogenen Artikeln ausgemacht wurden, als Ko-Autor auftaucht.

Übrigens: Ein wenig unter geht bei dieser neuen Wendung des Bulfone-Paus-Falles das Verhalten von Bruce Beutler. Er gibt an, zu der Studie lediglich ein paar Mausmutanten über den großen Teich geschickt zu haben und ansonsten an nicht einem der beschriebenen Experimente beteiligt gewesen zu sein. Ob dies alleine für eine Ko-Autorenschaft von ihm und seinem Mitarbeiter reicht, ist zumindest diskutabel.

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Update vom 15.6.2011:

Zum Paper Blood. 2010; 116: 2665-75 wurde frisch eine „Correction“ veröffentlicht. Die Editoren kamen offenbar zu dem Schluss, dass die duplizierte Abbildung keine Fälschung darstellt, sondern vielmehr durch ein „glaubhaftes einfaches Versehen“ zustande kam. Anna Trudgett, Managing Editor bei Blood, schrieb in einer E-Mail, die der Redaktion vorliegt:

The identical panels in Figure 6B of the 2010 Blood paper by Orinska et al. had been investigated by Blood before you contacted us. Actually, Dr. Orinska contacted the journal herself once she noticed that the identical panels have been mistakenly published. Blood has seen the primary data, and we concluded that this was a case of a believable simple mistake with two similar-appearing panels. The erratum has been posted and you can access it here: http://bloodjournal.hematologylibrary.org/content/116/15/2665/suppl/DC2.

Regarding the 1999 Blood paper you mention, the experiments were not performed in the Bulfone-Paus lab. The primary data are no longer available, but at the request of the Blood editor-in-chief those experiments are being repeated to demonstrate the validity of the results.

Regards,
Anna

Anna G. Trudgett, […]
Managing Editor, Blood

Sorry, nach zwölf Retraktionen wegen tatsächlicher Datenmanipulation wirkt eine „Correction“ wegen versehentlicher Datenduplikation jetzt schon komisch. Aber wie heißt es: Im Zeifel für den Angeklagten.

Ebenfalls komisch wirkt die Aussage von Frau Trudgett, dass für das 99er Blood-Paper keine Experimente im Bulfone-Paus-Labor gemacht wurden. Was will sie damit sagen? Silvia Bulfone-Paus ist „Corresponding Author“ der Veröffentlichung und zeichnet damit für die Studie und den Inhalt des Papers verantwortlich — egal wo die Experimente letztlich gemacht wurden.

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5 Gedanken zu „„Bulfone-Paus-Fall“ wächst und wächst…“

  1. BadBoyBoogie sagt:

    Was soll die Aussage des Managing Editors, „The primary data are no longer available“? Schwuppdiwupp-Verschwindibus? Schon praktisch, dass man in D Daten nur 10 Jahre aufbewahren muss. Aber ein Gschmäckle hat’s trotzdem.

    Ebenfalls seltsam die Feststellung „those experiments are being repeated to demonstrate the validity of the results.“ – Äh…? Ich kann also munter faken und besch…en und den Mist publizieren – Hauptsache, irgendwann, Jahre später klappen die Experimente dann doch noch mal? Sehr wissenschaftlich…

  2. Ralf Neumann sagt:

    Letzteres verstehe ich auch nicht. Es heißt doch, zurückgezogene Paper gelten als aus dem „scientific record“ entfernt — existieren also in ihrer Gesamtheit nicht mehr. Streng genommen, müssten folglich die Leute, die die Experimente solcher „entfernter“ Paper prüfen, die Ergebnisse als neu veröffentlichen und somit eigene Priorität beanspruchen dürfen.

    Abgesehen davon, geht es doch gar nicht darum, ob die Ergebnisse stimmen oder nicht. Das ist eine völlig andere Frage. Es geht darum, ob die Daten manipuliert sind oder nicht? Sind sie manipuliert, können sie prinzipiell so „richtig“ sein wie sie wollen — sie gelten trotzdem nicht! Sollte man allerdings umgekehrt die publizierten Resultate partout nicht wiederholen können, ist das natürlich ein weiteres starkes Indiz für Datenfälschung.

  3. Liebe Kollegen,

    mein Doktorvater hat gesagt:

    „Wenn der Reviewer danach fragt, machen wir die Versuche halt noch!“

    Herzliche Grüße,
    Roberto Kleinschmidt

    PS: Mein Doktorvater sitzt übrigens zwei Zellen weiter, wegen Förderung der Wissenschaftsprostitution.

    Homepage: http://www.berlin.de/jva-tegel/

  4. Email vom 15.6.11
    Sehr geehrte Frau Dr. Orinska,
    Ihr Corrigendum in Blood 2010 Fig. 6B würde ich gern im ‚Abnormal Science Blog‘ würdigen. Allerdings möchte ich mich zuvor selbst von den Originaldaten überzeugt haben. Könnten Sie mir alle Histogrammfiles der Abb. 6B zukommen lassen? Das sollte für Sie sicherlich kein Problem darstellen und ich würde mich freuen, auf dem Blog eine positive Einschätzung Ihrer korrigierten Ergebnisse veröffentlichen zu können.
    Mit freundlichem Gruß
    Jörg Zwirner

  5. ich sagt:

    hmm…ja… gängige praxis. leider. hab ich erlebt, immer wieder, besonders bei medizinern. die daten sind irrelevant, er zählt die optik, das gewünschte ergebnis. was hier als skandal dargestellt wird, ist die gängige praxis. duplizierte bilder, nach belieben veränderte daten und graphiken. gleiche daten mehrmals unterschiedlich, was teilweise zu konträren aussagen führt, dargestellt. ein hinweis darauf stellt die hierarchie und den dem mediziner gebührenden respekt in frage.

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