‚Equal Contributors‘ und ‚Co-Corresponding Authors‘

26. Oktober 2010 von Kommentar per Email

Sehr geehrte Mitglieder der Laborjournal-Redaktion,

[…] Ralf Neumann beklagte in einer ‚Inkubiert‘-Glosse die noch junge Praxis der Wertung von Autorenbeiträgen auf wissenschaftlichen  Publikationen. Er findet es lustig, dass in einer stetig wachsenden Zahl von Publikationen darauf hingewiesen wird, welche Autoren etwa gleich viel zu der jeweiligen Studie beigetragen haben und wer neben der an letzter Stelle der Autorenliste stehenden Person als ‚co-korrespondierender Letztautor‘ anzusehen sei. Dabei ist das weder lustig, noch auf flächendeckenden Nepotismus bei der Autorenreihung zurückzuführen, wie Herr Neumann andeutet.

(Der Text der Glosse im Wortlaut:)

Veröffentlichungen sind das Brot des Forschers, Autorenzeilen das Pfund, mit dem er wuchert. Dafür, und vor allem dafür bekommt er Anerkennung von seinesgleichen. Lob, Ruhm und Ehre und damit die Karriere hängen von nichts auch nur annähernd so stark ab, wie „wo man überall drauf steht“. Und an welcher Stelle! Ja, angesichts derart starken Gewichts sind Autorenzeilen heutzutage höchstsensible Angelegenheiten geworden. Da wimmelt es bisweilen von Sternchen, Kreuzen, Doppelkreuzen und anderen komischen hochgestellten Symbolen, deren Namen viele gar nicht mal kennen — nur um in der Fußnote neben den Adressen der beteiligten Forscher auch noch das Beitragsgewicht der einzelnen Leute Analysenwaagen-genau zu erklären. Und auf diese Weise werden dann dem Leser (sowie späteren Berufungskommissionen) allen Ernstes Dinge weisgemacht wie: „Autor 2 und 3 haben ebensoviel beigetragen wie die Erstautorin, die Autoren 4 und 5 sind gleichsam als Zweitautoren anzusehen, und die Autoren 6 bis 9 müssen auf der Ebene eines Drittautors zusammengefasst werden.“ Und natürlich seien die drei letzten Autoren als gleichwertige Seniorautoren zu werten. Zugegeben, dieses Beispiel ist leicht übertrieben, aber wirklich nur leicht. Und wozu das ganze Krümelsortieren? Damit am Ende doch jeder das Paper in Erinnerung behält als „Autor 1 et al.“ Wenn schon solch übersensibel-penible Ehrlichkeit, warum liest man dann als Fußnote nicht auch mal: „Dieser Autor hat eigentlich nichts zum Manuskript beigetragen, außer dass er einmal sonntags das Zellkulturmedium wechselte, woraufhin sein Boss ihn unbedingt mit auf dem Paper haben wollte.“ Vor allem die speziellen Lieblinge der Bosse kommen so bisweilen auf „ein paar Paper mehr“. Oder anderes Beispiel: „Autor 1 hat zwar lange nicht soviel beigetragen wie Autor 2, nur ist dieser aus der Forschung ausgestiegen und Autor 1 kann die Erstautorschaft besser brauchen.“ Auch ein durchaus üblicher Fall von Protegieren. Nein, das Autorensystem fault von vielen Seiten — so sehr, dass offenbar mit dem ganzen System etwas nicht stimmt. Wobei hier das „ganze System“ wohl die Art und Weise ist, wie man überhaupt „Credit“ in der Forschung erhält.

Hinter den vielen ‚equal contributors‘ und ‚co-corresponding authors‘ verbirgt sich vielmehr ein trauriges Problem, das Herr Neumann vollkommen übersehen hat. Haben Sie sich einmal die Datensätze von jüngeren Publikationen in Nature, Science, Cell, Neuron, Nature Cell  Biology oder Nature Neuroscience genau angesehen? Die bestehen zunächst aus 4 bis 8 Abbildungen im Haupttext. In meinem Arbeitsgebiet besteht jede dieser Abbildungen typischerweise aus zahlreichen Teilabbildungen, von denen jede einzelne zur Zeit meiner ersten  Publikationen vor 20 Jahren noch für eine einzelne Abbildung gereicht hätte. Das ist aber noch nicht alles, denn dazu kommen in den meisten  Publikationen noch mehrere Abbildungen von ähnlichem Kaliber in den so genannten ‚Supplementary Data‘ — diese Bezeichnung ist übrigens ein zynischer Euphemismus, mit dem schon hunderte von Promotionsprojekten in den Tiefen des Internets zu Grabe getragen wurden. Ich habe schon Publikationen gesehen, die aus 8 Abbildungen im Haupttext und über 20 Abbildungen in den ‚Supplementary Data‘ bestanden.

Und genau da liegt das Problem. In vielen Fachgebieten sind die Anforderungen an in den Top-Journalen publizierbare Studien in absurde Dimensionen gestiegen. Oft sind zahlreiche verschiedene und hochkomplexe Methoden nötig, um die von Gutachtern und Editoren definierten Anforderungen an Detailtreue, ‚Tiefgang‘ und Umfang der jeweiligen Studien zu erfüllen. Oft können der dazu notwendige Arbeitsaufwand und das geforderte Methodenspektrum selbst von großen Arbeitsgruppen nicht mehr bewältigt werden, von einem einzelnen Doktoranden oder Postdoc ganz zu schweigen.

Die Lösung dieses Problems sind Kollaborationen innerhalb und außerhalb der Arbeitsgruppen. Und die führen dann so sicher wie das Amen in der Kirche zu Diskussionen über Autorenschaften. Ich selber habe immer wieder viel Zeit damit verbracht abzuwägen und zu diskutieren, wie die Beiträge einzelner Wissenschaftler und Arbeitsgruppen zu einer Publikation einzuordnen seien und welche Autorenreihung dem am ehesten gerecht werden könnte. Dabei hat sich die Deklaration von ‚equal contributions‘ meist als einziger Ausweg aus den entsprechenden Auseinandersetzungen erwiesen. Und bei allen Auswahlgremien, denen ich bisher angehört habe, wird eine ‚equal contribution‘ auch als solche gewertet, weil allen Beteiligten klar ist, dass viele Studien — und besonders die sehr guten und umfangreichen — einfach nicht mehr von einer Person bzw. von einem Labor durchgeführt werden können.

Herzliche Grüße,…

(Foto: Likhitha/iStockphoto)

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