Der vergiftete Salat

1. September 2022 von Laborjournal

( … Ein Märchen aus unserem Archiv zum Thema Abhängigkeit von Nachwuchsforschern.)

Es war einmal ein Jungforscher in einem fernen Land, der sich in der Fremde zumindest schon einen kleinen Namen in der Erdbeerforschung [Forschungsthema geändert] gemacht hatte. Dafür wurden ihm ein schicker achteckiger Hut und ein schwarzer Samtkragen, fein verziert mit blau-goldener Seide, übergestreift. Just in dieser Zeit erreichte ihn aus heiterem Himmel das Angebot, selbstständiger Arbeitsgruppenleiter in seiner Heimat zu werden. Da erfasste ihn eine große Sehnsucht, und er flog voller Freude über ein großes Wasser in sein heimatliches Germanien zurück.

Kurz nach der Landung stand er vor seinem neuen Ordinarius, der ihm freudestrahlend einen bewilligten Drittmittel-Antrag entgegenhielt: „Hier habe ich für dich eine ordentliche Menge Sachmittel und Personalstellen. Du kannst gleich loslegen.“ Der Jungforscher konnte es nicht fassen. Er hatte doch noch gar keinen Drittmittel-Antrag eingereicht! Was war geschehen?

Der Ordinarius, ein langjähriger Spinatforscher [Forschungsthema geändert], hatte sich zuvor einen äußerst talentierten Junior-Salatforscher [Forschungsthema geändert]  geangelt – aus einem tollen Labor, wo die allerfeinsten Salate direkt für die Festtafel des Königs von Schweden samt dessen Freunde vom Karolinksa-Institut bereitet werden. Dieser junge Salatin hatte ein erstklassiges Salatrezept entworfen und war entsprechend von der Deutschen Förderstelle für Grünzeugforschung reich mit den notwendigen Zutaten bedacht worden. Der Spinat-forschende Ordinarius, selbst beileibe kein Salatexperte, hatte sich zuvor – pfiffig wie er war – auserbeten, dass auch ein paar Spinatblätter mitverwendet würden und somit seinen Namen mit aufs Rezept geschmuggelt. Dann aber kam es zum Streit zwischen Salatin und Ordinarius und der junge Salatin war so weise, zurück ins ferne Salattle zu eilen, wo er bis heute weilt.

„Solch gute Zutaten darf man nicht verkommen lassen“, dachte sich da der Ordinarius – und vor den Augen des neuen Erdbeer-Juniors strich er den Namen des abtrünnigen Salatins aus und setzte dafür dessen Namen auf den Antrag. „Jetzt habe ich den Salat“, dachte sich der Erdbeer-Junior. Statt meiner vielgeliebten Erdbeeren droht mir nun jahrelang, tagaus, tagein – Blattgemüse.

Was war zu tun? In seiner Verzweiflung erbat sich der Beeren-Experte eine Bedenkzeit von vierzehn Tagen, um das Salatrezept zu prüfen – dann sollte er wieder vor dem Ordinarius erscheinen.

Nacht für Nacht lag er nun lange wach und grübelte, haderte mit seinem Schicksal und wusste weder ein noch aus. Da erschien ihm eines Nachts im Traum eine holde Jungforscher-Fee und sprach: „Sei unverzagt, in diesem Salatrezept kannst du so manchen Wurm finden, wenn du nur eifrig genug suchst.“

Der Erdbeer-Junior erwachte voller Freude und machte sich sofort ans Werk. Bald darauf stand er wieder vor dem Ordinarius. „Hoher Herr“, sprach er listig, „Ich weiß, dieses Rezept scheint vortrefflich – und dennoch kann ich keinen rechten Gefallen daran finden…“ Dann folgte eine lange Liste von potenziellen Makeln, wie sie bei jedem neuen Forscher-Rezept nun einmal theoretisch möglich sind.

„Dafür kann ich meinen guten Namen leider nicht hergeben“, fuhr der Junior fort, „Allerdings weiß ich ein wunderbares Erdbeer-Rezept, dass vortrefflich munden wird…”.

Der Ordinarius war nicht gerade erfreut, hatte aber wenig Lust, den entlaufenen Salatin auch noch zu verteidigen. „Dann zeige er mir eben, dass er’s besser kann“, knurrte er – und dachte sich: „Das Früchtchen will ich schon das Fürchten Lehren.“ Also verbot er seinen Mannen, dem Erdbeer-Junior, der zunächst nun nahezu mittellos dastand, auch nur in geringster Weise zu helfen.

Das hätte er besser nicht getan, denn die geknechteten Untertanen des Ordinarius kamen schon deshalb bald zum Erdbeer-Junior und boten ihm von sich aus Unterstützung an. So kam es, dass der Junior schnell recht viele hilfreiche Kollegen fand. Voller Freude machte er sich nun eifrig daran, die vielen Erdbeer-Rezepte, die ihm im Kopf herumschwirrten, zu Papier zu bringen. Und auch die Deutsche Förderstelle für Grünzeugforschung fand bald Gefallen daran und bedachte ihn schon bald reichlich mit vielem von dem, was sein Herz begehrte.

Auch wenn in dieser wahren Geschichte alles sein gutes Ende findet, der rauhe Wind Germaniens bläst vielen hochmotivierten Jungforschern täglich kalt ins Gesicht. Die einfache und kostenfreie Lösung zur Vermeidung solcher Probleme wurde hier bereits präsentiert: keine gemeinsamen Drittmittel-Anträge von Personen im Abhängigkeitsverhältnis. Es sei denn der Junior hat eine unbefristete Stelle – was allerdings wohl kaum vorkommt.

Stephan Feller

(Der Autor ist heute Professor für Tumorbiologie am Institut für Molekulare Medizin, ZAMED, der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg)

(Foto: Freepik / LJ)

 

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