Akademischer Gegenwind für einen Plagiator*

1. März 2011 von Laborjournal

Plagiatoren sind allgegenwärtig. Berufsschullehrer plagiieren, penetrante Deutschrapper plagiieren, Verwaltungsjuristen plagiieren, und – jawohl – auch Naturwissenschaftler plagiieren. Im September 2005 enthüllte Laborjournal einen besonders dreisten Fall.

Guttenberg vervielfachtAuch im Verteidigungsministerium sitzt bekanntermaßen ein Plagiator. Einer? Nein – mindestens zwei. Laut einem Bericht der Mitteldeutschen Zeitung (MZ) vom 23. Februar sei 2009 „ein Bundeswehr-Offizier degradiert worden, weil er an der Bundeswehr-Universität München eine plagiierte Examens-Arbeit eingereicht“ habe. Dies habe ein Sprecher der Hochschule der MZ mitgeteilt.

Die MZ weiter: „Die Anfertigung eines Plagiats gilt an Universitäten der Bundeswehr als dienstrechtliches Vergehen und kann disziplinarisch geahndet werden.“

Beim obersten Dienstherrn dieses Offiziers ist dies nicht der Fall. Weder die Bundeskanzlerin noch Wissenschaftsministerin Annette Schavan halten einen Rücktritt für angebracht (siehe beispielsweise das Interview mit der Wissenschaftsministerin in der gestrigen SZ).

Plagiarismus scheint in Berliner Kreisen für weit weniger gravierend gehalten zu werden als beispielsweise Ladendiebstahl – denn hätte der Verteidigungsminister in einer Bayreuther Aldi-Filiale auch nur ein Stück Seife geklaut und wäre dabei erwischt worden, wäre er wohl kaum noch Minister (dieser schöne Vergleich stammt leider nicht vom Laborjournal-Redakteur, sondern von einem Bonner Mathematik-Professor – siehe weiter unten).

Weite Teile der deutschen Wissenschaft hingegen sind not amused über die Nonchalance, mit der dieser Plagiator und dessen Parteifreunde mit der Angelegenheit umgehen: Nämlich geradezu so, als sei Plagiarismus ein Kavaliersdelikt.

Nicht so schlimm?

Gegen diese Sicht der Dinge haben sich als erste die Doktoranden aufgelehnt. Eine betreffende Initiative (Causa Guttenberg – Offener Brief von Doktoranden an die Bundeskanzlerin) hat mittlerweile eigenen Angaben zufolge „mehr als 49.000 Unterschriften“ gesammelt, in dem der Kanzlerin unter anderem eine „Verhöhnung“ aller wissenschaftlichen Hilfskräfte vorgeworfen wird. Zu Guttenberg habe eine „massive, systematische Täuschung“ begangen, „um sich den Doktortitel zu erschleichen“.

Weiter betonen die Doktoranden die Wichtigkeit der Grundlagen wissenschaftlichen Arbeitens und des korrekten Zitierens sowie der Redlichkeit in der Scientific Community.

Mit Verspätung kommen auch die Professoren aus der Deckung. Der Bonner Mathematiker Matthias Kreck hat auf seine Website eine Erklärung gestellt, in der er sich zusammen mit einigen Kollegen überrascht zeigt, dass „die Klärung der Täuschungsfrage [an der Universität Bayreuth] nicht innerhalb weniger Tage erfolgen“ könne. Es sei klar, dass an sehr vielen Stellen seitenlang geistiges Eigentum anderer verwendet werde, ohne dass ordnungsgemäß zitiert werde.

Bisher hätten „über 1000″ weitere Wissenschaftler diese Erklärung unterschrieben; der Rücklauf sei sehr groß, so Kreck. Inzwischen sind auch zwei Dutzend Biowissenschaftler darunter (wieso eigentlich nicht viel mehr?).

In der Bonner Erklärung heißt es weiter: „Wir sehen die Gefahr, dass die bewährten Standards wissenschaftlicher Arbeit verkommen. Deshalb ist es wichtig, dass mit dem Fall zu Guttenberg kein negativer Präzedenzfall geschaffen wird.“

Wer der gleichen Ansicht ist: Der Offene Brief der Doktoranden ist hier zu finden, die Erklärung der Professoren hier.

UPDATE: Am Dienstag vormittag ist Minister zu Guttenberg nun doch zurückgetreten. Es bleibt jedoch abzuwarten, ob die Uni Bayreuth und die DFG die Affäre trotzdem  (u.a. geht’s ja darum, ob bei den Plagiaten Vorsatz im Spiel war) konsequent aufklären werden (und wollen).

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*Laut übereinstimmender Sicht von Rechtsexperten, u.a. Volker Rieble (Professor für Arbeitsrecht und Bürgerliches Recht an der LMU München) und Debora Weber-Wulff (Professorin für Medieninformatik an der HTW Berlin), darf man Herrn zu Guttenberg mit Fug und Recht einen Plagiator nennen.

2 Gedanken zu „Akademischer Gegenwind für einen Plagiator*“

  1. Pingback: Ombudsforum
  2. Winfried Köppelle sagt:

    Liebes Ombudsforum,
    ob Frau Weber-Wulff eine Expertin ist, vulgo sich mit den einschlägigen Gesetzen in punkto „Plagiate“ auskennt, habe ich nicht persönlich nachgeprüft.

    Da sie sich aber eingehend und seit Jahren mit Plagiaten befasst (auch und oft öffentlich, wie Sie monieren), ist es geradezu zwingend notwendig, dass sich Frau Weber-Wulff hier gut auskennt.

    Dass Frau Weber-Wulff, wie Sie im verlinkten Blog schreiben, „Expertin – (auch) ihrer eigenen medialen Selbstinszenierung“ sei und „ihre Rolle in der Aufdeckung der Affäre zu Guttenberg eher diejenige einer medialen Trittbrettfahrerin war“, kann man unterstellen. Sie zumindest tun dies, ich tue es hingegen nicht, da ich dazu Frau Weber-Wulff schlicht zuwenig kenne (oder besser: ich kenne sie persönlich gar nicht).

    Doch all das führt hier viel zu weit weg vom eigentlichen Thema.

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